Alles sollte heutzutage anders sein, wie es seitens vieler Kommentatoren noch bis vor kurzem hieß. Vielleicht ist es spätestens seit dem Kurseinbruch an den Aktienmärkten im Februar dieses Jahres zu einem Einzug von mehr Realitätssinn unter diesen Kommentatoren und Beobachtern der Geschehnisse gekommen.

Denn wohin sollten Währungskriege, Sanktionskriege, Ölkriege und Wirtschaftskriege schon anders führen, wenn nicht in einen globalen Handelskrieg bei gleichzeitig aufkommendem Protektionismus? Ich hatte Ihnen diese Frage im Lauf der vergangenen Jahre des Öfteren gestellt. Nun scheinen wir an diesem Punkt zu stehen.

Die Schieflagen, die sich in der globalen Handelsarchitektur über den Verlauf der vergangenen zwanzig Jahre aufgebaut haben, müssen irgendwann schließlich einmal korrigiert, abgebaut und begradigt werden.

Geschichte wiederholt sich

Hätte die Welt bis Januar dieses Jahres für die meisten Akteure nicht besser aussehen können, erweckt es nun fast den Anschein, als ob plötzlich der Hauch der 1930iger Jahre die Marktakteure ergriffen hätte.

Denn mehr als 1.100 Ökonomen, darunter Nobelpreisträger und ehemalige US-Präsidentenberater, haben einen gemeinsamen Brief an US-Präsident Donald Trump verfasst, in dem darum ersucht wird, von einer Verhängung von US-Zolltarifen abzulassen.  

Und siehe da, viele Passagen dieses verfassten Briefs nehmen Bezug auf einen Brief, der im Jahr 1930 zu Beginn der Großen Depression durch Ökonomen an den US-Kongress geschickt, und in dem damals vor protektionistischen Maßnahmen im Welthandel explizit gewarnt wurde.

Damals nahm sich der US-Kongress den Warnungen und Mahnungen der Verfasser nicht an. Das Resultat ist bekannt. Vieles hat sich seitdem in der Welt verändert. Zum Beispiel die Tatsache, dass die Vereinigten Staaten von Amerika heutzutage noch weit abhängiger vom Welthandel sind als damals.

Der Ausbruch eines Handelskriegs mit allen Mitteln verhindern

Die zugrundeliegenden ökonomischen Prinzipien sind jedoch nach wie vor dieselben. Mittlerweile ist eine hochrangige Delegation der Washingtoner Regierung in China eingetroffen, um dort vor Ort über Änderungen an der globalen Handelsarchitektur mit Vertretern der Pekinger Staatsführung zu sprechen.

Immerhin besteht Hoffnung, denn zumindest wird noch immer miteinander gesprochen, wohingegen sich konstatieren lässt, dass aus Peking im Vorfeld dieser Gespräche bislang wenig Entgegenkommen gegenüber den Amerikanern und US-Präsident Donald Trump gezeigt wurde.

Im Brief der mehr als 1.100 unterzeichnenden Ökonomen heißt es, dass der Ausbruch eines Handelskriegs mit allen Mitteln zu verhindern sei. Denn diese Aussicht verdunkele den Himmel nicht nur über der globalen, sondern auch über der amerikanischen Wirtschaft.

Die unterzeichnenden Ökonomen seien sich einig in ihrer massiven Opposition gegen eine Verhängung von protektionistischen Maßnahmen, wie es heißt. Das Weiße Haus und US-Präsident Trump haben die Verabschiedung von Strafzöllen auf chinesische Einfuhren in einem Gegenwert von $150 Milliarden ins Spiel gebracht, um Peking und Chinas Konzerne für einen angeblichen Diebstahl geistigen Eigentums und Copyright-Rechten abzustrafen. 

Smoot-Hawley Tariff Act

Peking hatte darauf bislang mit der Verhängung von Anti-Dumping-Zöllen auf Sorghumimporte aus den USA geantwortet, was auch in den USA angebauten Sojabohnen und dort hergestellten Flugzeugteilen bevorstehen könnte.

Der Originalbrief wurde vor 88 Jahren an den US-Kongress übersendet, um Amerikas Gesetzgeber dazu zu drängen, den so genannten Smoot-Hawley Tariff Act abzulehnen, was zur damaligen Zeit jedoch nicht geschah. Im Jahr 1930 wurde das Gesetz in den USA verabschiedet.

Der Smoot-Hawley Tariff Act avancierte in der Folge zu einem Schlüsselfaktor in dem sich daraufhin weltweit entwicklenden Handelskrieg und dem einsetzenden Wirtschaftsabsturz. Es sind vor allem die beiden Nobelpreisträger Gregory Mankiw und Richard Thaler, die eine Wiederholung der damaligen Ereignisse befürchten.

Denn im Angesicht einer Verhängung von protektionistischen Zolltarifen würden die Preise für heimische Konsumenten voraussichtlich auf breiter Front steigen. Hierbei handelt es sich um einen Aspekt, der seitens des amerikanischen Stationär-Einzelhandels in den letzten Wochen bereits thematisiert wurde.

Abbau von Millionen Arbeitsplätzen

Sollte es zur Verhängung von protektionistisch wirkenden Zöllen in den USA kommen, so der US-Einzelhandelsverband, müsse mit dem Abbau von Millionen Arbeitsplätzen im gesamten Sektor gerechnet werden, wie es in einem vor mehreren Wochen verfassten Statement des Verbands hieß (ich berichtete). 

Doch in einem eskalierenden Handelskrieg würden, so die Verfasser des Briefs an US-Präsident Donald Trump, voraussichtlich auch die Bereiche Transport, Banken, Hotel- und Gaststättengewerbe, Energie und Bau unter einen erheblichen Druck geraten. Bauern würde es gar doppelt hart treffen.

Die mehr als 1.100 unterzeichnenden Ökonomen weisen in ihrem Brief zudem darauf hin, welchen Grad der Bitterkeit die Einführung von protektionistischen Maßnahmen in den USA mit Blick auf die internationalen Beziehungen auslösen würde. Der Ausbruch eines Handelskriegs würde sich keineswegs als guter Nährboden für einen wachsenden Weltfrieden erweisen, wie es darin abschließend heißt.

Zunehmender Egoismus

Nun, eben jenen Aspekt hatte ich meinen Lesern über die letzten Jahre – und spätestens seit dem Beginn des globalen Währungskriegs – klar zu machen versucht. Künstlich reflationierte Vermögenswertpreise und ein seit dem Überwinden der Finanzkrise synchronisiertes Weltwirtschaftswachstum sind eine Sache.

Der Erhalt des Weltfriedens ist eine andere. Ohne letzteres ist nämlich alles nichts wert! Was hat die Welt von den steigenden Aktienkursen, wenn dieser Boom abermals in einem Crash münden und sich gar die Gefahr eines weltweiten Kriegsausbruchs manifestieren sollte? Denn darauf scheint doch einmal mehr alles hinauszulaufen.

Es erweckt den Anschein, als würde die globale Synchronisation des Wirtschaftswachstums einem zunehmenden Egoismus weichen, der auf globaler Ebene alles nur noch schlimmer machen wird. Sollte es zum Handelskrieg kommen, wird die Maxime wohl fortan lauten, dass jedermann seine Beine unter die Arme nehmen wird, um sein Heil in eigenen – voneinander unabhängigen – Strategien zu suchen.

Die 1930er scheinen uns momentan näher als je zuvor in den letzten Jahren zu sein. Dabei sollte heutzutage doch alles anders sein… 

 

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