Lissabons Regierung zieht im Kampf gegen Steuerbetrug die Daumenschrauben an, indem die Behörden Sonderprüfungen unter tauenden Privatpersonen und rund 20.000 Unternehmen angesetzt haben. Portugal ist ein gutes Beispiel, wie eine Staatsregierung um sich schlägt, wenn sie finanziell mit dem Rücken zur Wand steht. Selbst haben weder sie noch ihr überdimensionierter Beamtenapparat einen blassen Schimmer, wie man erfolgreich wirtschaftet. Nachdem man dem Privatsektor die Steuern mitten in der Depression brutal angehoben hat, können Arbeitnehmer ihre Chefs seit Jahresbeginn auch anonym online bei den Behörden anschwärzen, wenn Verdacht auf Steuerbetrug besteht.       

 

 

Zu den durch Portugals Fiskus ins Auge gefassten Unternehmen gehören insbesondere Kleinfirmen wie Friseure, Reisebüros, Bekleidungsgeschäfte, Restaurants und auf selbständiger Basis arbeitende Personen. Wie aus einem neuen Regierungsplan hervorgeht, werden über 1.500 Steuerbeamte die Bücher von etwa 13.500 Privatpersonen und 20.000 Unternehmen nochmals per Hand durchgehen. Die Auswahl der Zielobjekte obliegt der Steuerbehörde, doch sehr wahrscheinlich ist, dass sich die Steuerbeamten im Hinblick auf die Zielpersonen und -firmen auf Indizien zu einer begangenen Steuervermeidung oder -hinterziehung von staatlichen Abgaben stützen.

 

 

Portugals staatliches Budgetdefizit fern von gut und böse; wird dieser Haushalt jemals wieder ein Plus aufweisen?

 

Anstatt sich selbst für ihr politisches Versagen an den Pranger zu stellen, gab die Regierung bekannt, dass die Wirtschaftskrise unter den Portugiesen zur wachsenden Bereitschaft der Steuervermeidung und des Steuerbetrugs geführt habe. Plötzlich ist jedermann verdächtig, nur weil der Staat und dessen überdimensionierter Beamtenapparat keinen blassen Schimmer haben, wie man erfolgreich wirtschaftet. Es lässt sich natürlich auch eine Umkehrformel erstellen. Weil Staat und Bürokraten nicht wirtschaften können und der öffentliche Sektor stark überdimensioniert ist, verhalten sich immer mehr Bürger und Firmen auf eine ungesetzliche Weise, die ihnen vorgeworfen wird. Wer in einer Depression die in der Breite wirkenden Steuern brutal anhebt, um sein eigenes Haushaltsloch auf eine nicht besonders erfolgreiche Weise zu stopfen, der sollte sich nicht wundern, wenn Steuervermeidung und -entzug in einer Gesellschaft immer stärker zunehmen, weil die finanzielle Belastung einfach zu hoch ist.

 

 

Portugals offizielle Arbeitslosenquote liegt mit fast 18% bei einem Rekordhoch; dennoch hob die Regierung Bevölkerung und Unternehmen die Steuern in der Depression auf breiter Front an.

 

Es jetzt scheint der Punkt erreicht, an dem der Staat aufgrund seiner fatalen Finanzlage um sich schlägt. Die angesetzten Sondersteuerprüfungen sollen nämlich auch eruieren, ob die überprüften Privatpersonen einem Lebensstil frönen, der nicht in Einklang mit ihren deklarierten Steuerabgaben steht. Laut Regierung und Finanzministerium sollen die zu Beginn dieses Jahres neu eingeführten  Bilanzierungsvorschriften bereits zur Aufdeckung von mehr als 30.000 Unternehmen geführt haben, die ihre Mehrwertsteuer inkorrekt oder gar betrügerisch auswiesen. Dazu zähle auch, dass es rund 15.000 Unternehmen im Inland gebe, die mehrwertsteuerpflichtige Rechnungen ausgestellt hätten, jedoch bei keiner Steuerbehörde registriert seien. Die Hinterlegung von Rechnungen und sonstigen Dokumenten in einer elektronischen Datenbank ermögliche es den Behörden, nun weitaus schneller und gezielter Steuersünder im Unternehmenssektor ausfindig zu machen.

 

 

Ein Blick auf Portugals Lohn- und Gehaltsentwicklung. Die interne Abwertung setzt sich fort, die staatlichen Steuereinnahmen sinken. Wen wundert es?

 

Die Troika hatte der Lissabonner Regierung im November 2012 grünes Licht zur Rekrutierung von mehr als 1.000 neuen Steuerinspektoren gegeben, die die staatlichen Finanzbehörden im laufenden Jahr bei der Eintreibung von offenen oder bislang nicht gezahlten Steuern unterstützen sollen. Um deren Motivation zu erhöhen, soll die Entlohnung auf einem Grundgehalt zuzüglich Erfolgsprämie basieren. Laut der Tageszeitung Diario Economico führen die Rekrutierungen der Regierung zu der höchsten Anzahl an Steuerinspektoren, die das Land in seiner Geschichte jemals in Dienst gestellt hat. Von der Verstärkung verspricht sich die Regierung eine beschleunigte Überprüfung heimischer Bankkonten sowie eine Aufstockung der Kapazitäten bei der Untersuchung von Hinweisen zur möglichen Steuerhinterziehung. Im Zuge der zu Jahresbeginn erfolgten Verabschiedung eines neuen Gesetzes zur Reform des Unternehmenssektors konnten viele Behörden den an sie gestellten Anforderungen nicht mehr gerecht werden.

 

 

Portugals Einzelhändler bekommen die Ausgabezurückhaltung der Verbraucher deutlich zu spüren. Nicht von ungefähr hat eine Insolvenzwelle den Einzelhandel erfasst.

 

Eine offizielle Bekanntgabe zur Schließung von rund 40% aller landesweiten Finanz- und Steuerämter erfolgte deshalb im Zuge einer Vereinbarung mit der Troika zum portugiesischen Defizitabbau. Die bisherigen Aufgaben der eingestampften Behörden sollen in der Zukunft sowohl durch städtischen als auch kommunale Verwaltungen übernommen werden. Die Reformen sollen laut El Mercado bis Ende des laufenden Jahres vollständig umgesetzt sein. Wohin die Reise geht, zeigt eine zusätzliche Initiative zur Erhöhung der Steuerehrlichkeit und Bereitschaft zur Abführung von Sozialbeiträgen im heimischen Unternehmenssektor. Seit Januar 2013 haben portugiesische Arbeitnehmer die Möglichkeit, ihre Arbeitgeber und Chefs online bei den Steuerbehörden anzuschwärzen. Dafür wurde extra eine neue Plattform eingerichtet, über die Arbeitnehmer und Angestellte ihre Firmen anonym anschwärzen und sich somit gegenüber den staatlichen Behörden als Whistleblower betätigen können. Willkommen in der schönen neuen Welt!

 

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