Geschäftsmodell und Absatzmärkte

2020 im Zuge der Pandemie war Telemedizin eines der großen Hypethemen mit Teladoc Health als Aushängeschild. Die Bäume schienen in den Himmel wachsen zu können und so legte die Aktie von Teladoc von Januar 2020 bis Januar 2021 um 250 Prozent zu.

Operativ war man zwar erfolgreich, konnte aber beileibe nicht so wachsen, wie der Kurs. Das führte dazu, dass die Aktie am Allzeithoch bei einem Kurs-Umsatz-Verhältnis jenseits der 40 notierte. Mangels Gewinnen war die Berechnung eines KGVs übrigens ohnehin nicht möglich. Man konnte die Uhr stellen, wann es hier zur überfälligen Korrektur kommen würde.

An der Börse ist es immer wieder dasselbe. Gier frisst Hirn. Es hätte eigentlich klar sein müssen, dass diese bewertungstechnische Übertreibung irgendwann in eine Korrektur münden würde. Gekauft wurde die Aktie in Hoffnung auf immer weiter steigende Kurse aber trotzdem. Die Strafe folgte aber auf den Fuß. Im Ergebnis sehen wir heute einen Kursverlust vom Hoch von rund 80 Prozent.

Da die Börse aber nicht nur Übertreibungen zur Oberseite, sondern auch zur Unterseite liebt, eröffnet das für Investoren immer wieder erstklassige Chancen. Auch bei Teladoc finden wir heute ein wesentlich attraktiveres Bewertungsbild vor als es noch vor zwölf Monaten der Fall war.

Es tut mir leid, wenn ich Sie mit so einer langen Einleitung belästige. Allerdings kann ich es nicht oft genug wiederholen: Finger weg von Hypes und luftigen Bewertungen.

In dem Moment, in dem sich die erhitzten bullischen Gemüter wieder beruhigen, kommt es ausnahmslos und jedes Mal zu einer Bereinigung. Mal dauert es halt etwas länger bis der Markt eine lachhafte Überbewertung realisiert. Das ist das Gesetz der Börse, welches sich in den grandiosesten Kursverlusten entlädt. Wenn ich wenigstens einen einzigen Anleger vor solchen Bruchlandungen beschützen kann, haben sich meine Zeilen bereits gelohnt.

Nun aber zurück zum Thema. Teladoc Health ist eigenen Aussagen zufolge das weltweit führende Unternehmen im Bereich Telemedizin. Hierbei sorgt das Unternehmen für die effizientere und komfortablere Vernetzung zwischen Ärzten und Patienten.

Quelle: Investorenpräsentation Januar 2022

Das Ziel der Telemedizin: Mit wenigen Klicks zur Lösung dringlicher Gesundheitsfragen. Und das ohne kostbare Zeit im Wartezimmer einer Arztpraxis zu verschwenden. Durch die effiziente Abwicklung lassen sich neben Zeit auch Kosten sparen, was Krankenversicherer freut.

Die digitale Vernetzung sorgt für eine wesentlich effizientere Abwicklung. Zudem entsteht durch die Benutzung des digitalen Kanals eine riesige Datenbank. Ein wahrer Datenschatz, welcher - richtig ausgewertet – besseren Aufschluss über die menschliche Gesundheit geben kann. Dadurch lassen sich sich anbahnende Beschwerden im Idealfall sogar frühzeitig lindern.

Über die Zusammenarbeit mit Krankenversicherern und ein Abomodell, über welches man monatliche Gebühren berechnet, entsteht Teladoc’s Umsatz. Von den rund 298 Millionen krankenversicherten US-Amerikanern haben bereits 76 Millionen Zugang zu den Lösungen von Teladoc.

 

 

Quelle: guidants.com

Die Aktie versucht sich gerade an einer Bodenbildung nach dem brachialen Crash. In einer ersten Gegenreaktion könnte es zumindest in Richtung des 23-Prozent-Retracements bei 110 Dollar gehen. Dazu müsste die Unterstützung bei 50 Dollar allerdings auch halten. Bei Kursen darunter kann es auch schnell Richtung 41 Dollar gehen.

 

 

Bewertung

Der Kurssturz war bitter notwendig, um die eklatante Überbewertung abzubauen. Nun sieht es bei Teladoc aber tatsächlich interessant aus. Zwar schreibt man noch keine Gewinne, allerdings zeigt der Margentrend in die richtige Richtung. Für 2022 plant das Unternehmen mit einem Umsatz von 2,6 Milliarden Dollar (+27 Prozent). 2024 möchte man bereits einen Umsatz von vier Milliarden Dollar generieren. Angesichts dessen ist ein KUV von 5,2 durchaus interessant.

Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass man es inzwischen nur mehr auf eine Marktkapitalisierung von 10,5 Milliarden Dollar bringt. Bemerkenswert deshalb, da man Livongo 2020 für eine Summe von 18,5 Milliarden Dollar schluckte. Und vor der Übernahmemeldung war Teladoc alleine rund 20 Milliarden Dollar wert. Warum sollte der kombinierte Konzern heute nur noch ein Viertel der kumulierten Bewertung wert sein?

Bilanz und Verschuldung

Durch die Übernahme von Livongo hat sich die Eigenkapitalbasis deutlich erhöht. Für die 18,5 Milliarden Dollar schwere Übernahme musste man aber auch eine massive Kapitalerhöhung durchführen. Dadurch hat sich die Aktienanzahl mehr als verdoppelt. Allerdings hat man hierdurch sein Lösungsspektrum auch auf das Monitoring von chronisch kranken Patienten erweitert (u.a. Diabetes und Bluthochdruck). Langfristig macht das Sinn.

Profitabilität

Das Geschäftsmodell lässt sich sehr gut skalieren. Das zeigt der Margentrend, welcher in die richtige Richtung zeigt. Die Strukturen stehen, Ärzte sind unter Vertrag. Je mehr Patienten jetzt zu Teladoc stoßen, desto kleiner wird auch der Kostenanteil dieses Abwicklungs- und Verwaltungsapparats am Gesamtumsatz.

 

 

Bei Telemedizinlösungen hat der Faktor Preis in der Regel den größten Einfluss auf die Kaufentscheidung der Kunden. Dadurch sind die Margen begrenzt und es gewinnt derjenige Player, welcher über die günstigste Kostenstruktur verfügt. Teladoc hat hier gerade gegenüber den vielen kleinen Konkurrenten die Nase vorn. Das erkennt man unter anderem über die Bruttomarge, die deutlich über dem Durchschnitt im Sektor liegt.

Wachstum

Die Übernahme von Livongo war zwar vollkommen überteuert – 18,5 Milliarden Dollar für einen 2019er Umsatz von 170 Millionen. Rein strategisch macht der Deal aber absolut Sinn. Denn gerade die Behandlung von chronisch Kranken sorgt für planbare Umsätze und durch die Übernahme hat man den Patientenpool deutlich erweitern können. Zudem tritt der Vorteil von Telemedizin gerade bei chronisch Kranken am deutlichsten zutage.

Beispielsweise können Ärzte dank eines genauen Monitorings ihrer Patienten frühzeitig auf sich anbahnende Probleme reagieren. Dadurch lassen sich bereits im Vorfeld Komplikationen und teure Zusatzbehandlungen vermeiden. Davon hat nicht nur der Patient etwas, sondern auch der Arbeitgeber bzw. Krankenversicherer, welcher sich Rückerstattungen für Medikamente und Folgebehandlungen spart.

Einer 2019 veröffentlichten Studie zufolge lassen sich bei Diabetespatienten dadurch über 20 Prozent an Kosten gegenüber einer konventionellen Betreuung einsparen.

In Anbetracht des 500 Milliarden Dollar schweren Diabetesmarktes in den USA verfügt Teladoc mit Livongo somit über eine Lösung, die dabei hilft, enorme Kosten einzusparen. Das positive Momentum sollte also anhalten.

Konkurrenz

Der Telemedizinmarkt ist stark fragmentiert. Dem großen Player Teladoc spielt das aber eher in die Karten. Schließlich kann man ein breites Dienstleistungsspektrum anbieten, und das auf 24-Stundenbasis. Gerade für kleine Konkurrenten wird das schwierig bzw. teuer. Schließlich muss man die teuren Grundstruktur für diese Dienstleistungen erst einmal schaffen. Und je weniger Kunden man hat, desto größer auch der dementsprechende Kostenanteil am Umsatz, was höhere Preise zur Folge hat. Mit einem großen Player wie Teladoc wird man somit kaum mithalten können.

Risiken

Das größte Risiko kommt von regulatorischer Seite. Teladoc muss verschiedensten regulatorischen Vorgaben der US-Bundesstaaten gerecht werden. Diese, sowie die Vorgaben aus Washington können sich laufend ändern, auch zum Nachteil von Teladoc.

Auch die Konkurrenz durch die finanzstarken Technologiekonzerne, die ihre Fühler in den Markt ausstrecken, muss bedacht werden.

Porter’s Five Forces

Durch die inzwischen erreichte Größe verfügt man über ein starkes Netzwerk an verbundenen Ärzten und damit einen deutlichen Vorteil gegenüber kleineren Branchenkonkurrenten. Diese Skalierungsmöglichkeiten haben gerade kleine Konkurrenten nicht, weshalb diese sich schwerer tun, kosteneffizient zu arbeiten. Im stark fragmentierten Markt hat man gegenüber den Branchenkonkurrenten also die Nase vorn.

Das Thema ‚Neue Konkurrenz‘ bekommt einige Punkte, da gerade Konzerne aus dem Technologiesektor verstärkt den Markteintritt suchen. Microsoft, Apple, Alphabet und Oracle verfügen über ungleich mehr finanzielle Feuerkraft, als Teladoc. Natürlich könnte dies auch zum Vorteil von Teladoc sein. Schließlich suchen viele Konzerne den Eintritt über Übernahmen, wie im Fall von Oracle, welche sich kürzlich das Gesundheitssoftware-Unternehmen Cerner einverleibten.

Teladoc ist abhängig von seinem Netzwerk von Ärzten, welche in Sachen Gehaltsverhandlungen am längeren Hebel sitzen. Dieser Faktor wird über die Lieferantenkomponente abgebildet.

Während Substitution kein Thema im noch jungen und aussichtsreichen Telehealth-Markt sein sollte, sieht es bei der Abnehmerkomponente schon etwas anders aus.

Hier gewinnt in der Regel der Anbieter mit dem günstigsten Preis. In Branchen, in denen man nicht mit dem Produkt, sondern vor allem mit dem Preis punkten muss, hat in der Regel der Abnehmer die Hosen an.

 

 

Teladoc Health ist eines der führenden Unternehmen im noch jungen und aussichtsreichen Telemedizin-Markt. Und dank des massiven Kursabsturzes finden Anleger, die in diesen Sektor investieren möchten, heute ein wesentlich besseres Chancen-Risiko-Profil vor, als noch vor zwölf Monaten.

Herzlichst

Ihr

Christof von Wenzl

Quellen: sentieo.com, morningstar.com, www.teladochealth.com, guidants.com, wikipedia.de

Alle Kennzahlen wurden – sofern nicht anders erwähnt - auf Sicht der letzten vier verfügbaren Quartale berechnet.


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