Die am letzten Freitag veröffentlichten Arbeitsmarktdaten enttäuschten auf ganzer Linie. Damit ist die Wahrscheinlichkeit einer US-Zinserhöhung im Sommer schlagartig gefallen. Die Gefahr, dass die US-Notenbank durch ein erneutes Zurückrudern an Kredibilität verliert, steigt damit. Noch in den letzten 10 Tagen zeichneten die Mitglieder der US-Notenbank ein positives Bild der Wirtschaft und bereiteten den Markt auf eine baldige Zinsanhebung vor. Sollte die Wirtschaft jetzt, ganz anders als von der US-Notenbank angenommen, deutlich abrutschen und somit eine baldige Zinsanhebung verhindern, so würde dies die Glaubwürdigkeit der US-Notenbank beschädigen.

Nachhaltige Abkühlung der Wirtschaft?

Der Arbeitsmarktbericht enttäuschte nicht nur mit der geringen Anzahl neu geschaffener Stellen (38.000 vs. 164.000), sondern auch die Details des Berichts sind alles andere als überzeugend. Wie man in der unteren Grafik erkennen kann, ist die Anzahl der neuen Stellen im Mai auf dem tiefsten Stand seit September 2010. Damit nicht genug, durch die Revision der Zahlen aus dem Vormonat, fällt der gleitende Durchschnitt deutlich ab. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei den Mai-Zahlen, wie es immer wieder vorkommen kann, um einen statistischen Ausreißer handelt, ist gering.

Für diejenigen die etwas tiefer in der Materie stecken, haben wir die Details des Arbeitsmarktberichtes in der Grafik unten eingebaut. Negativ fällt in den Zahlen die nachgebende „Labor Force Participation“-Rate (Quote der Menschen, die am Arbeitsmarkt Teilnehmenden) auf. Diese suggeriert, dass eine steigende Anzahl von Menschen die Suche nach einer Stelle aufgibt. Dies ist auch der Grund für die gefallende Arbeitslosenzahl (von 5,0 Prozent auf 4,7 Prozent), denn die „Labor Force Participation“-Rate ist die Grundlage für die Berechnung der Arbeitslosenquote.

Doch auch wenn der Arbeitsmarktbericht einen negativen kurzfristigen Trend aufzeigt, so befindet sich der Arbeitsmarkt aktuell in einem recht annehmbaren Zustand. Die sogenannte Beveridge-Kurve zeigt die Relation von offenen Stellen in Abhängigkeit zur Arbeitslosenquote. Wenn man dieses Maß betrachtet (Grafik unten), befindet sich der Arbeitsmarkt auf einem guten absoluten Niveau. In Relation zu der Arbeitslosenquote sind heute mehr offene Stellen vorhanden als vor dem Ausbruch der Finanzkrise.

ISM-Service-Umfrage bestätigt Schwäche

Dass es sich bei dem negativen Arbeitsmarktbericht nicht um eine Eintagsfliege handelt, bestätigen auch andere Wirtschaftsdaten. Der ISM-Einkaufsmanagerindex hat eine hohe Aussagekraft und wird daher mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt. Die Daten für den Mai, die am selben Tag wie die Arbeitsmarktdaten veröffentlicht wurden, lagen deutlich unter den Erwartungen. Anstatt der wie erwartet 55,5 Punkte fiel der Index auf nur 52,9. Im April stand der Index noch bei 55,7 Punkten. Werte von über 50 werden gelten als Zeichen einer expansiven Dienstleistungsindustrie und vice versa. 

Marktreaktionen

Die negativen Wirtschaftsdaten wurden unmittelbar in die Kurse eingepreist. Durch die gefallene Wahrscheinlichkeit einer baldigen Zinserhöhung fielen die Renditen von Staatsanleihen deutlich. Der USD fiel ebenfalls, da die niedrigeren Zinsen am Anleihemarkt den USD-Raum weniger attraktiv machen. Der Aktienmarkt in den USA notierte zunächst tiefer, konnte dann aber die Verluste wieder aufholen. Der gefallene USD beeinflusste die Rohstoffpreise positiv, wovon auch Schwellenländer-Aktien profitieren konnten. Europäische Aktien fielen aufgrund des gestiegenen EUR-Kurses mit am deutlichsten und konnten die Kursverluste nicht wieder wettmachen.   

Die Tatsache, dass die US-Aktienmärkte nicht mit deutlichen Kursverlusten auf die schlechten Wirtschaftsdaten reagiert haben, lässt vermuten, dass die Mehrheit der Anleger bereits neutral oder vorsichtig positioniert sind. Wenn man sich beispielsweise die Sentiment-Umfrage der  American Association of Individual Investors betrachtet, fällt auf, dass der Anteil der Bullen seit Jahren nicht so tief war wie heute (Grafik unten). Hinzu kommen Daten, die von der Bank of America veröffentlicht wurden, dass sich die Kassenbestände bei Investmentfonds auf dem höchsten Stand seit 15 Jahren befinden.

Fazit

Die negativen US-Wirtschaftsdaten sind ernstzunehmend und könnten der Beginn einer konjunkturellen Eintrübung bis hin zu einer Rezession sein. Doch genauso gut könnte es sich um eine vorübergehende leichte Schwäche der Wirtschaft handeln. Wichtig ist unserer Meinung nach: Solange es sich nicht um eine anhaltende und sich weiter verschlechternde Phase der wirtschaftlichen Schwäche handelt, sollten sich die Aktienmärkte nicht aus der Ruhe bringen lassen. Natürlich sind erhöhte Schwankungen im aktuellen Marktumfeld zu erwarten und können ein kurzfristig signifikantes Ausmaß annehmen. Insbesondere, da im Juni noch viele sehr wichtige Entscheidungen anstehen (z.B. Brexit-Abstimmung). Im positiven Szenario, dass der Juni ohne größere Shocks vergeht und sich die Wirtschaftsdaten zumindest stabilisieren, sollten die Aktienmärkte (besonders in den USA) eine positive Entwicklung erfahren. Im negativen Szenario könnte ein Brexit das Sentiment an den Kapitalmärkten und der realen Wirtschaft so stark beschädigen, dass die Aktienmärkte abermals schmerzliche Verluste hinnehmen müssen. Wir empfehlen daher anstehende Investitionen nur bei entsprechender Risikoneigung noch im Juni umzusetzen. Im Juli und August sollte sich Visibilität an den Märkten und in der Realwirtschaft wieder verbessern und somit eine geeignetere Entscheidungsgrundlage für Anlagen bieten.

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