Gerät der Aufbau von heimischen Batterielieferketten ins Stocken?

Unter Berücksichtigung der durch die Politik angestrebten Energierevolution droht im Falle einer solchen Klassifizierung ein Stocken des Aufbaus einer heimischen Batterielieferkette. Zum aktuellen Lithium wird durch die Mitgliedsländer der Europäischen Union in großen Mengen aus dem Ausland importiert, soll dieses in der Zukunft innerhalb des Wirtschaftsraums doch in wachsendem Maße weiterverarbeitet werden.

Ob dieser Industriezweig in der Europäischen Union einen Ausblick auf Prosperität haben wird, falls die Pläne der Europäischen Kommission erfolgreich umgesetzt werden sollten, steht laut Experten in den Sternen.

Dass ein solches Gesetzeswerk, welches einem Ausbau der heimischen Elektrofahrzeug- und Batterieproduktion einen Bärendienst erweisen würde, ausgerechnet zu einem Zeitpunkt verabschiedet werden soll, zu dem sich die Politik eine Reduzierung der CO2-Emissionen samt eines Erhalts der allgemeinen Energiesicherheit auf die Fahnen geschrieben hat, ist für viele Branchenbeobachter und Kommentatoren nur schwer nachvollziehbar.

Dabei hatte die Europäische Union in der Vergangenheit Pläne präsentiert, wonach die heimische Produktion von batteriefähigem Lithiumkarbonat von aktuell null Prozent auf einen Anteil von 8,3 Prozent im Jahr 2025 steigen soll.

Ähnliche Pläne werden im Bereich von Lithiumhydroxid, das sich als essentiell im Bau von Elektrobatterien mit großer Reichweite erweist, verfolgt. Bei Rystad Energy wird auf Basis von eigenen Berechnungen davor gewarnt, dass sich die Produktionslücke in Höhe von knapp 220 Prozent im Bereich der heimischen Herstellung von Lithiumhydroxid bis zum Jahr 2030 nur unzureichend schließen wird.

Hinzu gesellt sich der Umstand, dass ein spezieller Ausschuss der Europäischen Chemieagentur im Dezember 2021 einem französischen Vorschlag gefolgt war, um drei Lithiumsalze fortan als reproduzierende Toxine der Kategorie 1A zu klassifizieren.

Hierzu gehört neben Lithiumhydroxid auch Lithiumkarbonat und Lithiumchlorid. Danach könnten sich diese drei Substanzen auf schwerwiegende Weise negativ auf die menschliche Fruchtbarkeit und noch ungeborene Kinder auswirken.

Erste Regulierungsvorschläge wurden der Europäischen Kommission aus diesem Grund bereits Ende März dieses Jahres präsentiert. Im Lauf des vierten Quartals soll es dann zur Vorlage eines ersten Gesetzestextes durch die Europäische Kommission kommen, während es den einzelnen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union obliegen wird, bis dahin ihre potenziellen Einwände anzumelden.

Vier wichtigen Bereichen könnten ernsthafte Auswirkungen drohen

Mit der Klassifikation eines reproduzierenden Toxins der Kategorie 1A würde es in der Europäischen Union zwar nicht zu einem kompletten Stillstand der Lithium-Nutzung kommen. Doch Experten halten es in einem solchen Fall für sehr wahrscheinlich, dass es in mindestens vier Bereichen der Lithium-Batterielieferkette zu ernsthaften Folgen kommen würde.

Hiervon betroffen sähen sich neben dem Abbau von Lithium auch dessen weitere Verarbeitung, die Kathodenherstellung und der Recyclingprozess. Eine wachsende Bürokratisierung und Regulierung in diesen Bereichen würde den gesamten Industriesektor empfindlich treffen und die allgemeinen Kosten in die Höhe katapultieren.

Experten und Industrieinsider warnen aus diesem Grund davor, dass neben der allgemeinen Energiesicherheit auch ein Verfehlen des politisch vorgegebenen Ziels einer Absenkung der Nettoemissionen auf null auf dem Spiel stehen wird, falls sich die Europäische Kommission zu einer Verabschiedung des entsprechenden Gesetzeswerks entscheiden wird.

Sollte sich die Europäische Kommission dennoch dazu entscheiden, die zuvor erwähnten Substanzen als Toxine zu klassifizieren, so müsse ab diesem Zeitpunkt damit gerechnet werden, dass die Regulierungsvorschriften im Lithiumsektor auch in einer Reihe von anderen Weltregionen verschärft werden könnten.

Nicht nur die Kosten würden dann im gesamten Bereich wohl stark in die Höhe klettern, sondern auch die allgemeine Unsicherheit innerhalb des Industriesektors drohe dann auf eine empfindliche Weise zu wachsen, worunter vor allem die Investitionsabsichten leiden könnten.

Bereits zum aktuellen Zeitpunkt ist Sand ins Getriebe des Genehmigungsprozesses von neuen Minenaktivitäten im Lithiumsektor in Europa geraten. Laut Industrieorganisationen handele es sich hierbei um eine der größten Hürden, um den Aufbau von neuen Minenkapazitäten auf eine schnelle Weise zu forcieren.

Doch gerade eine Nutzung von Lithiumkarbonat und Lithiumhydroxid erweisen sich in Bezug auf den Ausbau einer stabilen Batterielieferkette auf dem europäischen Kontinent als äußerst kritisch.

Gleichzeitig droht einer Initiierung von potenziellen Abbauprojekten ein herber Verlust an Unterstützung in den hiervon betroffenen Kommunen. Vielerorts wird in den hiervon betroffenen Gemeinden ein potenzieller Abbau von Lithium anscheinend nicht gern gesehen. Es mangelt sozusagen an einer breiten Unterstützung auf Gemeindeebene für solche Projekte.

Investitionsentscheidungen könnten revidiert werden

Ergo wird seitens Industrieorganisationen davor gewarnt, dass nicht nur die bevorstehende Entscheidung zu einer Regulierungsverschärfung auf EU-Ebene, sondern ebenfalls eine stark wachsende Unsicherheit im gesamten Industriesektor wichtige Investitionsentscheidungen zu beeinträchtigen drohen.

Da die hiervon betroffenen Unternehmen sich vor der bevorstehenden Entscheidung zu einer Regulierungsverschärfung auf EU-Ebene ohnehin mit Investitionen zurückhielten, um erst einmal abzuwarten, wie diese Entwicklung weiter- und ausgehen wird, fällt es nicht schwer zu erahnen, dass gewisse Zeitpläne zu einem Ausbau der Industriekapazitäten durcheinander gewirbelt zu werden drohen.

Seitens der führenden Unternehmen im Lithiumsektor wird die Europäische Kommission dazu aufgefordert, auf eine Verschärfung der Regulierungsvorschriften zu verzichten. Kritik hagelt es seitens der Industrie darüber hinaus an der Sichtweise, dass alle der drei zuvor erwähnten Lithiumsalze mit denselben Gefahren einhergehen würden.

Was allerdings noch schlimmer wiegen würde, wäre eine in vielerlei Hinsicht unzureichende Regulierung, die mehr Fragen als Antworten aufwerfen könnte. In diesem Fall drohe der Grad der allgemeinen Unsicherheit im gesamten Lithiumsektor noch einmal zu wachsen.

Dass diese wachsende Unsicherheit schwerwiegende Auswirkungen auf die zukünftigen Investitionspläne im Unternehmensbereich mit sich brächte, sei nahezu selbstredend, wie auch Analysten an den Finanzmärkten warnen.

Ferner schwebe die Gefahr wie ein Damoklesschwert über der Europäischen Union, dass andere Wirtschaftsräume außerhalb der EU die Dinge in einem anderen Licht sehen könnten, um auf eine Verabschiedung von etwaigen Regulierungsvorschriften in Gänze zu verzichten.

In diesem Fall würde die allgemeine Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union in diesem wichtigen Wirtschaftsbereich ins Hintertreffen geraten. Sollte beispielsweise Großbritannien die Dinge anders betrachten, müsse durchaus damit gerechnet werden, dass einst getroffene Investitionsentscheidungen zugunsten von einzelnen Mitgliedsländern der Europäischen Union revidiert würden – um in Richtung des Vereinigten Königreichs abzuwandern.

Erste Schösslinge eines Umdenkprozesses?

In Großbritannien scheint angesichts einer sich auf fulminante Weise intensivierenden Energiemarktkrise ohnehin ein Umdenkprozess eingesetzt zu haben. Denn einst abgegebene Klimaversprechen scheinen dort nun plötzlich auf der Kippe und dem Prüfstand zu stehen.

Obwohl die Londoner Regierung nach wie vor zig Milliarden Pfund-Sterling in den Ausbau von alternativen Energien pumpt, erfreuen sich nun auch einige neue Projekte im Bereich der traditionellen Energieträger, heißt also Erdöl, Gas und Kohle, einer signifikanten politischen Unterstützung.

Nicht nur die Förderung von Erdöl in der Nordsee soll in diesem Zuge über den Verlauf der nächsten Jahre expandiert werden, sondern es soll auf Basis der aktuellen Diskussionen auch wieder mehr Geld in eine Ausweitung der heimischen Kohlekapazitäten investiert werden.

Dabei sahen die Ziele der Londoner Regierung noch bis vor Kurzem vor, sogar schon früher als zum anvisierten Termin im Jahr 2024 aus der Kohleproduktion in Gänze auszusteigen. Im vergangenen Jahr hieß es überdies noch, dass die britische Regierung andere Regierungen auf der Welt dazu drängen werde, die eigens abgegebenen Dekarbonisierungsversprechen auch einzuhalten.

Es erweckt den Eindruck, als ob angesichts von Energieknappheiten und einer immens durch die Decke gehenden Preisteuerung im Energiebereich im Hinblick auf diese einst gesetzten Ziele plötzlich kleinere Brötchen gebacken würden.

Bereits im April dieses Jahres hatte die britische Regierung darauf hingewiesen, dass sowohl Erdöl als auch Gas weiterhin eine tragende Rolle in der Energieversorgung des Landes spielen und den Transformationsprozess hin zu alternativen Energieformen abfedern und unterstützen werden.

Plötzlich scheint die Realität an gedanklichen Wunschvorstellungen zu rütteln. Denn die stark gestiegenen Energiepreise haben in Großbritannien mittlerweile dazu geführt, dass immer mehr private Haushalte sich Strom, Gas, Benzin oder Diesel finanziell nicht mehr leisten können.

In diesem Zuge sprechen Experten von einer wachsenden Energiearmut im Land. Vielleicht aus diesem Grund mag es jetzt seitens der britischen Regierung heißen, dass eine anhaltende Förderung von Nordseeöl immanent wichtig sei, um die allgemeinen Lebenshaltungskosten ausgewogen und bezahlbar zu gestalten.

In diesem Zuge wurden Unternehmen im Erdölsektor gar wieder dazu aufgerufen, die eigenen Investitionen in der Förderung von Nordseeöl auszuweiten. Neue Explorationsaktivitäten in der Nordsee sollen zudem durch den britischen Staat subventioniert werden, wie es seitens des mittlerweile aus seinem Amt geschiedenen Premierministers Boris Johnson im Mai dieses Jahres hieß.

Nur wer mehr Erdöl fördere, werde auch die Krise an den Angebotsmärkten in den Griff bekommen, so der damalige Tenor. Gespräche mit großen Ölunternehmen wie Shell wurden bereits seit dem Frühjahr geführt, um deren eigene Investitionen in diesen Bereich zu steigern.

In diesem Zuge war es beispielsweise zu einer Fördergenehmigung für das Offshore-Gasfeld Shell Jackdaw in der Nordsee gekommen. Bevor die Energiemarktkrise in Großbritannien so richtig zuschlug, wurde eine solche Genehmigung seitens der Behörden noch aufgrund von bestehenden Umweltbedenken abgelehnt.

Auch mit einem Steinkohlekraftwerk in Nottinghamshire soll sich die britische Regierung inzwischen geeinigt haben, um dessen Aktivitäten über einen bislang festgesetzten Zeitraum hinaus um ein halbes Jahr zu verlängern.

Der britischen Bevölkerung bleiben diese Aktivitäten selbstverständlich nicht verborgen, weshalb in der Öffentlichkeit die Kritik an etwaigen Klimazielen zu wachsen beginnt. Allein die realen Begebenheiten sind es, die diesen rein politisch festgesetzten Zielen einen Strich durch die Rechnung machen.

Sollte die Energiemarktkrise nicht bald abflauen, wonach es nicht aussieht, könnten diese selbst gesteckten Ziele der britischen Regierung irgendwann komplett auf dem Prüfstand stehen. Da es unter einer wachsenden Anzahl von privaten Haushalten mittlerweile zu einem Boykott in Bezug auf die Bezahlung von Energierechnungen kommt, lässt sich damit rechnen, dass alles erst einmal noch schlimmer werden dürfte, bevor es wieder besser werden wird.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt Bezug auf einen Bericht von Rystad Energy auf der Seite von oilprice.com.

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Es lässt sich nicht einerseits einer der weltweit größten Anbieter von fossilen Brennstoffen, namentlich Russland, abschalten, um andererseits zum Erreichen von Klimazielen auch noch die eigens vorhandenen Energieproduktionskapazitäten herunterzufahren. Dass dabei eine zuvor auf diese Weise noch nicht gesehene Energiemarktkrise das Resultat sein würde, hätte von vornherein klar sein müssen, wollte bis dato allerdings auf Entscheidungsebene nicht so gesehen werden. Die Zeche zahlen wie so oft die Ottonormalbürger, die nun in Form von Gasumlagen, wie in Deutschland, oder enorm gestiegenen Energiepreisen wieder einmal die Fehler von Politik und Konzernen auslöffeln sollen.

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