In dieser vierteiligen Berichtsreihe zum Jahresende möchte ich mich ganz den aktuellen Geschehnissen und Entwicklungen in Kenia und Ostafrika widmen. Nicht nur Al-Shabaab und der militärische Konflikt mit somalischen Milizen, sondern auch die wirtschaftlichen Neuerungen und Entwicklungen stehen im Zentrum dieser Berichtsreihe. Dabei wird es vor allem einmal mehr darum gehen, aufzuzeigen, auf welch clevere Weise die Chinesen den schwarzen Kontinent durchdringen und dem Westen in einer ehedem „angestammten Region“ mehr und mehr die Butter vom Brot nehmen.

 

Fortsetzung von Teil 1 dieser Berichtsreihe 

 

Doch auch eine sich beschleunigende Durchdringung des afrikanischen Kontinents durch die Chinesen wird seitens der Amerikaner mit Argusaugen beobachtet. Und dazu hat man in Washington auch allen Grund.

 

Denn wie clever die Chinesen auf dem afrikanischen Kontinent agieren, zeigt allein das Beispiel des Baubeginns einer neuen Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke zwischen dem Hafen von Mombasa und dem im äußersten Westen Kenias gelegenen Kisumu – dem alten Port Florence – am Lake Victoria.

Fahrt in Richtung Tsavo durch die Taru Wüste, die sich – sonst äußert arid – aufgrund zuvor ungewöhnlich heftiger Niederschläge im Dezember in leuchtenden Farben sowie sattem Grün von ihrer besten Seite zeigt. Auf den beiden Bildern ist der Bau eines Streckenabschnitts der neuen Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke zu sehen, die durch die Chinesen konstruiert wird. Die neue Speed Railway wird nicht nur die Hafenstadt Mombasa mit Kisumu am Lake Victoria und der Grenze Ugandas verbinden, wodurch sich ein weitaus größerer Anteil des innerafrikanischen Gütertransports von LKWs auf die Schiene verlagern wird, sondern auch die im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts gebaute Kolonialbahn substituieren. Bilder © Roman Baudzus

Die wirtschaftlichen und strategischen Interessen des Reichs der Mitte in Afrika haben eine Zusammenarbeit und Kooperation zwischen der Pekinger Staatsführung und afrikanischen Regierungen ins Rollen gebracht, der weder die Amerikaner – und schon gar nicht die Europäer – etwas entgegen zu setzen haben.

 

Der vor Kurzem einsetzende Baubeginn der neuen Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke von Mombasa nach Kisumu legt einmal mehr Zeugnis darüber ab. Immerhin ist es gelungen, selbst die Regierung Tansanias mit an Bord dieses Großprojekts zu holen, die in vielerlei anderen Fragen, welche die Ostafrikanische Union (Kenia, Tansania, Uganda, Ruanda und Burundi) betreffen, mit dem als größtem ökonomischen Rivalen angesehenen Kenia allzu oft über Kreuz liegt.

 

Trotz allem wurde zwischen beiden Staatsregierungen die Vereinbarung getroffen, die neue und von West nach Ost durch Kenia verlaufende Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke ab der Hafenstadt Mombasa weiter in Richtung Süden nach dem Küstengrenzort Lunga Lunga über die Hafenstadt Tanger bis in Tansanias Hauptstadt Daressalam auszubauen. Auf diese Weise entsteht in Ostafrika die erste Küstenbahnlinie, noch dazu auf Hochgeschwindigkeitsgleisen.

 

China braucht, um diese Projekte für sich zu proklamieren, keine Kriege zu führen oder – wie die Amerikaner es so gern machen – ethnische Disparitäten auszunutzen oder gar anzufachen, um zur Erreichung der eigens gesetzten Ziele einzelne Staatsregierungen und/oder ansässige Lokalbevölkerungen gegeneinander auszuspielen. Vielmehr werden die Chinesen in Afrika vielerorts als Kooperations- und Wirtschaftspartner wahrgenommen, die den Regierungen auf Augenhöhe begegnen, anstatt sich dem Wahlmotto des „Teile und Herrsche zu bedienen“.

 

Die Chinesen besitzen eine ausgeklügelte Kunst- und Verhandlungsfertigkeit, indem sie afrikanische Regierungen mit ihrem Kapital und Know-how locken. Um den Bau der Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke zu realisieren – an die in der Zukunft gewiss auch Uganda, das schnell wachsende Ruanda sowie Burundi angeschlossen werden dürften –, lockt China mit der Vergabe von großzügigen Krediten über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten zu fairen Konditionen.

Blick auf den Schienstrang der Ende des 19. Jahrhunderts durch die Briten gebauten Kolonialbahn, die auch heute noch zum Zweck des Personentransports unterwegs ist, in Voi am Rande des mehr als 8.000 Quadratkilometer großen Tsavo Nationalparks. Bilder © Roman Baudzus

Neben dem Personentransport befördert die alte Bahnverbindung, die auch nach dem Bau des parallel verlaufenden Schienenstrangs der Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke weiter in Betrieb bleiben soll, selbstverständlich auch Güter aller Art von der kenianischen Küste ins Innere Afrikas und umgekehrt. Der Bau der neuen Speed Railway wird die Reisezeit von Personen und Gütern jedoch erheblich verkürzen und zudem auch Tansanias Hauptstadt Daressalam an diese Verbindung anschließen. Bilder © Roman Baudzus

Im Gegenzug für das Angebot solcher Projektfinanzierungen erhalten vornehmlich Baufirmen aus dem Reich der Mitte die in diesem Zuge vor Ort zu vergebenden Konstruktionsaufträge.  Neben eigens eingeflogenem Personal aus China finden in diesem Zuge auch Hunderte lokal ansässige – und somit schwarze – Bauarbeiter eine langfristige Anstellung, indem sie die chinesischen Bautrupps, die in erster Linie planerische, kontrollierende und leitende Tätigkeiten ausüben, verstärken.

 

Begonnene Projekte wie diese zeugen von dem Willen vieler afrikanischer Staatsregierungen, ihren Kontinent zu modernisieren und Anschluss an das 21. Jahrhundert finden zu lassen. Und China hilft ihnen dabei. Aus diesem Grund sind Chinesen auf dem afrikanischen Kontinent auch jederzeit willkommen, wenn ihnen seitens der schwarzen Bevölkerung hin und wieder auch einige Skepsis oder zuweilen gar Belustigung entgegen gebracht wird.

 

Trotz allem tobt nach wie vor ein gnadenlos geführter Kampf um den strategischen Zugang zu wichtigen Rohstoffressourcen auf dem schwarzen Kontinent. In diesem Hinblick unternimmt Washington nicht nur den Versuch, seine militärische Präsenz wie auch die Bündelung von 35 afrikanischen Staaten in der so genannten Africom-Gruppe profitabel für sich auszuspielen, sondern seine Interessen auch durch eine Ausübung politischen und wirtschaftlichen Drucks zu untermauern.

 

Der momentan auf die kenianische Staatsführung ausgeübte Druck, dem sich Staatschef Uhuru Kenyatta und William Ruto beugen sollen, um sich für ihre vermeintlichen Taten im Zuge der Wahlkrawalle in 2008/2009 vor dem Haager Tribunal zu verantworten, sei an dieser Stelle nur stellvertretend für viele andere Beispiele genannt. Unter einer Mehrheit der kenianischen Bevölkerung und den Gazetten des Landes kommt das überhaupt nicht gut an, weil man westliche Einmischungen in souveräne Staatsangelegenheiten schlichtweg satt hat.   

 

In Bezug auf Europäer und Amerikaner verhalten sich die Dinge also schon ein wenig anders, während der neue „Freund“ China schalten und walten kann, wie es ihm beliebt. Nicht nur die lange Kolonialgeschichte hat deutlich negative Spuren im Verhältnis zwischen Afrikanern und Europäern hinterlassen.

 

Vielen Kenianern ist darüber hinaus auch der seit Oktober 2011 anhaltende Einsatz der eigenen Armee in Südsomalia ein Dorn im Auge, von dem hier vor Ort nicht selten gemutmaßt wird, dass dieser vor allem auch aufgrund von westlichen Rohstoffinteressen durch Washington unter dem Deckmantel der UNO in Somalia befeuert wird.

 

Um den Anforderungen der Kenianer als Mitglied der Africom-Gruppe der Amerikaner gerecht zu werden, werde hier ein durch die Amerikaner finanzierter Krieg geführt, der nicht – wie einst versprochen – zu mehr Sicherheit in Kenia beigetragen, sondern welcher die innenpolitische Situation hingegen merklich verschlechtert habe, wie es vielerorts heißt.

 

Nun, davon ließ sich ausgehen, denn wer hätte auch nur ansatzweise geglaubt, dass sich Al-Shaabab oder andere somalische Milizen der durch die UNO und unter dem Banner der Afrikanischen Union (AU) in Somalias Hauptstadt Mogadischu inthronisierten Muppet-Regierung – die jeden Tag vor einem Zerfall zu stehen droht – oder dem militärisch aufoktroyierten Willen der Kenya Defense Force, die großzügig durch Waffenlieferungen sowie Logistik- und Finanzhilfen der Amerikaner hofiert wird, jemals beugen würden?

 

Immerhin wird der durch Somali-Gruppen nach Kenia hineingetragene assymetrische und revanchistische Terror insbesondere auf dem Rücken der lokalen Bevölkerung und der Tourismus-Industrie des Landes ausgefochten. Aus eigener Erfahrung kann ich – trotz der in den letzten Monaten bekannt gewordenen Überfälle und Attentate – nicht behaupten, dass ich mich seit meiner Rückkehr hier im Lande unwohl oder gefährdet fühlen würde.

 

Diese Sicherheit mag trügen, denn schon vor langem bin ich dazu übergegangen, öffentliche Events, Restaurants, Bars oder Clubs zu meiden, von denen man nicht weiß, ob diese nach den letztjährigen Sylvester-Ereignissen und der Granatattacke auf die Tanduri Bar – die schon längst wiedereröffnet ist – am Diani Beach nicht ebenfalls irgendwann Opfer eines gezielten Überfalls zu werden drohen. Vorsicht heißt also die Mutter der Porzellankiste...

 

Eine Fortsetzung folgt im dritten Teil dieser Berichtsreihe

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