Vor knapp zehn Monaten verließ die US-Notenbank Federal Reserve im März 2022 als erste große Zentralbank das bis dahin quälend anmutende Negativ- und Nullzinsniveau. Ein Befreiungsschlag, dem die europäische Zentralbank dann mit deutlich zeitlicher Verzögerung schlussendlich nacheiferte. Man musste schon befürchten die EZB verschläft die Zinswende komplett…

Sie zog dann im Juli 2022 mit ihrer ersten Erhöhung der Leitzinsen seit über einer Dekade nach. Fast schon ein historischer Moment. Aber auch absolut notwendig und keineswegs zu früh…Die Inflationsdaten waren damals schon am Galoppieren.

Die Zinsanhebungen in Übersee und auf dem „alten Kontinent“ sollten die gesamtwirtschaftliche Nachfrage schnellstmöglich eingrenzen sowie die Preissteigerungsraten (Inflation) „as soon as possible“ wieder in Richtung zwei Prozent zurückdrängen.

So weit so gut… Aber wie weit müssen die Leitzinsen noch erhöht werden, damit das Inflationsziel von zwei bis 2,5 Prozent wieder erreicht werden kann?

Die Notenbanken werden dazu weiter restriktiv agieren und dadurch wohl oder übel auch die wirtschaftliche Entwicklung einbremsen. Die ohnehin schon vorherrschenden rezessiven Tendenzen werden dadurch zusätzlich befeuert.

So oder so: Die fast schon paradox anmutende Zeit der Negativ-, Null- und Niedrigzinsen liegt nun definitiv hinter uns. Die neue/alte Zinswelt wird nun auch langfristigen Bestand haben. Nichtsdestotrotz müssen die Anleger und Sparer noch eine gehörige Weile auf die Rückkehr des Realzinses warten.

Bei einer – offiziellen – durchschnittlichen Inflationsrate von 9,2 Prozent (EU-27, Stand November 2022) kann das noch eine gefühlte Ewigkeit dauern. Der Leitzins in der EU notiert seit 15.12.2022 bei 2,5 Prozent.

→ Der „Real“-Zins steht damit Stand heute bei rund Minus (!) 6,7 Prozent.

→ Aber damit nicht genug: Auf die Nominalzinsen werden dann ja auch noch mindestens 25 Prozent Abgeltungssteuer erhoben.

→ Seit 2009 müssen alle inländischen Kreditinstitute bereits bei Zufluss der Kapitalerträge während des Jahres eine Kapitalertragsteuer von einheitlich 25 % einbehalten, wenn kein ausreichend hoher Freistellungsauftrag vorliegt (§ 43 Abs. 1 EStG). Hinzu kommen dann noch der Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls auch die Kirchensteuer.

→ Die Rendite der zweijährigen Bundesanleihe notiert Mitte Januar bei 2,44 Prozent. Somit etwas unterhalb des EZB-Leitzinssatzes.

→ Die Rendite der zweijährigen Bundesanleihe notiert Mitte Januar bei 1,97 Prozent. Somit sogar deutlich unterhalb des EZB-Leitzinssatzes.

Es bleibt also für sicherheitsorientierte Anleger und Sparer bis auf Weiteres schwierig positive Real-Renditen zu erwirtschaften.

Mehr noch: Die Inversität der zweijährigen (2,43 Prozent) und zehnjährigen Bundesanleihe (1,97 Prozent) zeugt von einer anrollenden Rezession in Europa.

10Y Bond Yield

 

 

2Y Bond Yield

 

Inverse Zinskurven bestimmen derzeit an den internationalen Anleihemärkten das Gesamtbild. Als „invers“ werden Zinskurven dann bezeichnet, wenn die kürzer laufenden Anleihen über den länger laufenden rentieren. Das erste Mal seit November 1990 ist das nun seit einigen Wochen auch bei den deutschen Bundesanleihen wieder gegeben. Zweijährige Anleihen des deutschen Staats rentierten gestern bei 2,43 Prozent. Die zehnjährige Bundesanleihe bei 1,97 Prozent. Ein deutliches Rezessionssignal (!!!).

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