Liebe Leserinnen und Leser,
erwartungsgemäß hat die US-amerikanische Notenbank FED gestern die Leitzinsen unverändert gelassen.
Und genauso erwartungsgemäß - siehe RMK 9/2015 - hat die FED das Wort „geduldig“ aus ihrem Statement gestrichen. Dies bedeutet, dass rein theoretisch die mächtigste Zentralbank der Welt die Möglichkeit hätte, bei ihrer nächsten Sitzung die Zinsen zu erhöhen.
Aber Theorie und Praxis sind ja häufig zwei paar Stiefel. Schon vor gut drei Wochen hatte FED-Chefin Janet Yellen vorausschauend gesagt, dass nach Streichung des Wortes „geduldig“ dies nicht automatisch bedeuten würde, dass die FED innerhalb von - damals berechnet - zwei Sitzungen die Leitzinsen erhöhen muss.
Somit kamen wir rechnerisch auf den frühesten Termin einer Zinserhöhung für diesen Juni.
Die FED macht diesen Termin aber durchaus auch abhängig von Grunddaten:
a. Von der weiteren Entwicklung am Arbeitsmarkt: Hier dürften wir schon nahe am Ziel der FED angekommen sein.
b. Von der Inflation: Hier ist die aktuelle Zahl noch meilenweit vom erklärten Ziel von 2,0% entfernt. Betrachtet man die Dollarstärke – bedeutet niedrige Importpreise für die USA – und den immer noch niedrigen Ölpreis, so dürfte es durchaus noch etwas dauern, bis die US-Inflation konstant bei 2,0% landet.
Nicht ohne Grund werden nun schon erste Stimmen laut, die sagen, dass die erste Zinserhöhung in den USA auch erst im September kommen könne.
Die Riesenüberraschung für die Märkte war dann aber doch, dass immerhin sieben von 17 Offenmarktausschuss-Mitgliedern am Ende des Jahres 2015 nur noch Leitzinsen von 0,50-0,75% erwarten. Dies würde lediglich zwei kleine Zinserhöhungsschritte bis Ende 2015 bedeuten.
Wie schon ganz früh zu Beginn der Dollarstärke hier im RMK besprochen, dürfte die Dollarfestigkeit ein echter Wirkungstreffer bei einigen FED-Leuten sein; denn die Angst ist durchaus berechtigt, dass die gestärkte US-Konjunktur durch die feste Währung schnell wieder abgewürgt werden kann.
Nicht ohne Grund lässt sich Frau Yellen zwar die Option offen, die Zinsen generell zu erhöhen. Aber nur weil sie es jetzt DARF, MUSS sie ja nicht, wenn es die Grunddaten möglicherweise nicht mehr hergeben sollten. Und außerdem heisst es ja nicht, dass dieses Mal auf eine eventuell kommende kleine Zinserhöhung noch viele in kurzen Intervallen – wie in der Vergangenheit oft üblich – kommen sollten. Könnte ja dieses Mal auch anders, also langsamer und nicht so stark ablaufen.
Ergo: Auch wenn die FED das Wort „geduldig“ aus ihrem Statement gestrichen hat, so scheint Frau Yellen ein feines Gespür dafür zu haben, ob, wann und wie stark sie die Leitzinsen erhöht. Und sie scheint weiter Geduld zu zeigen.
Quantitave Easing der EZB
Seit Beginn des „Quantitave Easing“ Programms der Europäischen Zentralbank sind die Renditen für Anleihen weiter gefallen. Wie bekannt, will die EZB monatlich 60 Mrd. € an Staatsanleihen und anderen definierten Bonds bis zu einer Summe von insgesamt 1.140.000.000.000 Euro aufkaufen. Grund u.a., um die Inflation anzuheizen.
Aber: Die Inflation der Eurozone zog ja zuletzt schon kurz VOR Beginn des Quantitave Easing an. Hier muss die Frage durchaus wieder aufgeworfen werden, ob das Quantitave Easing Programm überhaupt notwendig ist. Der Schlüssel zur Eurozonen-Inflationsrate liegt weitgehend bei den niedrigen Energiepreisen. Und diese haben schließlich auch POSITIVE Auswirkungen, denke man an den Konsum. Ein typischer Selbstregulierungsmechanismus. Aber die EZB kauft Schulden auf, verknappt das vorhandene Anleihenmaterial. Und mal ehrlich: Ist es tatsächlich erwiesen, ob die Inflation steigt, wenn eine Zentralbank Staatsanleihen aufkauft, die ansonsten sowieso einen anderen Käufer finden würden???
http://www.n-tv.de/wirtschaft/Europa-entfernt-sich-von-der-Deflation-article14719791.html
Weltweite Renditeentwicklungen
Die Renditen der betrachteten Staatsanleihenmärkte sind seit dem letzten RMK weiter deutlich gefallen. Italien und Spanien marschieren im Zehnjahresbereich mehr und mehr Richtung 1%. Deutsche Zehnjahres-Bunds liegen inzwischen auch fast bei 0%.
Ausnahmen in dieser Bewegung waren
a. die US-Treasuries, die zwischenzeitlich schon über 2% Rendite abwarfen. Bei diesen hemmte die Zinserhöhungsdiskussion in den USA die Kursentwicklung. Aber wer weiß? Was passiert, wenn die Zinserhöhungen viel moderater ausfallen würden als bislang erwartet? Wären dann die US-Bonds wieder eine interessante Anlagealternative? Wenn Sie so etwas kaufen sollten, bitte auf jeden Fall die Währungsthematik mit im Auge haben. Denn mögliche Kursgewinne bei den Anleihen könnten theoretisch durch Kursverluste in der Währung mehr als aufgefressen werden. Dirk Müller hat ja schon mehrfach die verschiedenen (Währungs-) Kurssicherungsmöglichkeiten beleuchtet.
b. diegriechischen Staatsanleihen: Dies verwundert vor dem Hintergrund der politischen Diskussionen nicht. Vertrauen ist im Finanzbereich das A und O. „Geld ist scheu wie ein Reh,“ heisst es.
Bund-Future
Das deutsche Langfrist-Zinsbarometer, der Bund-Future, hat rein rechnerisch neue Höchstkurse erreicht. Die Rendite für 10-Jahres-Bunds liegt per heute bei ca. 0,18%. Rein charttechnisch haben wir allerdings keine neuen Hochs, da ja vor zwei Wochen der aktuelle Terminkontrakt vom März auf den Juni „gerollt“ wurde. Und der März hatte (wegen der Zinsdifferenz der synthetischen 6%igen Bundesanleihe des Bund-Future im Vergleich zu den ca.0% des 3-Monats-Gelds) ca. 200 Punkte tiefer gelegen als der Juni. Wollte man den aktuellen Bund-Future mit dem von vor drei Wochen vergleichen, müsste man als man also knapp 200 Punkte hinzurechnen.
Von den Chartindikatoren wirkt der Bund-Future relativ neutral. Die Käufe der EZB saugen natürlich Material aus dem Markt und stützen derzeit den Markt.
Quelle: www.ariva.de
Bund-Emissionen: 0%-Zeiten
Gestern erhöhte die Bundesfinanzagentur mit einer neuen Rekord-Tiefstrendite die zehnjährige Bundesanleihe: Für den 0,50%er (Durchschnittskurs: 102,40%) gab es nur noch 0,25% Rendite.
Letzte Woche gelang sogar das Kunststück, zweijährige 0%ige Bundes-Schatzanweisungen zum Kurs von 100,48% an die Anleger zu verkaufen. Rendite: -0,24%.
A propos Nullzinszeit: Diese würde ich mir auch auf meinem Girokonto wünschen. Meine Bank berechnet hier immer noch 12,75% Sollzinsen – im Rahmen des eingeräumten Limits.
Eine glückliche Woche wünscht Ihnen
Steffen Scholz
Kommentare
1. Zinsen USA erhöht.
1.1 US- Wirtschaft flaut wieder ab, Arbeitslosenzahlen steigen wieder,
US- Konsum bricht ein
1.2 US-Investoren ziehen ihr Kapital im Ausland (und der EU) ab, um es
wieder zu Hause anzulegen, da mehr Rendite erwartet wird
2. In der EU:
2.1 wird ausländisches Kapital knapper
2.2 bricht der deutsche Export ein, da die USA weniger abnehmen
2.3 wird der Euro zum USD noch schwächer und sinkt unter Parität (was die
deutschen Exporte verbilligt, aber die Kaufkraft im Euroraum
weiter absenkt; Ölpreis steigt in Euro etc...)
2.4 in den Krisenländern sinkt die Kaufkraft weiter und der Bevölkerung
geht´s noch schlechter
2.5 Europäische Schulden in USD wiegen schwerer, bei gleichzeitiger
Kapitalflucht von US-Investoren
2.6 DAX und Co im Sinkflug, da der Absatz der Unternehmen einbricht...
Oder liege ich völlig falsch...?
City of London einschließlich den dortigen Banken am Boden... Der Rest Europas folgt auf dem Fuße...
interessante Ausführungen:
zu 1.1. US-Konsum bricht ein: Der amerikanische Konsum ist extrem zinssensitiv. Das heisst, solange die Zinsen tief sind, wird ohne Ende konsumiert, da Schuldenaufnahme für Konsum wenig kostet. Und natürlich vice versa. Die restlichen beiden Behauptungen sind auch volkswirtschaftlich korrekt. Das ist das,was ich heute mit "Selbstregulierungsmechanismus" der Märkte bezeichnet habe.
zu 1.2. Das mag für Zinsmärkte von der Theorie her passen. Aktienmärkte sind ja auch zinssensibel (KGV einer Aktie ist die invers gerehnete Verzinsung); bei steigenden Zinsen würden Aktien eher fallen (da Anleihen als Anlage im Vergleich zu Aktien interessanter würden).
zu 2.1. Mag teils richtig sein. Solange aber die Eurozone für sich selbst das Geld drucken und sch selbst alles abkaufen kann, wäre die Auswirkung des Kapitalabzugs beschränkt. Eurozonen-Aktien wären vor allem dann gefährdet, wenn die EZB irgendwann die Zinsen erhöhen würde.
zu 2.2. nur rund 10% der deutschen Exporte gehen in die USA. Die Auswirkung wäre recht beschränkt.
zu 2.3. Von der Theorie her richtig. Allerdings weiss man nicht, wieviel von der Euroschwäche gegen den Dollar bereits eine Zinserhöhung vorweggenommen hat. Vergessen Sie nicht, dass einige Profis nach dm Motto "Buy the rumour, sell the fact" handeln; dass diese Leute also beim Eintreten eines erwarteten negativen Ereignisses Märkte kaufen und nicht mehr verkaufen.
zu 2.4. Die Krisenländer haben vor allem mit hausgemachten Problemen zu tun. Diese Probleme sind zu lösen. Weitere externe Probleme wirken sich bestimmt negativ aus, aber mit eher begrenzter Auswirkung.
zu 2.5. Möglich. Aber siehe auch mögliche gegensätzliche Auswirkung nach dem zu 2.3. erklärten Schema
zu 2.6. Wie schon geschrieben, macht der deutsche Export nach USA nur ca. 10% aus. Der DAX dürfte eher an den Leitzinsen in der Eurozone als an den Absatzmärkten in den USA hängen. Wobei Sie aber durchaus recht haben könnten, weil US-Investoren dann vielleicht lieber in US-Anleihen als in deutsche Aktien investieren könnten. Und der Anteil ausländischer Investoren hat sich bekanntlich in den letzten ca. 10 Jahren rund verdoppelt. Die DAX-Unternehmen gehören m.W. zu ca. 2/3 ausländischen Investoren. Wohl ein bisschen was von beidem.
Alles ohne Obligo.
Grüße
Steffen Scholz
Ich lag zumindest nicht ganz daneben *grins