Der 29. März 2014 hat das Zeug, als bedeutender Tag in die transkontinentale Wirtschaftsgeschichte einzugehen. An diesem Tag wartete der chinesische Staatspräsident Xi Jingping im Duisburger Hafen auf die Ankunft eines Zuges aus dem Reich der Mitte. Der Anlass war es wert, höchste Aufmerksamkeit auf sich zu vereinen. Und dies völlig zu Recht, wie Chinas Staatspräsident fand, während sein deutscher Amtskollege die stets bemühte NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft geschickt hatte.

Was an diesem Tag aus dem mehr als 10.000 Kilometer entfernten Chongqing heran rollte, war gleichsam der Bote einer künftigen und auf dem Landweg sehr intensiven Zusammenarbeit auf dem gemeinsamen Kontinent. Dabei war die Ankunft des Zuges am 29. März 2014 frei von Überraschungen, weil es sich seit 2011 um ein eingespieltes und erprobtes Manöver handelte. Die Zugverbindung funktioniert und soll von wöchentlich drei Zugverbindungen auf täglichen Verkehr umgestellt werden.

Nicht nur, dass dieser Zug die bisher übliche Seeverbindung von gut 40 Tagen auf gerade einmal 16 Tage reduziert. Mit gut 10.000 Kilometern ist die Fahrstrecke ein Mehrfaches kürzer als die Seeverbindung. Das erfreut alle. Und zwar in der gesamten Breite, angefangen bei Umweltschützern bis hin zu jenen, die im globalen Wettbewerb mit jeder Kostenstelle rechnen müssen. Wenn auch der Name „Yuxinou“ für den Zug ein Kunstwort ist, so deuten die verschiedenen Teile dieses Begriffes auf die Verbindung von China nach Europa hin.

Es ist demnach nicht von der Hand zu weisen, wenn von dem Schienenstrang als der „künftigen Seidenstraße“ gesprochen wird. Dennoch darf nicht verkannt werden, dass die Verbindung Chongqing-Duisburg „nur“ eine Teilstrecke dessen ist, was kühne Strategen am Ende des „Kalten Krieges“ nicht nur geplant, sondern mit ihren handschriftlichen Vermerken und persönlichen Unterschriften auf einer überdimensionierten Landkarte gleichsam amtlichen Charakter verliehen haben.

Es finden sich nach einem asiatischen Gipfeltreffen die Signaturen von Deng Xiao Ping ebenso wie die des US-Präsidenten George Bush, des sowjetischen Präsidenten Gorbatschow des japanischen Ministerpräsidenten Kichi sowie des britischen Premiers John Mayor. Nach den Festlegungen auf dieser Landkarte sollte die Infrastrukturverbindung noch größer ausfallen, denn es war daran gedacht, über eine entsprechend dimensionierte Fährverbindung die philippinische Hauptinsel Luzon mit Shanghai zu verbinden und von dort den großen Wurf nach Rotterdam – natürlich über Duisburg – zu wagen.

Gerade das letzte Teilstück zwischen Shanghai und Luzon gewinnt an Perspektive. Irgendwie sind in den letzten Jahren die Philippinen etwas in den Schlagschatten gefallen. Wirtschaftlich war es nicht berauschend, wie an der Entwicklung des bedeutenden Investments der Frankfurter Flughafen AG auf dem Flughafen Manila deutlich geworden ist. Aber auch die tiefgreifenden Auseinandersetzungen auf der philippinischen Insel Mindanao mit ihrer um ihre angestammten Rechte kämpfenden muslimischen Bevölkerung machten vieles von dem zunichte, was man sich in Manila ausgedacht und erhofft hatte.

Aber dieser Schatten, dem die Philippinen anheim gefallen waren, hat auch die enorme wirtschaftliche Erholung dieses Landes verdeckt. So ist es heute nicht verwunderlich, wenn deutsche Großbanken auf den Philippinen Tausende neuer Mitarbeiter ebenso anheuern wie durch die Lufthansa durch das Anwerben Tausender neuer Mitarbeiter neue Wartungskapazitäten auf den Philippinen aufgebaut werden sollen. Es tut sich was in diesem Inselstaat, der über gut ausgebildete Arbeitskräfte verfügt. Nichts spricht dagegen, den Traum der bis nach Luzon reichenden transkontinentalen Seidenstraße zu träumen und ihn Realität werden zu lassen.

Es ist gerade die Deutsche Bahn AG, die diese Möglichkeiten handfest unterfüttert. Wie anders ist es zu erklären, wenn rund 8.000 Mitarbeiter für die Deutsche Bahn AG in China tätig sind und ein Verbindungsbüro der Deutschen Bahn AG in Bangkok die Möglichkeiten ausloten soll, die sich aus der „Greater Mekong Area“ mit rund drei Milliarden Menschen um diesen Fokus herum ergeben können. Singapur und Saigon  sind im Anschluss an die Zugverkehre auf der transkontinentalen Seidenstraße keine allzu wagemutigen Ziele, zumal das mit mediterranem Charme ausgestattete Kunming als Hauptstadt der chinesischen Provinz Yunnan so etwas wie einen Infrastruktur-Knotenpunkt in Richtung Süden darstellt.

Diese Funktion erfüllt Kunming nicht nur für die Schienenverbindungen, sondern auch als Ausgangspunkt vorzüglicher Autobahnen in Richtung Bangkok und Mandalay in Myanmar, von der Hub-Funktion im Luftverkehr ganz zu schweigen. Es hatte schon seine Gründe, warum der deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck im östlichen Teil dieser chinesischen Provinz das erste deutsche Generalkonsulat eröffnete. Von hier aus bekam man gut mit, was die Mächte so trieben. Heute sind dort unsere holländischen Nachbarn mit einer Blumenvermarktung vor Ort und Stelle aktiv, von der aus ganz Süd- und Nordasien mit Blumen versorgt wird.

Diese Perspektiven haben aber in den gut zwanzig Jahren, die zwischen dem Deng-Plan über diese Zugverbindung und dem Besuch des chinesischen Staatspräsidenten in Duisburg vergangen sind, auch die Gefährdungselemente klar erkennen lassen. Auch wenn dieser Plan die Unterschrift von George Bush als US-Präsident trug, so war damit überhaupt nicht gesagt, auch amerikanische Unterstützung erwarten zu können. Es ist heute auch klar, wo angesetzt worden ist, um eine Umsetzung möglichst zu behindern.

Während die europäischen Belange über die in Luxemburg beheimatete Europäische Investitionsbank bis Moskau hin umgehend hätten umgesetzt werden können, war mit amerikanischer/japanischer Hinhaltetaktik für den Ausbau der Schienenverbindung zwischen Moskau und der chinesischen Grenze – gesteuert über die in London ansässige EBRD-Bank – über Jahre hinweg zu rechnen. Dort ist man, anders als in Luxemburg, Anteilseigner und kennt das Spiel mit der langen Bank. 10.000 Kilometer Eisenbahnstrecke setzen für ihre volle Funktionsfähigkeit ein sicheres Umfeld voraus.

Irgendwie langt die Krim-Sanktionsliste der USA verdeckt globalpolitisch hin. Die neue „Seidenstraße“ ist manchem in Washington ein gewaltiger Dorn im Auge, jedenfalls dann, wenn zwischen China und Holland daran gewerkelt wird. Sich selbst hat man in Washington ein „Seidenstraßen-Gesetz“ verordnet, das den Fahrplan dafür aufstellt, wie der Kontinent zwischen Rotterdam und Shanghai aufgerollt werden soll. So hat auch das Einreise-Verbot für den Chef der russischen Staatsbahnen eine Bedeutung besonderer Art. Dieses Signal hat aber auch nun gar nichts mit der Krim oder dem Vorstandsvorsitzenden, Herrn Wladimir Jakunin, zu tun.

Wenn ein solches Einreise-Verbot von irgendwoher den netten Herrn Grube, den deutschen Kollegen von Herrn Jakunin, treffen würde, käme man aus dem Schmunzeln nicht heraus. So ist es auch bei Wladimir Jakunin, oder nimmt man den Russen übel, dass sie – nach dem Beispiel Sotchi – gewaltige Infrastrukturvorhaben aus dem Boden stampfen können, und dies auch im Angesicht der gewaltigen Ausbaupläne für Zusatzstrecken der „Seidenstraße“ unter Beweis stellen werden. Bestraft der Westen in Zukunft den Erfolg? Wenn das so ist, werden sich diejenigen, die für das Berliner Flughafenmalheur verantwortlich sind, keine Sorgen um ihre Reisemöglichkeiten machen müssen.

Um dem Zug, der in Duisburg derzeit endet, Glück zu wünschen, sollte man ihn „Roter Drache“ nennen.

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