Beschäftigt man sich mit alternativen Geld- und Wirtschaftssystemen, so ist oft zu hören, man habe utopische Ideen, die auf keinen Fall umsetzbar seien. Man sei unrealistisch und naiv, denn es wäre unmöglich, der weltweiten Finanzhydra die Köpfe abzuschlagen. Vor wenigen Monaten sagte mir noch eine Angestellte der örtlichen Sparkasse, dass sich die Hochfinanz auf keinen Fall ihre Macht nehmen lassen werde.

Werfen wir einen Blick in die Geschichte! Müssen wir uns heute noch vor Papst Benedikt XVI. oder gar der heiligen römischen Inquisition fürchten, wenn wir behaupten, die Erde sei eine Kugel. Glauben Sie, dass es für Menschen, die im Mittelalter lebten vorstellbar war, dass es irgendwann eine Zeit geben wird, in der die katholische Kirche keinerlei politische Macht mehr besitzt? Auch glaube ich, dass die Mehrzahl der DDR-Bürger es noch bis zum Sommer 1989 nicht für möglich hielt, dass wenige Monate später die Mauer fallen könnte.

Vor langer Zeit lebten die Menschen in einer Tauschwirtschaft, bevor mit einer der genialsten Erfindungen des Menschen, - dem Geld, das Tauschen von Waren und Dienstleistungen ungemein vereinfacht wurde. Die Einführung von Geld als Tauschmittel war einer der Hauptgründe dafür, dass die Menschen sich auf Tätigkeiten spezialisieren konnten, in denen sie besonders produktiv waren. Jeder machte das, was er besonders gut und schnell erledigen oder herstellen konnte. Alle Wirtschaftsakteure, - Menschen, aber auch Unternehmen und ganze Länder begannen sich auf die Dinge zu konzentrieren, bei denen sie sogenannte komparative (comparare (lat.) = vergleichen) Vorteile hatten. Es entstand eine hochentwickelte arbeitsteilige Weltwirtschaft, so wie wir sie heute kennen.

Die Geschichte der Wirtschaft und des Geldes ist eine Geschichte des ständigen Wandels. Lange Zeit bezahlte man vorwiegend mit Silber- und auch Goldmünzen, bevor sich dann mit Beginn des 19. Jahrhunderts zunächst in der damaligen Weltmacht Großbritannien und später auch in vielen anderen Ländern (u. v. a. Frankreich, Deutschland, USA, Australien) der Goldstandard durchsetzte.

Gemeinhin sagt man, dass bis ins Jahr 1973 ein Goldstandard, das sogenannte Bretton-Woods-System bestand. Doch eigentlich war der Goldstandard schon seit dem 1. Weltkrieg Geschichte, denn die USA hielten sich nur in den ersten wenigen Jahren an das Abkommen von Bretton-Woods. Ende der 1960iger Jahre bemerkten dann die Länder der Welt, dass die USA zahlungsunfähig waren und ihrer Einlöseverpflichtung von Dollar in Gold nicht mehr nachkommen konnten. Die USA konnten Dollar-Devisen ihrer Handelspartner nicht mehr gegen Gold tauschen, da Amerika vor allem im Zuge des Vietnam-Krieges mehr und mehr begonnen hatte, seine Rechnungen mit ungedeckten Dollar-Noten zu bezahlen. Der damalige Präsident Nixon beschloss am 15. August 1971, dass die USA keine US-Dollars mehr in Gold tauschen muss. Eigentlich ist es im Nachhinein verwunderlich, dass es damals nicht zu einem großen Krieg kam, denn man kann die Nichteinhaltung des internationalen Abkommens von Bretton Woods getrost Betrug nennen.
Doch schon wenig später – im Jahre 1974 – folgte einer der genialsten (geld-) politischen Schachzüge, die die Welt seit Erfindung des trojanischen Pferdes gesehen hat. Die USA schlossen ein Abkommen mit der OPEC (Vereinigung der erdölexportierenden Länder), in dem vereinbart wurde, dass Erdöl nur noch gegen US-Dollar gehandelt werden dürfe. Im Gegenzug sicherten die USA dem saudischen Königshaus zu, die Macht der Dynastie Saud zu erhalten und als Schutzmacht Saudi-Arabiens zu fungieren. Die Golddeckung des US$ wurde also gegen eine, - man könnte sagen „Öldeckung“ ausgetauscht, was die weltweite Nachfrage nach US$ sicher stellte.

Viele Menschen sind trotz der aktuellen Weltwirtschaftskrise und den vielen Krisen der Vergangenheit (Russland, Argentinien, Tigerstaaten, Island, Simbabwe, etc.), die durch unser Geld- und Wirtschaftssystem entstanden, trotzdem der Meinung, dass das gegenwärtige FIAT-Money-Kapitalismus-System allen anderen Geldsystemen und Wirtschaftsformen überlegen sei. Ich bestreite das. Alternative Geldsysteme findet man zuhauf in der Menschheitsgeschichte, sie müssen also gar nicht neu erfunden werden. Es gab verschiedene, sehr stabile und erfolgreiche Geldsysteme, die über Jahrhunderte für Wohlstand und Reichtum einer breiten Bevölkerungsschicht sorgten.

In England gab es im Mittelalter das System der Kerbhölzer. Die Redewendung „etwas auf dem Kerbholz haben“ leitet sich von diesem System ab. Auf den Hölzern wurden „Werte“ eingekerbt. Sie wurden längs halbiert und waren somit fälschungssicher, da jede Bruchstelle einzigartig war. In den Zeiten der Kerbholzwährung erlebte England eine große wirtschaftliche Blüte. Wenn Sie jetzt auf den Gedanken kommen, dass es sehr rückständig sei, mit Hölzern Handel zu betreiben, so muss ich sagen, dass wir heute für unsere Geldgeschäfte Papierscheine benutzen und Papier bekanntlich ebenfalls aus Holz hergestellt wird. Nein, entschuldigen Sie bitte, unsere derzeitigen Euro-Banknoten bestehen hauptsächlich aus Baumwolle. Wir handeln heutzutage also mit bedruckter Baumwolle und mit Giralgeld, - also Ansprüchen auf Auszahlung von bedruckter Baumwolle. Wie Sie sehen, sind wir seit dem Mittelalter gar nicht so viel weiter gekommen.

Ach ja, - die Beschäftigung mit Welt-, Geld- und Wirtschaftsgeschichte kann sehr spannend sein. Wenn ich gerade von meinem Schreibtisch aufblicke und das schöne Wetter draußen sehe, würde ich am liebsten heute einmal nicht arbeiten, sondern viel lieber blau machen. „Blau machen“, woher kommt dieser Ausdruck eigentlich. Es ist nicht zweifelsfrei geklärt, doch gab es eine Zeit, in der der arbeitsfreie Montag (der blaue Montag) für Handwerker eingeführt wurde.

Es war in etwa die Zeit von 1100 bis 1400 n. Chr.. Die Zeit des Mittelalters weckt in der Regel bei vielen Menschen negative Assoziationen. Doch gab es zu Beginn des Mittelalters, - es ist die Zeit, die wir heute Gotik nennen, eine unglaubliche wirtschaftliche Blüte im deutschsprachigen Raum. Die sozialen Unterschiede waren damals so gering wie noch nie in der Geschichte. Die Menschen hatten mindestens drei Monate lang Urlaub pro Jahr und viele Menschen hatten bis zu 150 Tage im Jahr frei. Wenn man bedenkt, dass wir laut Steuerzahlerbund in diesem Jahr bis zum 14. Juli nur für den Staat gearbeitet haben, erscheinen die damaligen Verhältnisse nicht unrealistisch.

http://de.wikipedia.org/wiki/Steuerzahlergedenktag

In der Zeit der Gotik gab es die größte Anzahl von Städteneugründungen in der Geschichte. Städte wie Rothenburg ob der Tauber wurden gegründet und die historische Innenstadt zeugt noch heute von dem Reichtum der damaligen Zeit. Die Häuser wurden Allerortens kunstvoll verziert, und der allgemeine Reichtum zeigte sich ebenso in der bunten und teuren Kleidung der Menschen. Die Menschen hatten satt zu essen, wie Schriften aus der damaligen Zeit bezeugen. Bemerkenswert ist auch, dass zu dieser Zeit mit dem Bau alle bestehenden Kathedralen in Mitteleuropa begonnen wurde. 1248 begann man in Köln mit dem Bau des Doms. In Ulm begann man im Jahre 1377 mit dem Bau des Münsters, mit dem auch heute noch höchsten Kirchturm der Welt.

Auch wenn die Börse an sich eine gute Sache ist, und Menschen ohne Geld, die eine Geschäftsidee haben mit Menschen, die Geld aber keine Ideen haben zusammenbringt, so zählt doch heute nur, ob die Geschäftsidee in möglichst kurzer Zeit auch höchst möglichen Gewinn bringt. Der Kapitalgeber entscheidet also darüber, ob die Geschäftsidee verwirklicht wird oder nicht. Egal wie gut eine Idee ist, bringt sie keine Rendite in überschaubarer Zeit, hat sie keine Chance realisiert zu werden. Der über mehrere Jahrhunderte dauernde Bau einer Kathedrale würde in unserer Zeit also wenig Chancen auf Verwirklichung haben.

Welche Umstände führten zu der damaligen Blütezeit? Zunächst einmal könnte ein Grund für die damalige Wirtschaftsblüte das warme Klima gewesen sein. Die durchschnittliche Temperatur lag damals durchschnittlich 0,5°C höher als heute und beschied den Menschen reiche Ernten und volle Lebensmittelkammern. Selbst in England betrieb man im großen Stil Weinbau. Die Namensgebung vieler englischer Straßen zeugt noch heute davon. Klimatologen bezeichnen diese globale Warmphase zwischen dem 10. und 13. Jahrhundert als "Mittelalterliches Klimaoptimum".

Ein weiterer Grund war sicherlich das damalige Geldsystem im deutschsprachigen Raum. Neben Gold- und Silbertalern waren hauptsächlich sogenannte Brakteatentaler im Umlauf, bei denen es sich um dünne, einseitig geprägte Münzen handelte. Erfunden wurde dieses System vom Erzbischof Wichmann um 1150 in Magdeburg. Das besondere war, dass diese Münzen von Zeit zu Zeit verrufen wurden und ein Schlagschatz, - die Steuer einbehalten wurde. Durchschnittlich rief der Münzherr alle umlaufenden Münzen zwei- bis dreimal im Jahr zum Umtausch auf. Meistens bekam man für vier alte drei neue Münzen. Da niemand wusste, wann genau die Münzen verrufen wurden, war jeder bemüht, sein Geld möglichst rasch wieder auszugeben. Außerdem wurden die Brakteaten, um dem nächsten Schlagschatz zu umgehen, ohne Zinsen weiterverliehen. Das hatte erhebliche Auswirkungen auf die Umlaufgeschwindigkeit und ein leistungsloses Einkommen durch Zins und Zinseszins war weitestgehend nicht möglich.

Reiche Kaufleute, die kein Interesse an den Umtauschaktionen (Steuerzahlungen) hatten führten ab 1413 wieder schrittweise den sogenannten "Ewigen Pfennig“ und später den „Dicktaler“ aus Gold und Silber ein. Geld wurde nur noch verzinst weiter verliehen. Auch die happigen Strafzinsen für zahlungssäumige Bauern führten Anfang des 16. Jahrhunderts zu den blutigen Bauernkriegen. Augsburg war die erste Stadt, in der der Schlagschatz nur alle vier Jahre erhoben wurde, was es der Dynastie Fugger ermöglichte, eine der mächtigsten Familien des Mittelalters zu werden, da sich ihr Vermögen durch die Einführung von Zinsgeld rasch vermehren konnte.

Innerhalb weniger Jahrzehnte war es mit dem Reichtum und dem guten Leben vorbei. Aus Geldmangel wurden die Arbeiten an vielen begonnenen  Bauten und Kathedralen eingestellt, die wirtschaftliche Situation verschlechterte sich deutlich und die dunkle Zeit des Mittelalters begann.

Fortsetzung folgt...

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