Bei genauer Betrachtung hätte es auch die letzte Rede vor der Mitteilung des eigenen Rücktritts sein können. Die gesamte Rede erweckte den Eindruck, mit den Entscheidungen der eigenen Regierung derart zu fremdeln, dass nur eine Frage übrigblieb: wer gibt in Berlin wirklich den Ton an und warum sollten die Menschen im Lande der Bundeskanzlerin notwendiges Vertrauen weiter entgegenbringen, ohne die die einschneidenden Regierungsmaßnahmen in der Bevölkerung den Vertrauens-Boden unter den Füßen verlieren?

Es ist nur schwer zu ertragen, dass Regierungsberater mit prominenten Namen einerseits Wert darauf legen, von der Regierung angehört zu werden und andererseits in einer Gleichsetzung von Corvid 19 Seuche und Migrationsentscheidung der Bundeskanzlerin im September 2015 abenteuerliche Auffassungen in den letzten Tagen öffentlich verkünden lassen. Die deutsche Bevölkerung hat in der schwierigen Lage, in der wir uns befinden, ein Anrecht auf eine klare Führung auf der ausschließlichen Grundlage der eigenen Verfassung. Da ist es geradezu tödlich, wenn diejenigen, auf deren Wissen und Urteilskraft man bauen muss, eine eigene Agenda erkennen lassen. Rat geben oder in der Öffentlichkeit eine Meinung haben: dazwischen muss man sich entscheiden.

Diesen Wankelmut lässt das Bundesverfassungsgericht erfreulicherweise in der Frage nach der Grundrechtsrelevanz von Regierungsentscheidungen zur Seuche nicht erkennen. Bis auf die Ebene von regionalen Gebietskörperschaften lässt „der Staat“ nicht nur bei der Zulässigkeit von Demonstrationen erkennen, wie gerne man die „Stunde der Exekutive“ für die Durchsetzung langgehegter Vorstellungen zu nutzen willens ist. Hier kommt wie eine Blase hoch, dass Regierungen seit Jahren über ihre Kriegspolitik und Beseitigung des Rechtsstaates ein solches Maß an Glaubwürdigkeit verloren haben, dass einem um unseren Staat als Rechtsstaat Angst und Bange werden muss. In der Schweiz erfindet man sich über die Seuche „als Bund neu“. In Deutschland gäbe es jeden Grund, es den Eidgenossen nachzumachen und der Verfassung neues Leben durch zweifelsfreies Regierungshandeln einzuhauchen.

Die Regierungserklärung der Bundeskanzlerin am 23. April 2020 machte weiteres klar und eindeutig. Sie hat nach den Meldungen aus China die Dinge schleifen lassen. Wochenlang war sie abgetaucht und sie musste durch die Öffentlichkeit geradezu herbeizitiert werden. Damals hat sie die Gestaltungskraft verloren, die sie heute derartige Regierungserklärungen halten lässt. Das kann Deutschland sich nicht länger leisten.

Willy Wimmer

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