Nun dürfte es also bald soweit sein. Einige slowenische Gesetzgeber warnten vor Kurzem davor, dass ihr Land bald nicht mehr dazu in der Lage sein werde, sich selbst zu finanzieren. Der an die Wand gemalte Bailout durch die EU rückt unaufhaltsam näher. Ich lasse in diesen Bericht einige persönliche Eindrücke mit einfließen, die ich im Frühsommer in Slowenien und bei einem Besuch in dessen Hauptstadt Ljubljana sammelte.

Kurzinfo vorab:Ich möchte die Leser bitten, in den Kommentaren mitzuteilen, ob eine Fortsetzung dieses Berichts in einem Teil II gewünscht wird oder nicht. Ich bedanke mich für Ihre Teilnahme.

Slowenien, das der Eurozone im Jahr 2007 als 17. Mitgliedsstaat beitrat, kämpft vor allen mit den desaströsen Auswirkungen eines Immobiliencrashs. Wie in Spanien, Portugal, Irland oder Großbritannien sind vor allem die Banken des Landes am Haken. Hierbei handelt es sich in erster Linie um Staatsbanken, die unter dem Gewicht ihrer mit rasanter Geschwindigkeit wachsenden Kredite, denen eine Zahlungsausfälligkeit ins Haus steht, zusammenzubrechen drohen (ich berichtete unter anderem im März in „Slowenien: Nächstes Land auf dem Block?").

Noch im April war die Regierung des kleinen Alpenlandes dazu in der Lage, die Übermittlung eines Finanzhilfeantrags an die EU abzuwenden, indem sie präventiv den Bondmarkt zu einem noch relativ günstigen Zins anzapfte. Die Befürchtungen eines politischen Scheiterns haben nun jedoch neue Ausmaße erreicht, nachdem Notenbank-Gouverneur Bostjan Jazbec vor etwa eineinhalb Wochen mitteilte, dass sein Land die EU um finanzielle Hilfe ersuchen werde, falls die Staatsanleihezinsen von ihrem aktuellen Niveau noch weiter klettern sollten.

Nun ja, man kennt das Spielchen ja jetzt zur Genüge. Erst wird eine ganze Zeit abgewinkt und geleugnet, was das Zeug hält, hernach sickern unschöne Details zur desaströsen Verfassung des heimischen Staats- und Bankensektors immer mehr an den Märkten durch und zu guter letzt erfolgt dann wie aus dem Nichts die nächste Nachtsitzung in Brüssel, bei der es kurz vor knapp um die „Rettung“ eines weiteren Mitgliedsstaates der Eurozone geht. Was sollte bei Slowenien so viel anders sein als im Fall von Zypern, Spanien, Irland, Portugal oder Griechenland?

Premierministerin Bratusek zeigte sich bis dato zwar fest entschlossen, Sloweniens Probleme allein zu lösen, teilte gegenüber dem Parlament vor einigen Tagen jedoch mit, dass sich die größte unbekannte Variable in der Frage verberge, wie viel zusätzliches Kapital die Regierung letztendlich  in ihre kaputten Banken pumpen müsse. Und spätestens nach dieser Aussage befinden wir uns nun also auf derselben Linie mit all den anderen Mitgliedsstaaten der Eurozone, die noch kurz vor knapp immer wieder beteuerten, dass Furcht vor einem Länder-Bailout unbegründet sei.

Bis zu 5 Milliarden Euro werde der slowenische Bankensektor benötigen, um sich ein wenig zu stabilisieren, wie Analysten überzeugt sind. Das mag sich im Vergleich mit anderen Ländern zwar nicht nach sonderlich viel anhören, doch nichtsdestotrotz wird man in Ljubljana der Troika die Tore öffnen müssen, um wirtschaftlich überleben zu können – und genau das sollte unbedingt verhindert werden. 2 Milliarden Euro wird die Regierung vielleicht noch selbst zusammenkratzen können, doch alles, was darüber hinaus ginge, würde gewiss zu einer Angelegenheit der EU und der Troika avancieren.

Die Aktie der Kreditna Banka Maribor eröffnete nach ihrem IPO am 10. Dezember 2007 den Handel an der Börse von Ljubljana bei €36,61 – heute ist die Aktie nur noch ein Penny Stock. Diese Entwicklung steht vor allem stellvertretend für Staatsbanken, die sich an den Immobilienmärkten verzockt haben / Chart: Bloomberg

Auch Innenminister Gregor Virant erklärte jüngst gegenüber STA Agency, dass ein Bailout-Ersuchen und die Aufnahme eines Nothilfekredits beim permanenten europäischen Bailoutfonds ESM das günstigste Mittel sein könnte, um sein Land und dessen Bankensektor zu rekapitalisieren. Die faulen Kredite in Sloweniens Bankensystem werden auf bis zu 10 Milliarden Euro geschätzt. Laut mancher Beobachter wüchsen die Risiken für eine waschechte Liquiditätskrise in Slowenien, da die Regierung in Relation immens hohe Kapitalsummen aufnehmen müsste, um ihre bankrotten Banken zu retten. Damit befindet sich Slowenien in kaum einer anderen Lage als Irland vor dessen Bailout durch die EU.

Jahre lang hat man es in Slowenien versäumt, Strukturreformen anzugehen, was zu einer recht hohen Abnahme von ausländischen Direktinvestitionen geführt hat. Entwickelt hat sich auf diese Weise eine Teufelsspirale, die zu einer Solvenzkrise im Firmen- und Bankensektor, viel zu hohen Budgetdefiziten der Regierung sowie einer hartnäckigen Rezession im Land führte. All diese Elemente nähren sich gegenseitig und verschlimmern die Lage des Landes. Hinzu kommt, dass die zu große Abhängigkeit Sloweniens von Exporten in die EU aufgrund der Eurozonen-Krise einen enormen Tribut fordert.

Im Frühsommer dieses Jahres war ich in Sloweniens Hauptstadt Ljubljana vor Ort, was mir die Möglichkeit einräumte, mich selbst einmal dort umzuschauen. Mit dem Zug aus dem österreichischen Klagenfurt kommend, war die Fahrt durch die Alpen mit der Zwischenstation Jesenice recht abwechslungsreich. Kurz vor Einfahrt in den Bahnhof der Hauptstadt bietet sich dem Besucher das gewohnt, vertraute Bild so manch anderer Großstädte des ehemaligen Ostblocks, die sich in deren Außenbezirken und Vorstädten auch heute noch oft in den in die Höhe aufragenden Artefakten architektonischer Verschandlungen durch Plattenbauten manifestieren.

Ankunft am Bahnhof von Ljubljana. Nach kurzem Halt Weiterfahrt nach Zagreb, dem Ziel der meisten Reisenden / Bild: Roman Baudzus

Ljubljana ist lediglich Durchgangsstation für den dem kroatischen Zagreb weiterstrebenden Zug, das Ziel der meisten Fahrgäste ist. Schon am Bahnsteig umfängt mich ein Gefühl, ein Revival der 1980er zu erleben. Diese Empfindung bestätigt sich, als ich in einem Bistro auf dem Bahnhofsvorplatz eine Kleinigkeit zu Essen und ein kühles Getränk bestelle. Jugopop dröhnt aus Lautsprechern in allen Ecken auf mich ein, und ich beobachte einige Männer, die sich mit ihrer typischen Sitzhaltung überkreuzter Beine und Zigarette rauchend um einige der Tische gruppiert haben, um sich dem Halma-, Schach- oder Hütchenspiel hinzugeben.

Ticketfragen zu meiner geplanten Weiterfahrt nach Mailand können mir nach diesem kurzen Aufenthalt durch eine etwas überfordert wirkende Matrone mit wallend blonder Mähne hinter dem einzig besetzten Bahnhofsschalter nicht beantwortet werden. Ihr Computer spucke keine Anschlussverbindungen aus, sondern sei einzig darauf ausgelegt, diverse Tickets für Fahrten auszudrucken, zu denen der Reisende seine Route bereits selbst bestimmt habe. Ich werde also an das Infocenter um die Ecke verwiesen, wo mir ein dicklicher Bahnmitarbeiter, der in einen ehedem vorherrschenden Sozialismus wie die Faust ins Auge zu passen schien und bis in die kapitalistische Gegenwart überdauerte, entgegenstarrt.

Dass ein Ausländer eine Frage zu Zugverbindungen haben könnte, will diesem Mann nicht einleuchten, der sich im weiteren Verlauf wie ein König in seinem grauen Alltagsuniversums geriert. Mit jeder Gegenfrage muss dem ausländischen Besucher auf irgendeine Weise vermittelt werden, wie blöd und unwillkommen der doch eigentlich ist. Doch mit etwas Geduld und Spucke und nach einigen Telefonaten halte ich endlich meinen Ausdruck zur Zugverbindung in Händen, deren komfortabelste Verbindung auf einer Fahrt zurück mit dem Zug nach Klagenfurt, einem Anschlussbus nach Venedig Maestre und von dort mit direkter Zugverbindung nach Mailand basiert.

Ich bin immer wieder überrascht, wie günstig Zugfahren in vielen europäischen Ländern doch ist. Für 77 Euronen von Ljubljana nach Mailand. Schon die Fahrt von Salzburg in die slowenische Hauptstadt war für gerade einmal 29 Euro zu buchen, was mich zu der Frage bringt, warum die Deutsche Bundesbahn es oft nicht schafft, solche Preise auf Langstrecken auch nur im Entferntesten anzubieten.

Die Nacht verbringe ich in einem recht modernen Hotel am Rande der zentralen Altstadt, auf dessen Terrasse ich mich mit einem Italiener bei einem Glas Wein unterhalte, der schon in meinem Zug war und dasselbe Nachtquartier wie ich auserkoren hatte. Besonders sympathisch scheinen meinem italienischen Gesprächspartner die Slowenen nicht zu sein. Üble Menschen seien das, die in der EU nichts zu suchen hätten. Jede Art von Verbrechen sei ihnen zuzutrauen, roh und gewalttätig seien hier die Sitten. Schlimmer seien nur die Leute aus dem noch südlicheren Balkan. Vor allem die Kosovaren trieben in seiner italienischen Heimat eine ganze Menge an schändlichen Dingen, vor keinem Verbrechen schreckten sie zurück.

Aus diesem Grunde würden an der kroatischen Grenze auch weiterhin alle Einreisenden aus den ehemaligen jugoslawischen Teilprovinzen aufs Schärfste gefilzt. Doch gerade diejenigen, denen eine Einreise mit allen Mitteln verwehrt werden müsse, bedienten sich einer offenen Korruption, die ihres Gleichen suche. Da Kroatien (Anm.: zum damaligen Zeitpunkt) kurz vor dem EU-Beitritt stünde, blühe den westlichen Mitgliedsstaaten schon bald ein blaues Wunder. Man müsse Politiker sein, um sich dieser Gefahren nicht bewusst zu sein. Müde und über das Gespräch nachdenkend trolle ich mich kurze Zeit später ins Bett, wo ich sogleich in einen tiefen Schlaf versinke.

Enge Gassen führen ins Zentrum der Altstadt von Ljubljana. Auf dem Bild unten ist eine über die Straße gespannte Leine zu sehen, an der Schuhe hängen. Angeblich habe man diesen Brauch aus Australien übernommen. Der Brauch habe auch eine Bedeutung. In der Übersetzung heiße es, dass die Drogendealer bald kämen. Mein italienischer Gesprächspartner von letzter Nacht hätte darin wohl zugestimmt, für den Slowenien ein einziger Hort des Chaos und blühenden Verbrechens zu sein schien. Bitte berücksichtigen Sie, dass ich hier nur zitiere / Bilder: Roman Baudzus   

Am nächsten Morgen bin ich recht früh auf den Beinen, weil ich mir das Zentrum von Ljubljana und dessen Altstadt anschauen möchte, die einen großen Teil ihres ehemaligen Habsburger-Flairs wieder zurückgewonnen hat. Die sprudelnden Gelder aus europäischen Kohäsionsfonds trugen größtenteils dazu bei. Was mir direkt auffällt sind die exorbitant hohen Preise der Güter in den Schaufenstern der Geschäfte. Auch die zahlreichen lokalen Lebensmittel-, Frucht- und Blumenmärkte machen dabei keine Ausnahme. Ein Kilo Kirschen für 9 Euro, das Kilo Erdbeeren für schlappe 7,80 Euro. Prompt stelle ich mir die Frage, wie sich die Einheimischen dieses Leben leisten können bei einem Durchschnittslohn von 700 Euro netto.

Die Märkte im Zentrum sind zahlreich. Doch die hier aufgerufenen Preise empfand ich in den meisten Fällen als fern von gut und böse / Bilder: Roman Baudzus

Nach einem vormittäglichen Schlendern durch die Gassen der Altstadt, das mich vom zentralen Marktplatz, dem St. Nikolaus Dom, der Drachenbrücke, der Nationalgalerie bis hin zum Tivoli-Schloss und der hoch über dem Zentrum thronenden Burg führte, treffe ich mich zu einem späten Mittagessen mit einem alten Bekannten. Professor Josip Pavlovic ist mir aus meinem eigenen Studium in Darmstadt noch gut bekannt. Heute unterrichtet er an der technischen Universität von Ljubljana und ich zeige mich erstaunt, in welch farbenfrohem Antlitz die barocken Gebäude des Zentrums dem geneigten und historisch interessierten Besucher entgegenstrahlen. Letztendlich alles nur Fassade.

Barocke Gebäude, Jugendstil und Habsburger-Architektur dominieren die wieder strahlenden Fassaden des Zentrums und der Altstadt von Ljubljana / Bild: Roman Baudzus

Ja, so erklärt mir der Professor, ein Teil des alten Glanzes des Stadtkerns wurde Dank großzügiger EU-Hilfen wiedergewonnen. In den zahlreichen Restaurants auf beiden Seiten des Ufers der Ljubljana wimmelt es von jungen Menschen, die sich hier den ganzen Tag über bei Kaffee mit irgendwem im Gespräch befinden. Es ist Dienstag und so stelle ich Pavlovic die Frage, ob die Menschen hier nicht zur Arbeit gingen. Ach, so entgegnet der Professor, bei den meisten dieser jungen Leute handele es sich um Universitätsstudenten, die nichts besseres zu tun hätten als das schöne Wetter zu genießen, um sich einen faulen Lenz zu machen. Man sei ja schließlich selbst auch einmal jung gewesen.

An den Ufern der durch die Stadt fließenden Ljubljana. Eine Vielzahl von Restaurants und Bars und ist nahezu den ganzen Tag gefüllt mit jungen Leuten, die wohl größtenteils die technische Universität der Stadt besuchen / Bild: Roman Baudzus

Von der Realität werde diese Jugend noch früh genug eingeholt, nämlich dann, wenn das Universitätsleben vorbei sei, um danach auf einen Arbeitsmarkt zu strömen, auf dem schon jetzt Massenarbeitslosigkeit herrsche. Die Aussichten seien wenig rosig, so der Professor. Also vergnüge man sich lieber im Hier und Jetzt. Ob Slowenien denn von dem Beitritt zur EU wirtschaftlich nicht signifikant partizipiert habe, möchte ich wissen. Nun, antwortet mein Gegenüber, man sollte immer die Frage danach stellen, welche Gesellschaftsklasse davon Vorteile gehabt hat und wo kaum etwas bis gar nichts angekommen ist. Sloweniens politische Führung sei bis ins Mark korrupt.

Ein Blick auf das Flüsschen Ljubljana, das sich durch die gleichnamige Hauptstadt Sloweniens schlängelt / Bild: Roman Baudzus

Dies sei der beste Grund, warum viele EU-Gelder in tiefen schwarzen Taschen versickert seien. Eine schamlose Bereicherung der politisch und wirtschaftlich führenden Klasse auf Kosten der Restbevölkerung sei das Resultat. Slowenien habe als Land so viel zu bieten. Nicht nur kulturell, sondern auch landschaftlich. Es habe einen eigenen Küstenabschnitt, in den Alpen gäbe es grenzenloses Potenzial zur Erschließung von exklusiven Skiressorts und die Seengebiete würden den touristischen Ansprüchen in nichts nachstehen. Doch wer mache das Geschäft? Das Geschäft machten die Kroaten.

Ein Blick auf Ljubljana von der über der Stadt thronenden Burg (oben). Die Anlage wurde größtenteils mit Hilfe aus Kohäsionsfonds der EU restauriert und dient heute als Museum und einer der touristischen Hauptanziehungspunkte (unten) / Bilder: Roman Baudzus

Slowenien nähmen die meisten Ausländer gerade einmal aus einem offenen Auto- oder Zugfenster wahr, wenn es auf der Fahrt nach Zagreb oder an die kroatischen Küsten zu einem kurzen Halt in Jesenice und Ljubljana komme. Ansonsten fungiere das Land einzig und allein als Durchgangs- und Transitstation, das sein touristisches Potenzial aus Desinteresse und eigenem Unvermögen schlichtweg verpasst habe zu erschließen. Und so gingen dem Land zum Beispiel viele Millionen Euro pro Jahr durch die Lappen, weil Kroatien im Ausland nicht nur ein besseres Image, sondern auch den weitaus besseren Service samt der damit einhergehenden Professionalität aufweise.

Eine restaurierte Altstadt strahlt in ihrem alten Habsburger-Glanze. Auf dem Bild unten ist der St. Nikolaus Dom zu sehen / Bilder: Roman Baudzus

In Slowenien bewege sich seit dem Crash an den Häusermärkten kaum mehr etwas, das Drama um die heimischen Banken werde jeden Tag aufs Neue in den lokalen Zeitungen thematisiert. Viele junge Slowenen mit guter Ausbildung zöge es nach ihrem Studium direkt ins europäische Ausland, wo die Job- und Einkommensperspektiven mitunter besser seien. Sollte es zu einem EU-Bailout kommen, der ohne Zweifel mit harten Sparauflagen Hand in Hand ginge, werde ein echter Exodus wohl die Folge sein. Der daraus resultierende Brain Drain träfe das Land schon jetzt hart. Zwar könne der Arbeitsmarkt viele Absolventen nicht absorbieren, wodurch Slowenien ebenfalls Gründer, potenzielle Firmen, Ideen und Wissen abhanden kämen. Doch...

Ende Teil I...ich möchte die Leser bitten, in den Kommentaren mitzuteilen, ob eine Fortsetzung dieses Berichts in einem Teil II gewünscht wird oder nicht. Danke für Ihre Teilnahme vorab.

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