1992 war es die Euphorie, heute gibt man dem Virus die Schuld – Die Inflation „hat noch lange nicht genug“ und geht in ein neues Jahr

Die deutsche Teuerungsrate hat letzte Woche das höchste Niveau seit 1992 erreicht. Mit über fünf Prozentpunkten bleibt die Inflation deutlich über dem ursprünglich geldpolitischen Zwei-Prozent-Ziel. Damals (1992) sorgte noch die Wirtschaftseuphorie, ausgelöst durch die Wiedervereinigung für stark steigenden Preise.

Als Zeitzeuge erinnert man sich noch an die leergefegten Läden im ehemaligen Grenzgebiet. Neue Kaufkraft und extreme Nachfrage sorgten für eine nachvollziehbare Preissteigerung. Es hatte also alles in allem einen erfreulichen Hintergrund. 2021 ist der Virus „Schuld“.

Gefährlich ist dabei allerdings, dass die Europäische Zentralbank (EZB) das Ganze als vorübergehenden Effekt sieht. Ähnlich wie die amerikanischen Kollegen der Fed das für die USA tun… So rechnen namhafte Volkswirte und Analysten keinesfalls damit, dass die Inflation im kommenden Jahr noch einmal auf das Vorkrisenniveau zurücktendieren wird. Mehr noch: Ab dem Wirtschaftsjahr 2023/24 wird wohl von strukturellen Faktoren noch weiterer Preisdruck ausgehen.

Das alles sieht nach einer klassischen „Neverending Story“ aus. Vor allem wenn man über den Tellerrand der deutschen Grenze hinaussieht. In Lettland lag die Inflationsrate im November bei 7,4 Prozent, in Estland wartet man mit 8,4 Prozent auf. In Litauen sogar mit 9,3 Prozentpunkten. Dagegen scheinen wir Deutschen ja richtige „Waisenknaben“ zu sein. Aber woran kann das liegen? Schließlich handelt es hierbei ja auch um Staaten, die der EZB als oberster Währungshüterin unterstehen.

Der litauische Notenbankchef, Gediminas Šimkus, erläutert die Misere seines Landes durch das Phänomen der importieren Inflation. Diese sei auf einen „sprunghaften Anstieg der Energiekosten und einen erheblichen Preisdruck infolge globaler Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage auf anderen Märkten“ zurückzuführen, so Gediminas Šimkus. Auch der estnische Notenbank-Chef Madis Müller äußerte sich in diese Richtung.

 

 

Was bedeutet das nun kurz- bis mittelfristig für Aktien, Anleihen und Devisen? Wo macht das Investieren überhaupt noch Sinn?

Aktienmärkte gelassen, Bonds: Kurze Restlaufzeiten schützen & Euro weiter unter Druck

  1. Aktien: Die Aktienmärkte loten sich nach dem „Omikron-Schock“ aktuell aus. Die Meldungen über die neue Virusvariante hat die Volatilität sprunghaft in die Höhe schnellen lassen. Allerdings hat sich die überverkaufte Lage insgesamt wieder deutlich relativiert. Die Börsen werden hier wohl eine stabilen Wochenverlauf verzeichnen. Es scheint sich eine gewisse „Virus-Gelassenheit“ an den internationalen Börsenparketten eingelebt zu haben. Auf sehr kurzfristig getriebene Panikverkäufe erfolgt dann das Einsammeln zu billigeren Kursen.

  2. Anleihen/Bonds: Die Renditen langlaufender Staatsanleihen dürften in diesem unsicheren Umfeld rückläufig tendieren. Die US-Konjunkturdaten und die US-Inflationszahlen könnten die Rentenmärkte wieder unter Druck bringen. Die US-Fed kokettierte bereits mit drei Zinsanhebungen ab Juni 2022. Kurze Duration (Restlaufzeit) schützt aktuell am besten. Bei langer Restlaufzeit könnte es ab Mitte 2022 deutlich ungemütlich werden.

  3. Devisen: Der Euro dürfte weiterhin stark unter technischem Druck bleiben. Aber auch die forschen Töne seitens der US-Notenbank und das defensive Verhalten der EZB nähren diesen Abwärtsdruck. Der Schweizer Franken bestätigt mal wieder seinen „Ruf“ als sicherer Hafen. Seitens der schweizerischen Nationalbank gibt es aber schon Intervenierungs-Gerüchte. Sie wird einem weiteren Anstieg gegenüber dem Euro wohl langfristig nicht tatenlos zusehen. Die schwedische als auch die norwegische Krone zeigen sich aktuell sehr volatil. Letztere auch aufgrund der jüngsten Verwerfungen am Ölmarkt.

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