ie nach einer gescheiterten Offensive auf Tripolis und bis vor kurzem auf dem Rückzug befindliche Nationalarmee Libyens (LNA) von General Haftar scheint sich recht schnell wieder gesammelt und von den zuletzt hinzunehmenden Rückschlägen erholt zu haben.

General Haftars LNA wird insbesondere durch das Nachbarland Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate im Kampf um die Vorherrschaft in Libyen unterstützt, während die in Tripolis residierende – und offiziell durch die Vereinten Nationen anerkannte – Regierung der Nationalen Einheit eine immer stärkere militärische Unterstützung durch die Türkei erfährt.

Laut neuester Meldungen habe die LNA vor wenigen Tagen gezielte Luftschläge gegen die durch türkisches Militär betriebene Basis al-Watiya im Westen Libyens durchgeführt. In diesem Zuge seien ein Luftabwehrsystem des Typs Hawk, mehrere Radarsysteme und andere Ausrüstungsgüter von türkischen Armeeeinheiten zerstört worden.

Diese Ausrüstungsgüter wurden – samt der im Zuge der Luftschläge zerstörten Systeme – erst Anfang des Monats durch türkisches Militär nach Libyen verbracht. Den türkischen Einheiten nahestehende Kräfte sprechen inzwischen davon, dass die gezielten Luftangriffe nicht durch die LNA, sondern durch die Luftwaffe Ägyptens oder der VAE durchgeführt worden seien.

Danach seien die an dem Luftangriff beteiligten Kampfflugzeuge von der ägyptischen Luftwaffenbasis Sidi Barrani aufgestiegen. Die LNA-Führung hat diese Vorwürfe vehement dementiert, darauf hinweisend, die erfolgten Luftangriffe mittels eines eigenen Kampfjets geflogen zu haben.

Seitens der Regierung der Nationalen Einheit hieß es zu diesen Vorfällen, dass auf diese Entwicklung „am richtigen Platz zum richtigen Zeitpunkt“ reagiert werde. Allerdings stehen der Regierung der Nationalen Einheit keine eigenen oder auch nur annähernd ausreichenden Ressourcen zur Verfügung, um tief in den durch die LNA kontrollierten Gebieten militärisch zu antworten.

Und aus eben jenem Grund kann und wird diese Aufgabe der türkischen Regierung in Ankara zufallen. Der Stellvertreterkrieg auf libyschem Boden könnte also alsbald weiter eskalieren.

Die in der britischen Hauptstadt London ansässige Organisation zur Überwachung einer Einhaltung der syrischen Menschenrechte gab kürzlich bekannt, dass von den über 15.000 in Libyen eingesickerten und militanten Kämpfern aus Syrien inzwischen wieder mindestens 5.000 in ihre Heimat zurückgekehrt seien.

Unter den in Libyen befindlichen Kämpfern aus Syrien befänden sich jedoch nach wie vor mehr als dreihundert Kindersoldaten im Alter zwischen 14 und achtzehn Jahren, von denen die meisten durch jene durch das türkische Militär unterstützten Division namens al-Sultan Murad rekrutiert worden seien.

Festzuhalten bleibt, dass sich die seitens der Organisation zur Überwachung einer Einhaltung der syrischen Menschenrechte übermittelten Daten und Zahlen im Vergleich zu den offiziell verlautbarten Daten zuletzt stets als zuverlässig erwiesen haben. Danach sollen sich nach wie vor mehr als 10.000 durch die Türkei unterstützte Militante aus Syrien in Libyen befinden.

Es wird allgemein davon ausgegangen, dass die Türkei eine Ausweitung ihrer militärischen Offensive in Libyen plant, in deren Zuge weiterhin das oberste Ziel einer Eroberung der Stadt Sirte verfolgt wird. Libyens größte Ölquellen ziehen sich Form eines Halbkreises um Sirte.

Um diese Ölquellen nach erfolgtem Feldzug unter die eigene Kontrolle zu bringen, scheint die Regierung in Ankara auf eine Unterstützung von syrischen Paramilitärs angewiesen zu sein. Es beginnt sich allerdings abzuzeichnen, dass ein baldiges Vorrücken türkischer Kräfte auf die Küstenstadt Sirte den Konflikt in Libyen eskalieren lassen wird.

Denn Ägyptens Staatschef al-Sisi hatte kürzlich bereits bekanntgegeben, angesichts einer solchen Provokation nicht tatenlos zuzusehen. Vielmehr muss damit gerechnet werden, dass sich in einem solchen Fall schon bald türkische Einheiten auf der einen sowie Einheiten Ägyptens und der Vereinigten Arabischen Emirate in einer direkten Konfrontation auf dem libyschen Schlachtfeld gegenüberstehen werden.

Der ägyptische Staatschef al-Sisi warnte durch die Regierung der Nationalen Einheit rekrutierte paramilitärische Milizen inzwischen davor, sich an einem Vormarsch auf die Küstenstadt Sirte und/oder die Luftwaffenbasis al-Jufra zu beteiligen. Denn hier verliefe aus Sicht Ägyptens eine rote Linie im Sand.

Sollte diese Linie dennoch überschritten werden, werde Ägypten laut al-Sisi nichts anderes übrig bleiben, als auf direkte Weise im Nachbarland Libyen mittels eigener Militärkräfte zu intervenieren.

Das Kommunikationsbüro des türkischen Präsidentenpalastes teilte zu Wochenbeginn mit, dass auch die Luftwaffenbasis al- Jufra zu einem Ziel der türkischen Einheiten gehöre. Und hier würde es äußerst brenzlig, da die Russische Föderation gerade dabei zu sein scheint, al-Jufra zu einem permanenten Stützpunkt in Libyen auszubauen.

Nochmals sei an dieser Stelle erwähnt, dass sich auf dem libyschen Schlachtfeld ein neuer „afrikanischer Weltkrieg“ – wie seinerzeit im Kongobecken – zu entflammen droht, in den eine Reihe von ausländischen Mächten direkt mit hineingezogen werden könnten.

Unterschied zum damaligen Kongo-Krieg ist, dass sich eine solche Auseinandersetzung praktisch vor der Haustür der Europäischen Union abspielen würde – und somit auch die damit verbundenen Flüchtlingszahlen über das Mittelmeer exponentiell in die Höhe zu schießen drohen.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Konkret heißt das, dass sich die Türkei nicht an jene auf internationaler Ebene getroffene Absprachen, wie sie im Rahmen der Berliner Konferenz oder angesichts des durch die UNO verhängten Waffenembargos getroffen wurden, hält. Vielmehr kämpft das türkische Militär mittlerweile an drei Fronten zugleich: In Libyen, im Norden Syriens und im Norden des Iraks. Und dies im Angesicht einer darniederliegenden türkischen Wirtschaft, einer massiven Zunahme der innenpolitischen Probleme und einer abschmierenden Währung. Allein aus Eigeninteresse und der geographischen Nähe zur EU bleibt der eskalierende Konflikt in Libyen zu beobachten.

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