Nachdem die türkische Lira seit Jahresbeginn rund zwanzig Prozent an Wert in Relation zum US-Dollar eingebüßt hat, scheinen zur Neige gehende Devisenreserven und ein Kampf gegen Windmühlen die türkische Zentralbank CBRT zu einer Aufgabe ihrer Interventionen mit dem Ziel einer Stützung der heimischen Währung veranlasst zu haben.

Spanische Großbank BBVA könnte mit in Schieflage geraten

Es empfiehlt sich, sein Augenmerk auf den türkischen Bankensektor zu legen, der wie in vergleichbaren Krisen zuvor eine Reihe von europäischen Banken mit in Schieflage zu bringen droht, darunter allen voran die spanische Großbank BBVA. Dies wird unter anderem anhand des Instituts Garanti Bankasi beispielhaft deutlich. 

Garanti Bankasi befindet sich, unter Berücksichtigung von zwei weiteren lokalen Instituten namens Is Bankasi und Akbank, mehrheitlich in Besitz des spanischen Bankenriesen BBVA. Deren Bondzinsen liegen momentan über zehn Prozentpunkte höher in Relation zu vergleichbaren US-Staatsanleihen.

Laut ihren Bilanz erweisen sich diese Institute noch immer als profitabel und sollen laut offizieller Aussagen ausreichend kapitalisiert sein. Trotz allem deuten die doch sehr hohen Zinsdifferenzen darauf hin, dass Investoren die Dinge ein wenig anders zu sehen scheinen, weshalb es augenscheinlich an einem allgemeinen Vertrauen in türkische Banken mangelt.

Devisenreserven neigen sich dem Ende zu - Zinsdifferenzen weiten sich aus

Noch bis vor Kurzem hatte sich die Türkische Zentralbank (CBRT) US-Dollars bei heimischen Geschäftsbanken geliehen, um diese eingesammelten Bestände zur Stützung der heimischen Währung gegen einen Ankauf von türkischen Liras zu veräußern. Folge ist, dass ausländische Währungs- und Devisenreserven in der Türkei in einem immer stärkeren Ausmaß zur Neige zu gehen.

Gebracht hat dies alles nichts, denn seitdem die CBRT ihre Anstrengungen aufgegeben hat, wertete die Lira gegenüber dem US-Dollar erneut um mehr als 6,5 Prozent ab. Dazu scheinen sich die Zinsdifferenzen unter Bezugnahme auf die unter türkischen Instituten ausstehenden Bankenanleihen sowie heimischen Unternehmensanleihen in Relation zu US-Schatzanleihen vergleichbarer Laufzeiten jetzt noch drastischer auszuweiten.

Gebühren für die Abhebung von ausländischen Währungen werden eingeführt

Inzwischen hat der Run auf ausländische Währungen unter der türkischen Bevölkerung unter Bezugnahme auf die Nachrichtenagentur Reuters dazu geführt, dass türkische Banken damit begonnen haben, Gebühren für eine Abhebung von ausländischen Währungen einzuführen. Die in Staatseigentum befindliche Ziraat Bank erhebt inzwischen eine Gebühr von 0,03 Prozent für Kontenabhebungen in Höhe von mehr als 3.000 US-Dollars.

Das eingangs erwähnte Institut Garanti Bankasi erhebt ab sofort eine Gebühr in Höhe von 0,015 Prozent für Beträge von mehr als 20.000 US-Dollar. Schlussendlich ist den türkischen Staats- und Geschäftsbanken seitens der CBRT grünes Licht für solche Maßnahmen erteilt worden, weil es ganz offensichtlich zu einer Knappheit an ausländischen Devisenreserven unter diesen Instituten gekommen ist.

Nicht nur der in der Türkei aufgrund der anhaltenden Pandemie darniederliegende Tourismus trägt zu dieser gefährlichen Situation bei, sondern auch der grenzübergreifende Handel der Türkei hat sich über den Verlauf der vergangenen Monate teils deutlich reduziert. Und so verwundert es nicht, dass türkische Unternehmen mehr und mehr in die Bredouille geraten, wenn sich die Dinge um ihre Bedienung von ausstehenden Schulden auf US-Dollar- oder Euro-Basis drehen.

Ansteckungseffekte in Spanien, Italien und Frankreich zu befürchten

Sollte diese Situation anhalten oder sich gar noch verschlimmern, dürfte es über kurz oder lang zu Ansteckungseffekten in Spanien, Italien und auch Frankreich kommen. Auf dem Höhepunkt der Lira-Krise im Jahr 2018 sah sich damals sogar die EZB dazu veranlasst, vor eben jenen Ansteckungseffekten zu warnen.

Die letzte Lira-Krise im Jahr 2018 hatten einige europäische Institute genutzt, um ihre Aktivitäten in der Türkei teils deutlich zurückzufahren. Manche kommerzielle Geschäftsbank sah sich zudem dazu gezwungen, in der Türkei gehaltene Vermögenswerte im Wert abzuschreiben. Trotz allem erweist sich der Grad der Involvierung europäischer Banken in die türkische Wirtschaft noch immer als ziemlich hoch.

Unter allen ausländischen Kreditgebern befinden sich spanische und französische Institute laut einer Warnung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in der größten Gefahr. So heißt es laut aktueller Schätzungen, dass spanische, französische, italienische und britische Banken Darlehen in einer kumulierten Höhe von knapp 120 Milliarden Euro in der Türkei ausstehen haben. Allein auf die BBVA soll mit 61 Milliarden Euro die Hälfte dieses Betrages entfallen.

Inzwischen ist die Quote der uneinbringlichen Darlehen in der Türkei laut offiziellen Daten auf 5,5 Prozent geklettert, womit es sich um den höchsten Wert seit der globalen Finanzkrise handelt. Dass die Inflation im Zuge der letzten Lira-Krise im Jahr 2018 bis auf 25 Prozent gestiegen war und die CBRT ihren Leitzins in der Spitze auf bis zu 24 Prozent anhob, nahm Staatspräsident Erdogan zum Anlass, um den damaligen Vorsitzenden der CBRT seines Amtes zu entheben.

Seitdem ist der türkische Leitzins bis auf 8,25 Prozent gesunken, während die Inflation wieder anzieht. Die Regierung in Ankara hatte in Reaktion auf die Entwicklungen zu Zeiten der Lira-Krise im Jahr 2018 bereits diverse Preiskontrollen eingeführt. Zahlreiche Kritiker werfen Erdogan vor, die CBRT unter die Kontrolle und Fuchtel der Politik gebracht zu haben, so wie sich dies zuvor unter anderem auch in Japan beobachten ließ.

Europäische Institute reduzieren ihre Anteile, die BBVA weitet Kreditvergabe aus…

Mittlerweile reduzieren europäische Institute wie UniCredit ihre gehaltenen Anteile an türkischen Kreditgebern oder ziehen solche Schritte, wie im Fall der ING Groep oder HSBC in Erwägung, um mit einem blauen Auge aus dieser Nummer herauszukommen. Einzig und allein die spanische BBVA, die bereits einen Anteil von 75 Prozent an Garanti Bankasi abgeschrieben hat, hält an ihrem Türkei-Geschäft fest und bleibt vorsichtig optimistisch.

Die in den Vereinigten Staaten gehandelten ADRs von Garanti Bankasi haben seit dem Jahr 2011 mehr als 85 Prozent ihres einstigen Werts (von sechs USD auf 0,91 USD) eingebüßt. Garanti Bankasi verzichtete trotz dieser Entwicklung nicht auf eine sich stark ausweitende und auf ausländischen Währungen basierende Kreditvergabe an den türkischen Bau-, Immobilien-, Tourismus- und Energiesektor.

Manche dieser Bereiche haben sich noch nicht einmal von der letzten Lira-Krise im Jahr 2018 erholt, während der türkischen Tourismusindustrie mittels der Coronavirus-Pandemie eine Art betäubender Vorschlaghammer über den Kopf gezogen wurde.

BBVA ficht das nicht an, denn ganz im Gegenteil hat das Institut seine Kreditvergabe in der Türkei im ersten Halbjahr um weitere 21 Prozent ausgeweitet. Kreditnehmern, die sich nicht mehr dazu in der Lage sehen, ihren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen, wurden zudem Stundungen sowohl in Bezug auf Zinszahlungen als auch Tilgungen eingeräumt.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Angesichts der über die letzten Wochen gegenüber dem US-Dollar und dem Euro wieder wie ein Stein fallenden Lira, ganz zu schweigen von der Performance der Lira in Relation zu der in diesem Umfeld einzig soliden Währung namens Gold, haben sich die Kreditbedingungen in der Türkei erwartungsgemäß deutlich verschlechtert.

Sobald die ausgesprochenen Schuldenmoratorien im Bereich der Kredittilgungen und Zinszahlungen aufgehoben werden, muss mit einem stark wachsenden Druck im türkischen Bankensystemkessel aufgrund von massiv kletternden Zahlungsausfällen gerechnet werden.

Aus Sicht von europäischen Banken wie BBVA lässt sich vermuten, dass dieses spanische Institut wieder einmal durch den spanischen Staat wird „gerettet“ werden müssen, um die daraus resultierende Rechnung hernach auf die europäischen Steuerzahler abzuwälzen. Und so dreht sich dieses Bailout-Karussell bis es sich eines Tages nicht mehr drehen wird.

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