Wie Psychologie an den Finanzmärkten funktioniert, macht uns derzeit die Europäische Zentralbank vor. Als Mario Draghi am 26. Juni 2012 auf einer Investorenkonferenz in London sagte, die Zentralbank werde „alles tun, um den Euro zu retten“ und als er wenige Wochen später in Frankfurt ein Kaufprogramm für Staatsanleihen auflegte, markierte er damit einen einschneidenden Punkt in der Eurokrise.

 

Denn es war der Startschuss für große Investoren, in die Anleihen der Krisenländer zu investieren. Die Rendite der zehnjährigen italienischen Staatsanleihen, die im Juli noch bei 6,6 Prozent gestanden hatte, fiel zum Jahresende auf 4,5 Prozent. Die spanischen Renditen fielen von 7,6 auf 5,3 Prozent. Beide Länder konnten zudem ohne größere Probleme neue Anleihen am Markt platzieren, teilweise zu Zinssätzen von drei Prozent, bei entsprechend kurzen Laufzeiten.

 

Das Interessante an der Sache: Draghi musste sein Versprechen gar nicht wahr machen. Seit er das Kaufprogramm vorgestellt hat, musste die Europäische Zentralbank keine Anleihen mehr aufkaufen. Super-Mario bezahlt also – wenn man so will – mit seinem guten Namen. Man kann es auch den größten Bluff der Notenbankgeschichte nennen.

 

Das unterscheidet die Vorgehensweise der EZB von jener der Federal Reserve. In den USA werden derzeit Monat für Monat 45 Mrd. US-Dollar in amerikanische Staatsanleihen gepumpt. Das zeigt auch die unterschiedlichen Prioritäten der beiden größten Notenbanken der Welt. Während es der EZB darum geht, für die Krisenstaaten ein Sicherheitsnetz zu spannen, das im Idealfall gar nicht in Anspruch genommen wird, handelt es sich bei den Programmen der FED um knallharte Konjunkturpolitik.

 

Je mehr frisch gedrucktes Geld über diesen Taschenspielertrick in die US-Wirtschaft fließt, desto besser aus Sicht der Notenbanker. Im Protokoll der jüngsten FED-Sitzung heißt es zwar, dass das Kaufprogramm bis Jahresende 2013 beendet werden soll. Aber vielleicht bedeutet das ja auch nur, dass es durch ein noch größeres ersetzt werden soll. Auch wenn ein großer Teil dieses Geldes in den Finanzmärkten landet und bestenfalls über Umwege seinen Weg in die reale Wirtschaft findet: Die derzeitige Wirtschaftslage in den USA lässt jedenfalls nicht darauf schließen, dass das Programm in absehbarer Zeit beendet wird.

 

Im Gegensatz zur FED wirkt das Anleihenkaufprogramm der EZB fast jungfräulich schüchtern. Die spannende Frage bei uns ist, ob Mario Draghi mit seinem Bluff auch langfristig durchkommt.

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