Es geschieht nicht oft, dass Amerikas hochrangige Regierungsoffizielle die Wahrheit sagen, wenn sie über unsere Außenpolitik sprechen. Der unprovozierte Militärangriff auf den Irak im Jahr 2003 wurde gar als „Befreiungsaktion“ bezeichnet.

Im Fall der durch die USA geführten Koalition, die sich im Jahr 2011 zu einer Zerstörung Libyens aufmachte, wurde von einer „humanitären Intervention“ gesprochen. Und so weiter. Und so begab es sich, dass US-Außenminister Mike Pompeo in der letzten Woche wohltuend offen und ehrlich gewesen ist, als er über die neu verabschiedeten US-Sanktionen gegen den Iran sprach.

Ungewohnt: Pompeo spricht Klartext

Pompeo teilte gegenüber dem britischen Sender BBC mit, dass die iranische Staatsführung „eine baldige Entscheidung treffen muss, die sich voll und ganz darum dreht, ob die iranische Bevölkerung auch zukünftig etwas zu Essen auf dem Tisch haben wird“.

Es handelte sich um ein ehrliches Eingeständnis, dass die neu verabschiedeten US-Sanktionen voll und ganz darauf ausgerichtet sind, Irans Bevölkerung auszuhungern, solange sich die iranische Staatsführung den Forderungen Washingtons nicht zu beugen beabsichtigt. Pompeos Erklärung enthüllt ferner den Grad der Geduld und Hartnäckigkeit, mit denen amerikanische Neocons ihren angestrebten „Regimewechsel“ im Iran betreiben.

So wie es einst unsere Ex-Außenministerin Madeleine Albright auf den Punkt brachte, als sie sagte, dass es das Ableben von einer halben Millionen Kindern im Irak im Angesicht der damals verabschiedeten US-Sanktionen „wert gewesen ist“, lässt uns Pompeo nun wissen, dass es auch ein paar Millionen Iraner „wert sind“, falls sich die Chance auf einen Sturz der Regierung in Teheran ergeben sollte.  

Eine völlig kranke Normalität

Amerikas Außenminister fordert, dass sich der Iran „wie ein normales Land verhalten soll“. Andernfalls würden die USA damit fortfahren, massiven Druck auf die iranische Wirtschaft auszuüben, bis es zu einem ökonomischen Kollaps im Iran kommen wird.

Als wie abartig erweist sich die US-Außenpolitik im Angesicht von „normalen“ Erwägungen in Washington, spezifisch ausgearbeitete Sanktionen gegen den Iran zu verabschieden, um den alltäglichen Lebensstandard der dortigen Zivilisten drastisch zu verschlechtern – oder noch schlimmer?

Ist es „normal“, Millionen von Menschen mit dem Hungertod zu bedrohen, wenn deren politische Staatsführung sich weigert, sich den Forderungen der Vereinigten Staaten von Amerika zu beugen? Handelt es sich im Fall der Obsession der Neokonservativen im Hinblick auf deren andauernde Regimewechselaktivitäten in der Welt um ein „normales“ Verhalten?

Handelt es sich im Fall der militärischen Ausbildung und Bewaffnung von al-Qaida in Syrien, die den politischen Sturz von Staatspräsident al-Assad zum Ziel gehabt haben, denn etwa um ein „normales“ Verhalten?

Falls dem so sein sollte, haben Washingtons Neocons den Nagel auf den Kopf getroffen. Da der Iran keine Sanktionen gegen Drittstaaten verhängt, keine militärischen Invasionen in dessen Nachbarländern beginnt und nicht damit droht, Millionen von Zivilisten in Amerika auszuhungern, solange Washington nicht einem Regimewechsel anheim gefallen sein wird, verhält sich der Iran aus Sicht Amerikas vielleicht nicht als „normal“.

Was ist also „normal“?

Der durch die Saudis betriebene Genozid im Jemen kümmert Washington keinen Deut. Tatsache ist, dass die saudische Aggression im Jemen in Washington vielmehr als eine weitere Chance aufgefasst wird, um gegen den Iran loszuschlagen.

Indem man sich auf windige Vorwürfe stützt, die sich darum drehen, dass die im Jemen lebenden Houthi „durch den Iran unterstützt werden“, rechtfertigt die US-Regierung sprichwörtlich die Lieferungen jener Bomben an die Saudis, die auf jemenitische Schulbusse abgeworfen werden, während man sich offiziell darauf beruft, einen durch den Iran unterstützten Terrorismus im Land zu bekämpfen! Ist das „normal“?

Millionen von Jemeniten blicken nach mittlerweile drei Jahre anhaltenden Attacken der Saudis dem Hungertod ins Auge. Die lokale Wirtschaft sieht sich im Angesicht dieses fortdauernden Krieges und der saudischen Blockade inzwischen zerstört.

Die saudische Blockade macht eine Lieferung von Hilfsmitteln zugunsten von leidenden Zivilisten unmöglich, doch US-Außenminister Pompeo schob die Schuld für die im Jemen zu beobachtende Hungerwelle kürzlich auf wen? Na, wissen Sie es? Selbstverständlich auf den Iran!

Umbenennung zur Terrororganisation – und schon stehen die Verbrecher auf der anderen Seite!

Und in einem schockierenden Moment des Zynismus wird berichtet, dass die US-Regierung erwägen soll, die jemenitische Houthi-Bevölkerung zu einer „Terrororganisation“ zu erklären, da diese Menschen das schwere „Verbrechen“ begehen, einen Kampf gegen die saudisch-amerikanische Aggression zu führen und Widerstand zu leisten.

Indem der jemenitische Widerstand als „Terrororganisation“ gebrandmarkt wird, würde die anhaltende Zerstörung des Jemen durch die Saudis effektiv „legalisiert“, da sich dieser Krieg fortan offiziell rechtfertigen und in die Reihe von Schlachten des „Kriegs gegen den Terror“ einreihen ließe.

Ein solcher Entschluss würde ebenfalls dazu beitragen, die wahre Identität des Hauptakteurs hinter der jemenitischen Tragödie in der Öffentlichkeit zu verschleiern, da der Iran, der durch Pompeo und den Rest der Trump-Administration immerwährend und fälschlicherweise als „weltweiter Terrorpate Nummer 1“ bezeichnet wird, im Kreuzfeuer der Kritik verharrt.

Und ja, aus US-Außenminister Pompeos Mund sprachen in der letzten Woche weitere wahre Worte. Doch bevor Pompeo Nationen wie den Iran dazu auffordert, damit zu beginnen, sich wie ein „normales“ Land zu verhalten oder dem Hungertod ins Auge zu blicken, sollte Pompeo zuvor vielleicht einmal selbst in den Spiegel schauen. Verhalten sich Pompeo und die amerikanischen Neokonservativen „normal“? Ich glaube das nicht.

Gastbeitrag für CK*Wirtschaftsfacts / © 2018 Dr. Ron Paul / Institute for Peace and Prosperity

Dr. Ron Paul war neben seiner rund zwanzigjährigen Tätigkeit als Washingtoner Kongressabgeordneter für den US-Bundesstaat Texas auch Präsidentschaftskandidat für die Partei der Republikaner. Sein Buch „Swords into Plowshares“ ist im Buchhandel erhältlich.

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