Mit Spannung wurde in der letzten Woche die Vorstellung des Jahresabschlusses der Deutschen Bundesbank für das Jahr 2016 erwartet. Schließlich war dies eine Gelegenheit für den Präsidenten Jens Weidmann, seine ablehnende Haltung zu den von der EZB auferlegten Anleihekäufen nicht nur mit Worten zu kritisieren, sondern durch erhebliche Risikorückstellungen auch Taten sprechen zu lassen. In Folge des europäischen Anleihekaufprogramms befinden sich in der Bilanz der Deutschen Bundesbank auch erhebliche Positionen an Staats- und Unternehmensanleihen. Hierbei bot sich die Gelegenheit, nicht nur auf die Bonitätsrisiken für Notenbanken im Euroraum einzugehen, sondern eben auch das Zinsrisiko darzustellen. Schließlich setzt sich der deutsche Bundesbankpräsident nicht nur für ein Ende der Anleihekäufe, sondern auch für steigende Leitzinsen im Euroraum ein. Es wäre also fatal, wenn er sich perspektivisch mit dieser Haltung durchsetzen könnte, aber die von ihm geführte Deutsche Bundesbank davon überrascht würde. Zwar erscheint für die riesige Bilanzsumme von nun auch über 1 Billion Euro die Rückstellungserhöhung um 1,8 Mrd. Euro auf nun 15,4 Mrd. Euro gering. Dies relativiert sich bei detaillierter Betrachtung etwas. Entscheidend ist, dass von den Zinsänderungsrisiken nur ein kleiner Teil der Anlagen der Deutschen Bundesbank betroffen ist. Dort wird – anders als u. a. bei der Schweizerische Notenbank – nicht zu Marktpreisen bewertet, sondern es werden – etwas vereinfacht formuliert – die Anschaffungskurse zugrunde gelegt. Durch den hohen Bestand an deutschen Staatsanleihen dürften die Bonitätsrisiken und durch das Bilanzierungssystem auch die Effekte durch Zinssteigerungen überschaubar sein.

Völlig anders würde sich das Bild jedoch darstellen, wenn es zu einem Auseinanderbrechen der Eurozone käme. Dann machen sich nicht nur die auch im Bestand der Deutschen Bundesbank befindlichen Anleihen anderer Eurostaaten und die Verrechnungssalden zwischen den Notenbanken negativ bemerkbar, sondern es kämen dann noch die Währungsrisiken hinzu. Die deutsche „Nachfolgewährung eines Euros“ würde gegenüber den anderen Währungen der dann ehemaligen Eurostaaten deutlich aufwerten. Dieses Problem wird derzeit als weniger relevant wahrgenommen, weil sich zumindest temporär die politische Situation in Frankreich vor den dort anstehenden Wahlen etwas entspannt hat. Die rechtspopulistische Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen ist wegen verschiedener Vorkommnisse politisch etwas in die Defensive gedrängt worden. Dennoch wird sie vermutlich den ersten Wahlgang gewinnen, jedoch weniger Chancen in der Stichwahl haben. Aber spätestens seit Donald Trump ist die Erkenntnis klar, dass sich solche Entwicklungen nicht zwingend im Wahlergebnis widerspiegeln. Die Demoskopen taten sich im Jahr 2016 schon schwer, ein Wahlergebnis korrekt zu prognostizieren; bei den sehr wahrscheinlichen, zwei Wahlgängen für die französische Präsidentschaft erhöht sich das Abweichungsrisiko nochmals deutlich.

Dennoch entspannt sich die Situation in Europa zumindest für den Augenblick wieder etwas, zumal die Niederlande völlig überraschend einen kleinen Haushaltsüberschuss erzielten und vor allem aus Portugal als einem Euro-Krisenstaat nun überraschend positive Nachrichten bekannt wurden. Der im Jahr 2011 mit 78 Mrd. Euro von EU, EZB und IWF vor dem finanziellen Zusammenbruch gerettete Euro-Krisenstaat kann erneut einen Teil der IWF-Kredite in Höhe von 1,7 Mrd. Euro vorzeitig zurückbezahlen. Finanzpolitisch scheint dies ein kluger Schritt zu sein, da man so die beim IWF etwas höher verzinsten Kredite zurückführt, aber natürlich – sozusagen als positiven Nebeneffekt – die Forderung eines Gläubigers reduziert, der im Insolvenzfalle deutlich bevorrechtigt wäre. Man kann also die eigentlich positive Nachricht auch negativ interpretieren, aber aus unserer Sicht ist Portugal auf einem sehr guten Weg. Es zeigt, dass es Staaten bei entsprechender Haushaltsdisziplin und Reformbereitschaft gelingen kann, in dem für Südeuropa zu engen finanz- und wirtschaftspolitischen Korsett der Eurozone Fortschritte zu erzielen.

Ungelöste Probleme und Zinsphantasien

Spanien hingegen wächst jährlich ungefähr genauso schnell, wie es sich neu verschuldet und steuert damit auf eine neue Krisensituation zu. Noch dichter an einem solchen Negativszenario befindet sich momentan jedoch Italien, da dort Reformen ausbleiben. Die italienische Bevölkerung hatte sich im letzten Jahr sogar gegen eine grundsätzliche Reformperspektive entschieden. Entsprechend steckt die dortige Wirtschaft weitgehend in einer Stagnation und die Verschuldung steigt – absolut wie relativ betrachtet – weiter. Daher hat nun die EU Italien aufgefordert, kurzfristig Maßnahmen vorzulegen, mit dem eine Reduzierung des Haushaltsdefizits zeitnah erreicht werden kann. Dies wird der Regierung schwerfallen, was die Stabilität der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone nicht unbedingt erhöhen wird.

Die leichte politische Entspannung in Europa könnte dann sehr schnell an zwei Stellen wieder brüchig werden. Zum einen sieht sich Großbritannien bei einem Austritt aus der EU einer Zahlungsforderung von 60 Mrd. Euro gegenüber, die u. a. auf bislang aufgelaufene Kosten zurückzuführen sind. Falls hier keine Einigung möglich ist, wird dies sicherlich Europa insgesamt belasten, weil dann sehr schnell Forderungen und Gegenforderungen – auch über die eigentlichen Austrittverhandlungen und zwischen unterschiedlichen Staaten – entstehen würden. Inwieweit der Vorstoß des EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker auch innerhalb der europäischen Gemeinschaft unterschiedliche Geschwindigkeiten und Strategien zulassen zu wollen, eine solche Entwicklung vorbeugen will, bleibt abzuwarten. Zum anderen spielt ein finanzpolitischer Aspekt eine wesentliche Rolle, da die EZB angekündigt hat, ihre von der Deutschen Bundesbank kritisch beurteilte und nun auch im Jahresabschluss 2016 entsprechend bewertete Niedrigzinspolitik fortzuführen, während sich bei der US-Notenbank die Zeichen eines weiteren Zinsschritts mehren. Vielmehr zeigte die Veröffentlichung des US-Notenbankprotokolls in der hinter uns liegenden Handelswoche die zumindest denkbare Variante auf, eine Zinserhöhung bereits im März 2017 durchzuführen. Aktuell hat sich die Quote der Analysten, die dies für wahrscheinlich erachten, auf 40 % fast verdoppelt. Es ist jedoch wesentlich wahrscheinlicher, dass die US-Notenbank Mitte März 2017 entscheidet, die Bandbreite beim US- Leitzins von derzeit 0,50 % p. a. bis 0,75 % p. a. aufzugeben und diesen wieder am oberen Ende der Bandbreite zu fixieren. So zeigt die Handlungsfähigkeit und -bereitschaft auch unter anderen politischen Rahmenbedingungen. Die US-Notenbank signalisiert, sich nicht von einer zunehmenden Politisierung beeindrucken lassen zu wollen, die beginnt, wenn im April 2017 ein neues, stimmberechtigtes Notenbankmitglied durch den neuen US-Präsidenten Donald Trump ernannt wird...

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"