Außenminister Maas: Zenit der Freundschaft überschritten

Der Zenit der Tage der „guten, alten transatlantischen Partnerschaft zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten“ seien überschritten, wie der deutsche Außenminister Heiko Maas in einer Erklärung gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa) kürzlich unumwunden eingestand.

Interessant ist ferner, dass Maas nicht damit zu rechnen scheint, dass sich an dieser Situation automatisch etwas ändern würde, falls die Demokraten in Gestalt von Joe Biden das Weiße Haus im November zurückerobern sollten. Die strukturellen Veränderungen, denen das transatlantische Verhältnis unterläge, dürften in keinerlei Hinsicht unterschätzt werden.

Auf der Seite des Auswärtigen Amts heißt es hierzu wörtlich wie folgt:

Many people think they can sit Trump out and then after him everything will be as it was before. I think that’s unrealistic. Structural changes have occurred in our transatlantic relations, and they won’t disappear even after Trump has gone. We in Germany, and above all in Europe, need to adapt strategically to this.“

Übersetzung:„Viele Menschen denken, Trump einfach aussitzen zu können, um danach zu einer Situation zurückzukehren, die genauso sein wird wie vor dessen Amtsantritt. Ich halte das für irreal. Strukturelle Veränderungen haben sich in unserer transatlantischen Partnerschaft vollzogen, die sich selbst nach einem Ausscheiden Trumps aus dessen Amt nicht in Luft auflösen werden. Wir in Deutschland, und über allem noch weit mehr in Europa, müssen uns an diese Situation strategisch betrachtet entsprechend anpassen.“

Deutschland neben Türkei bevorzugter Gegner Trumps

Trotz allem werde die Berliner Regierung um weiterhin gute Beziehungen zu den Vereinigten Staaten kämpfen, da diese Beziehungen von großer Wichtigkeit seien, so Maas. Aus Sicht der Trump-Administration wird die deutsche Regierung – neben der Regierung im türkischen Ankara – inzwischen augenscheinlich als einer der bevorzugten Gegner innerhalb des NATO-Bündnisses betrachtet.

Nicht von ungefähr teilte das Weiße Haus kürzlich mit, von den 34.500 in Deutschland noch immer stationierten US-Soldaten knapp 10.000 ins das benachbarte Polen verlegen zu wollen, dessen Regierungsspitze in der Trump-Administration einen Schutzpatron gegen angebliche Expansionsgelüste des russischen Bären in Richtung Polens und des Baltikums zu erkennen vermag.

Einmal mehr knüpfte Trump seine Entscheidung zu einer Truppenverlagerung von der BRD ins Nachbarland Polen an den Vorwurf, laut dem die Berliner Regierung ihren finanziellen NATO-Verpflichtungen nicht auf adäquate Weise nachkäme. Darüber hinaus hat das Weiße Haus inzwischen Sanktionen aufgrund des Baus der russisch-deutschen Gaspipeline namens Nordstream 2 verabschiedet.

Sonderzölle und Pipeline-Sanktionen belasten die Beziehung

Die Washingtoner Regierung, die diesen Bau laut offizieller Aussage aufgrund des Entstehens einer zu großen Gasversorgungsabhängigkeit Deutschlands von der Russischen Föderation sanktioniert, verfolgt jedoch lange schon den Plan, eigenes Flüssiggas an Deutschland und die Europäische Union zu liefern, das Experten im internationalen Kontext allerdings als deutlich zu teuer betrachten.

Auch die Einführung von US-Sonderzöllen in Höhe von 25 Prozent auf Stahleinfuhren und zehn Prozent auf Aluminiumimporte aus den Ländern der Europäischen Union haben nicht dazu beigetragen, das angespannte Dreiecksverhältnis zwischen Brüssel, Berlin und Washington zu verbessern. Im Gegenteil sieht sich vor allem die deutsche Automobilindustrie, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, in besonderer Form durch eine Verhängung dieser Sonderzölle in den Vereinigten Staaten belastet.

Aussagen Merkels und Macrons sollten zum Nachdenken anregen…

Dass die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel jüngst offiziell erklärte, dass die Welt sich daran werde gewöhnen müssen, ohne Amerika als führender Weltmacht auszukommen, lässt tief blicken und zeigt, auf welch tönernen Füßen der Westen als solcher inzwischen zu stehen scheint.

Laut Merkel müssten die europäischen Nationen ihre grundlegende Bereitschaft dazu zeigen, „einen größeren Teil der Lasten zu tragen als während des Kalten Krieges“. Inzwischen ließe sich nicht mehr davon ausgehen, dass die Vereinigten Staaten auch weiterhin ihre Bereitschaft dazu zeigten, Europa militärisch zu verteidigen.

Sollten die Vereinigten Staaten den Wunsch hegen, sich aus ihrer Rolle als Weltmacht aus freiem Willen zurückzuziehen, so Merkel, so bliebe den europäischen Nationen nichts anderes übrig, als hierüber gewissenhaft nachzudenken. Wie sich solche Aussagen Merkels mit den Aussagen des französischen Staatspräsidenten Macron, laut denen die NATO hirntot sei, in Einklang bringen lassen, überlasse ich jedem Leser selbst zu beurteilen.

Auch wenn manche Beobachter Macrons einstiges Statement für politisch motiviert halten, wird der französische Staatspräsident trotz allem dazu aufgefordert, in dieser Hinsicht Farbe zu bekennen. Denn sollte er seine Aussage tatsächlich ernst gemeint haben, so müssten die Franzosen ihren Worten letztlich auch Taten folgen lassen, um aus der NATO auszusteigen.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Aus wirtschaftlicher Sicht verwundert es kaum, dass sich eine wachsende Ausrichtung der Europäer in Richtung Chinas vollzieht, zumal die Strategie des „Make America Great Again“ in den USA unter Trump nicht nur zu reichlich Verstimmungen auf ökonomischem Gebiet, sondern auch auf politischem Gebiet geführt hat. Ferner erweist sich China aus Sicht vieler deutscher Unternehmen nach wie vor als größter Absatz- und Zukunftsmarkt, was angesichts der anhaltenden Coronavirus-Pandemie jedoch auch erst einmal abzuwarten bleibt.

Nichts in unserer Welt – beziehungsweise dem bestehenden System – scheint noch in Stein gemeißelt zu sein. Welcher Natur die strukturellen Veränderungen sind, die sich zwischen den USA und Europa vollziehen, ließ Außenminister Maas offen. Detailliertere Informationen zu diesem springenden Punkt in Bezug auf die transatlantische Partnerschaft wären gewiss interessant gewesen. Wie dem auch sei, Europa wird sich nicht nur entscheiden müssen, an welcher der beiden Großmächte es sich zukünftig auszurichten gedenkt, sondern vielmehr aufpassen müssen, nicht zwischen zwei Mühlsteinen zerrieben zu werden.

Aus meiner Sicht wird die EU nur Bestand haben, falls es zu einer sich beschleunigenden Integration auf dem europäischen Kontinent samt dem Aufbau einer eigenen EU-Armee kommen wird. Doch mal ehrlich, auf die springenden Punkte konnten sich die Führungen der europäischen Nationalstaaten schon vor Ausbruch der aktuellen Krise nicht untereinander einigen. Jetzt, da die Brüsseler Führung - vor allem seitens Italiens - auch offiziell als zahnloser Tiger angesehen wird, soll sich daran etwas ändern?! Diese EU wird es sich nicht leisten können, noch ein weiteres Mitgliedsland zu verlieren, was unweigerlich zum Kollaps der EU als solcher samt dem Euro führen würde.

Insbesondere Europa befindet sich wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich auf dünnem Eis. Deshalb könnten schon kleine handwerkliche Fehler auf Brüsseler Ebene dazu führen, die Fliehkräfte innerhalb der EU nach nun erfolgtem Brexit weiter zu beschleunigen. Ich würde meine Hand keineswegs darauf verwetten, dass die EU in ihrer jetzigen Form das politische Rüstzeug dazu haben wird, um diese Krise zu überleben. Warten wir die Dinge einfach ab, mehr bleibt ohnehin nicht.

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