Tourismus als Einnahmequelle in Gefahr

Die Tourismusindustrie leistet einen wesentlichen Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt Griechenlands. Insgesamt sollen, laut dem Verband der Tourismusunternehmer SETE, 30,9 Prozent des BIP von 2018 unmittelbar oder mittelbar vom Tourismus abhängen. Der Tourismus sorgt für 25,9 Prozent der Arbeitsplätze, was 988.600 Personen einen Job verschafft. Die 10.121 registrierten Hotels stellen 798.650 Betten zur Verfügung.

Ohne die Einnahmen und Ankünfte von Teilnehmern von Kreuzfahrten setzten die aus dem Ausland anreisenden 30,1 Millionen Touristen im Jahr 2018 laut den Daten der Griechischen Notenbank 15,6 Milliarden Euro um. Das entspricht einem Pro-Kopf-Umsatz von knapp 520 Euro. Mehr als die Hälfte, nämlich 54,8 Prozent der ausländischen Touristen kamen in der Periode Juli, August und September. Im laufenden Jahr werden noch höhere, um bislang 1,28 Milliarden Euro im ersten Halbjahr 2019 gewachsene Einnahmen registriert. Eigentlich sind solche Zahlen ein gutes Zeichen von Aufschwung, zumal sie seit sieben Jahren konstant steigen.

Wie bei fast allen Erfolgsgeschichten aus Griechenland, liegt der Teufel im Detail. Es gibt durchaus bereits jetzt schon Anzeichen, dass auf die sieben fetten Jahre, einige magere folgen werden. Griechenland als Tourismusziel profitierte von geopolitischen Problemen seiner Konkurrenten, der Türkei, Ägyptens und der nordafrikanischen Staaten.

Brexit und Handelskrieg werden sich auch in Griechenland bemerkbar machen

Zwei der Hauptherkunftsländer von Touristen, Deutschland und das Vereinigte Königreich haben nun ihre eigenen Probleme. In Deutschland ist der Aufschwung ins Stocken geraten. Der bevorstehende Brexit bedroht indirekt auch die Tourismusindustrie Griechenlands.

Während Griechenland in der Krise stagnierte, erlebte die übrige europäische Welt eine Zeit des Aufschwungs. Nun droht, auch als Folge der Wirtschaftskriege, eine neue Krise, auf welche die Griechen alles andere als vorbereitet sind.

Marode Infrastruktur, wenig Sicherheit

Während der Krisenjahre hat Griechenland zwar Touristen gewonnen, aber kaum in die eigene Infrastruktur investiert. Dieses Jahr häuften sich mitten in der Hochsaison die Pannen bei den Autofähren. Der unrühmliche Höhepunkt der Pannenserie spielte sich vom 6. bis zum 16. August auf der Insel Samothraki ab. Die Insel war, samt der auf ihr weilenden Touristen, komplett von der Außenwelt abgeschnitten.

Die Zwangsverlängerung des Urlaubs war mit einer Nahrungsmittelknappheit verbunden. Denn, wenn keine Fähre Touristen auf eine Insel bringen kann, dann werden auch die Waren für die Geschäfte nicht geliefert. Es ist durchaus verständlich, dass dies zur massenhaften Stornierung von gebuchten Urlaubsreisen auf die Insel Samothraki führte.

Die verfassungsmäßig verankert von Einkommenssteuern befreiten Reeder betreiben ihre Flotten offenbar auf Verschleiß. Zumindest im Fall von Samothraki wurde zusätzlich auch die Hafenanlage nicht ordentlich gewartet, was dazu führte, dass Schiffe mit zu viel Tiefgang bei schlechtem Wetter nicht in den Hafenbereich einfahren konnten.

Auf Poros verunglückte Mitte August ein Hubschrauber. Der Pilot und die beiden Passagiere fanden den Tod, die Elektrifizierung der Insel wurde unterbrochen. Was war geschehen? Über dem Hubschrauberlandeplatz der Insel verlaufen die Hochspannungskabel für die elektrische Versorgung. Darin verfing sich der startende Hubschrauber. Es stellte sich im Nachhinein heraus, dass der Landeplatz nicht ordentlich genehmigt war.

Zudem fanden griechische Journalisten der Zeitung Eleftheros Typos Schreiben aus dem Jahr 2018, Aus denen eindeutig hervorgeht, dass das zuständige Infrastrukturministerium über den Missstand informiert wurde.

Pikant ist, dass ein sehr detailreiches Schreiben aus dem Jahr 2018 vom Ausschuss für die Untersuchung von Luftfahrtunglücken und für die Luftfahrtsicherheit stammt. Der Ausschuss hatte dem Minister aber auch dem Netzbetreiber dringend geraten, die fraglichen Überlandkabel zumindest der Norm entsprechend mit Warnhinweisen zu kennzeichnen.

Mitten in der Urlaubssaison häuften sich zudem die Fälle von ertrunkenen Kindern und Erwachsenen in den Swimmingpools der Hotels. Was war hier der Grund? Die Ertrinkungsfälle fanden in ihrer überwiegenden Mehrheit nach dem Ende der Schicht der gesetzlich vorgeschriebenen Rettungsschwimmer statt. Dies ist der Zeitpunkt, an dem die All-Inclusive-Hotels ihren Gästen das Abendbuffet anbieten. Die betroffenen Hotelanlagebetreiber gingen davon aus, dass den Gästen bewusst war, dass die weiterhin zugängliche Poolanlage geschlossen war.

Ein großer Teil des Tourismus kommt über die Pauschalreisenden nach Griechenland. Dies liefert zwar Touristenzahlen und Umsatz, die Reiseveranstalter werden aber in der Regel im Ausland besteuert. Die einheimischen Hoteliers kalkulieren ihre Preise sehr knapp. Für Personal bleibt da wenig Etat übrig.

Schlechte Arbeitsbedingungen & miese Machenschaften

Die Kehrseite der Erholungswelt für die zahlenden Touristen und des angeblichen Booms der Arbeitsplätze sind Angestellte, die für eine Selbstverständlichkeit gefeuert werden. So wurde Mitte August in Parga einer Hotelangestellten fristlos gekündigt, weil die darauf bestand, endlich den Monatslohn für den Juni zu erhalten. Arbeitsrechtsverletzungen im Hotel- und Gastronomiegewerbe Griechenlands sind keine Seltenheit, sondern eher die Regel.

Das musste ein junger Koch erfahren, der es gewagt hatte, seinen Arbeitgeber, einen bekannten Fernsehkoch, anzuzeigen. Der Neunzehnjährige war von seinen Vorgesetzten zur Strafe für Fehler in der Küche mit brennendem Öl und glühenden Löffeln traktiert worden, wovon zahlreiche Brandwunden Zeugnis ablegten. Dem öffentlichen Aufschrei der Griechen folgten Solidaritätsbekundungen der übrigen Starköche des Landes. In der Küche sei es halt so, ließen sie die Griechen wissen. Es ist durchaus zweifelhaft, ob sich derart behandelte, und in der Regel sehr schlecht bezahlte Arbeitskräfte wirklich so um das Wohl der Touristen kümmern, wie es die zahlenden Gäste erwarten.

Diese müssen ihrerseits aufpassen, um nicht wie in einigen Lokalen zum Beispiel auf der Insel Mykonos, mit dubiosen Geschäftspraktiken buchstäblich über den Tisch gezogen zu werden. Aufsehen erregte ein Wirt, der es mit überteuerten Rechnungen besonders arg trieb. Er hatte im Kleingedruckten seiner Speisekarte einen Vermerk, dass die angegebenen Preise für Speisen, jeweils pro 10 oder 100 Gramm berechnet würden. Schnell wird so aus einem Mittagessen mit Nudeln und Meeresfrüchten für zwei Personen eine Rechnung über knapp 800 Euro.

Steuerhinterziehung als Geschäftsgrundlage

Die Steuerfahndung kontrolliert die Betriebe und schließt sie bei Verstößen wie nicht ausgestellten Rechnungen für 48 Stunden. Die Schließung wird mit deutlich erkennbaren Schrifttafeln an den Eingängen der betroffenen Lokale für alle sichtbar manifestiert. Den Touristen bietet sich dadurch dann das wenig rühmliche Bild eines Lands der notorischen Steuersünder.

Die Verbände der Gastronomiewirtschaft prangern ihrerseits an, dass die Steuerlast und der Kostendruck zwangsläufig dazu führen würden, dass ein Überleben der Betriebe ohne Steuervermeidung nicht möglich sei.

Die Fahnder ihrerseits leben gefährlich. Pro Woche gibt es in den griechischen Medien mindestens eine Meldung von Fahndern, die von den Ertappten so intensiv malträtiert wurden, dass sie stationär ins Krankenhaus mussten.

Schließlich sind die Geschäftsleute mit ihren Methoden zur Steuerhinterziehung durchaus erfinderisch. Sie erklären ihre Unternehmen zu privaten Clubs, und halten dann – gegen einen erklecklichen Unkostenbeitrag der Gäste – „private Partys“ ab. Noch schwieriger zu ertappen sind diejenigen, die wie um die Insel Mykonos herum, ihre Partys auf Yachten organisieren.

Computergestützte Datenerfassung den Fiskus wird technisch umgangen

Schließlich schützt selbst die computergestützte Datenerfassung den Fiskus nicht vor Hinterziehern. Die Kassen und Kassencomputer der Betriebe sind per Internet mit dem Finanzamt verbunden. Nur mit derartigen Systemen ausgedruckte Rechnungen, die bei jeder Bestellung an den Tisch des Gastes gebracht werden müssen, werden von der Steuerfahndung als korrekt anerkannt.

Theoretisch sollte, so die Erfinder des Systems, damit jeder Bestell- und Zahlungsvorgang erfasst werden. Findige Tüftler haben jedoch zwischen den Kassencomputer und die Datenübertragung einen Puffer geschaltet. So können sie die Datenweiterleitung bis zum Ende des Geschäftstags oder aber bis zum Auftauchen der Steuerfahnder verzögern. Kommt kein Fahnder, werden gezielt einige Rechnungen aus dem Puffer entfernt. Für die Fahnder bedeutet dies, dass sie ein Geschäft über einen längeren Zeitraum beobachten müssen.

Die Politik gesteht ihre Kenntnis unlauterer Methoden ein

Tourismusminister Haris Theoharis überraschte die Öffentlichkeit mit einem offensichtlich ernst gemeinten Vorschlag. Man könne, meinte der früher wegen seiner effektiven Tätigkeit als oberster Steuereintreiber „dirty Harry“ genannte Politiker, die Insel Samothraki doch als Ausgleich für die erlittenen Verluste für einige Zeit von den Kontrollen der Steuerfahndung und der Fahnder gegen die Schwarzarbeit befreien.

Er, als früherer oberster Chef der nominell unabhängigen Behörde für die Eintreibung von Steuern, gesteht somit nicht nur die Kenntnis unlauterer Methoden ein, sondern auch die faktische Abhängigkeit der angeblich unabhängigen Behörden von den Weisungen der jeweiligen Regierung. Zynischer geht es wohl kaum.

Vergessen Sie bloß nicht Ihre Krankenkarte!

Theoharis Statement ist mitnichten ein Einzelfall. So wurden die Kontrollen der Swimmingpools der Hotels, die möglichen Strafen und die Schutzvorschriften im Jahr 2009, also lange vor dem Eintreten des jetzigen Tourismusministers in die Politik, kurz nach Ausbruch der Finanzkrise, gelockert, um den Hoteliers den Weg in den wirtschaftlichen Aufschwung zu erleichtern.

Schließlich sollen die Touristen vor allem eines, Geld ins Land bringen. Wer künftig nach Griechenland reist, sollte übrigens die Gesundheitskarte seiner Krankenkasse nicht vergessen. Ohne dieses Dokument werden die Touristen bei Inanspruchnahme medizinischer Versorgung künftig direkt zur Kasse gebeten. Dies geht aus einem neuen Erlass von Gesundheitsminister Vassilis Kikilias hervor. Bislang wurden Touristen in griechischen Krankenhäusern und bei Vertragsärzten der Sozialversicherer auch ohne Karte kostenlos versorgt.

Touristen aus Nicht-EU-Staaten müssen gemäß des Erlasses von Kikilias in jedem Fall, also auch mit einer Krankenversicherung, in Vorleistung treten.

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