Über einen langen Zeitraum wurden Zinsanhebungen der Federal Reserve als größte externe Gefahr für die Schwellenländer angesehen. Doch hat diese Sichtweise noch länger Bestand? Laut Beobachtern seien diese Bedenken durch einen anderen Faktor abgelöst worden, welcher aus einer zunehmenden Antiglobalisierungs- und Antihandelsrhetorik unter amerikanischen Präsidentschaftskandidaten resultiere.  

Als weltweit mächtigste Notenbank nimmt die Fed seit jeher einen enormen Einfluss auf grenzübergreifende Kapitalströme, Wechselkurse, Zinssätze und den Risikoappetit unter global aktiven Investoren. Gleichzeitig bestimmt die Fed die Interaktionen zwischen den Wechselkursraten und Zinsbewegungen in der Welt, was vor allem für die Schwellenländer gilt.

Für Staaten, die auf Schieflagen wie große Währungs- und Schuldenprobleme blicken, die nicht selten mit unrealistischen Kopplungen von Wechselkursen bzw. Wechselkursregimen einhergehen, können die daraus resultierenden Folgen gravierend sein. Nach einer überlangen Phase einer ultralockeren Geldpolitik scheint die Fed zurzeit den Pfad des Versuchs zu einer „Normalisierung“ ihrer Geldpolitik zu beschreiten.

"Tapering" markiert Änderung der US-Geldpolitik

Erstes Element im Hinblick auf bevorstehende Änderungen in der US-Geldpolitik leiteten sich aus Aussagen von Ex-Fed-Chef Ben Bernanke im Mai 2013 ab, laut denen die Ankäufe von Staatsanleihen durch die Fed bald Geschichte sein könnten. An den Finanzmärkten hatte diese Aussage den Ausbruch von Tumulten zur Folge.

Sofort setzte sich Kapital aus den Schwellenländern in Richtung der amerikanischen Heimat ab. Folge war eine deutlich zunehmende Volatilität an den Weltwährungsmärkten und ein Anstieg der Zinsdifferenzen.

Obwohl die Anleihekäufe durch die Fed tatsächlich gegen Ende des Jahres 2013 eingestellt wurden, um im letzten Dezember die erste Zinsanhebung seit dem Jahr 2006 folgen zu lassen, lässt sich von einer „Normalisierung“ der US-Geldpolitik noch immer weit und breit nichts erkennen.

US-Zinsanhebung: Weitere Verschärfung der Kredit- und Zinsbedingungen

In den vergangenen beiden Wochen haben Fed-Offizielle mehrmals auf eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine weitere Zinsanhebung in den USA im Sommer dieses Jahres hingewiesen. Für Schwellenländer würde dies bedeuten, dass mit dieser Maßnahme eine weitere Verschärfung der Kredit- und Zinsbedingungen Hand in Hand ginge.

Doch auf welche Weise wird die aktuelle Geldpolitik der Fed durch andere Zentralbanken in der Welt unterstützt? Die Antwort lautet: überhaupt nicht. Es erweckt aktuell nicht den Eindruck, als ob andere systemisch einflussreiche Zentralbanken wie die EZB, die BoJ oder Chinas PBoC diesem Beispiel Folge leisten würden.

Vielmehr scheint es so, als würden alle drei genannten Zentralbanken dazu bereit sein, deren Geldpolitik fortsetzen und Bereitschaft an den Tag zu legen, die Weltfinanzmärkte durch das Einpumpen von noch mehr Liquidität in den nächsten Monaten zu stützen.

Wahlkampf in den USA befeuert Anti-Globalisierungs-Rhetorik

Die Bedenken im Hinblick auf den großen Einfluss der Fed auf die weltweiten Kapitalströme hat sich momentan auf Basis von anderen Sorgen verflüchtigt. Beobachter erklären, dass viele Schwellenländerregierungen in jüngster Zeit durch die plötzliche Zunahme der Rhetorik in den USA, die sich gegen Immigration, Freihandel und ausländische Direktinvestitionen richte, aufgeschreckt worden seien.

Diese Entwicklung ließe sich nicht nur im Angesicht des ungewöhnlich verbissen geführten Vorwahlkampfes um die Präsidentschaftsnominierung in den Vereinigten Staaten ablesen. Nicht nur Donald Trump und Bernie Sanders, sondern auch eine ganze Reihe von anderen Kandidaten hätten ihre gegen eine voranschreitende Globalisierung gerichteten Thesen für jedermann öffentlich kund getan.

Können Freihandelsabkommen überhaupt noch umgesetzt werden?

Gleichzeitig reduziere sich die Wahrscheinlichkeit, dass die durch die Obama-Regierung verhandelten Handels- und Freihandelsabkommen in der Zukunft auch tatsächlich umgesetzt würden. Viele Schwellenländer befürchten, dass sie durch eine solche Entwicklung mit am stärksten getroffen werden. 

Einerseits würden sich im Angesicht eines Globalisierungsstopps oder gar einer Rücknahme von vereinbarten Handelsabkommen nicht nur die Märkte für die durch Schwellenländer exportierten Produkte verkleinern, sondern eine solche Entwicklung würde sich andererseits auch negativ auf deren zu erzielende Ausfuhrpreise auswirken 

Laut Analysten zeigten Statistiken, dass Schwellenländer, die über gewachsene und diversifizierte Beziehungen und Handelsvereinbarungen mit den USA verfügten, in einem Ranking wirtschaftlich besser abschnitten als jene, die nicht darauf zurückgreifen könnten. In diesem Hinblick wird beispielsweise immer wieder auf Mexiko aufmerksam gemacht.

Fundamentaldaten in weiten Teilen nicht mehr solide

Eine sich in den USA intensivierende Kampagne gegen die Globalisierung würde bedeuten, dass sich diese Beziehungen in der Zukunft relativieren könnten. Diese Entwicklung tritt just zu einem Zeitpunkt auf, zu dem selbst die entwickelten Industrieländer zu weiten Teilen auf keine soliden Fundamentaldaten mehr blicken.

Kein Wunder, dass diese Entwicklung die Zinssorgen zuletzt auf die nachfolgenden Plätze verdrängt hat. Denn für viele Emerging Markets dürfte sich der Wirtschaftsausblick noch weiter verfinstern, wenn sich das internationale Handelsumfeld in den nächsten Jahren in der Tat noch deutlich verschlechtern sollte.

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