In der letzten Woche sorgten Berichte in der italienischen Zeitung „La Stampa“ und im britischen Guardian, denen zufolge die EFSA bereits 2015 im Zulassungsverfahren für Glyphosat wichtige Teile des Schlussberichts vom Hersteller Monsanto übernommen hat, für Aufregung.

So weit, so schlimm. Schließlich handelt es sich bei der Entscheidung darüber, ob dieses höchst umstrittene Herbizid weiter in der EU ausgebracht werden darf, um eine Weichenstellung, die die Lebensgrundlagen von uns allen direkt betrifft.

Zudem wurden ausgerechnet die Passagen, die zu dem Ergebnis kommen, dass Glyphosat nicht krebserregend sei, übernommen – und gleichzeitig alle Studien anderer Institute, welche zu dem gegenteiligen Ergebnis, auch hinsichtlich der fruchtbarkeit- und DNA-schädigenden Wirkung kamen, als unbrauchbar ("not reliable") eingestuft. Dies verwundert nicht, denn genau diese Stellen sind nach europäischem Recht entscheidend für die Frage, ob Glyphosat überhaupt wieder zugelassen werden darf oder verboten werden muss.

Und es kommt noch viel dicker. Denn diese Vorgehensweise hat nicht nur Methode, sondern ist – zumindest der Argumentation der deutschen und europäischen Behörden folgend- auch noch völlig legitim! Trotz der aktuell neu aufgeflammten Diskussion sieht man daher weder in Berlin noch in Brüssel einen Grund zur Umkehr.

Ein Blick zurück

Das seit 1974 von Monsanto hergestellte „Roundup“, dessen wichtigste aktive Chemikalie das umstrittene Glyphosat ist, ist das meistverkaufte Herbizid der Welt.

Die aktuelle EU-Zulassung wurde 2002 erteilt und sollte ursprünglich zum 31. Dezember 2015 auslaufen. Die bis dahin bereits intensive, jahreslang geführte öffentliche und wissenschaftliche Debatte verschärfte sich ab diesem Zeitpunkt zusehends. Denn in der Dekade seit 2002 sind viele Stimmen laut geworden und erschreckende wissenschaftliche Studien erfolgt, die Nahe legten, dass der flächendeckende Einsatz des Herbizids irreversible Schäden bei Mensch und Umwelt hervorrufen kann. Bereits damals gab es im Rahmen des Neuzulassungsverfahrens Diskussionen über die große Einflussnahme seitens der Glyphosat-Hersteller bei der Erstellung des Risikobewertungsberichts der EFSA.

Nicht nur vertrauliche Informationen wurden geschwärzt

In ihrer im November 2015 veröffentlichten Bewertung kam die europäische Behörde zu dem Schluss, dass Glyphosat nicht krebserregend sei und schlug vor, die Grenzwerte für die noch akzeptable Belastung mit Rückständen zu erhöhen. Wie der von der Organisation Corporate Europe Observatory (CEO) veröffentlichte Mailverkehr zeigte, schickte die EFSA den Entwurf 14 Tage vor der Veröffentlichung an das Beratungsunternehmen Dr. Knoell Consult. Es war im Auftrag der Glyphosate Task Force (GTF) tätig, einem Lobbyverband der Glyphosat-Hersteller.

Knoell sollte zusammen mit der GTF die Bewertung durchsehen und die Passagen schwärzen, die nach Ansicht der Hersteller vertrauliche Informationen enthalten und nicht veröffentlicht werden sollen. Die Mails zeigen, dass sich die Hersteller nicht darauf beschränkten: Der Kunde habe bei der Durchsicht einige „Fehler“ entdeckt, schrieb Knoell in einer der Mails und in einer weiteren hieß es, das Unternehmen Dow Agroscience habe einige „Zweifel an den Schlussfolgerungen“ der Behörde.

Zwar wies der EFSA-Mitarbeiter darauf hin, dass das eigentlich nicht der richtige Zeitpunkt für solche Einwände sei – doch sie wurden zum Teil berücksichtigt: „Alle ihre Kommentare zu den Seiten 44, 46 und 53 des Berichts wurden übernommen“, heißt es in der Mail.

Knoell teilte einen Tag später mit, dass die Glyphosat-Hersteller mit den dargelegten Änderungen einverstanden seien und die EFSA den Bericht nun veröffentlichen könne. Anhand der E-Mails ließ sich allerdings nicht nachvollziehen, welche Änderungen konkret vorgenommen wurden, so CEO.

Vorgehensweise in den Richtlinien der EFSA vorgeschrieben

So empörend die beschriebenen Vorgänge anmuten, entsprechen sie jedoch den Richtlinien der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und stellen somit keinen Einzelfall dar, sondern die ganz gewöhnliche Vorgehensweise. Die Hersteller von Pestizidwirkstoffen, die von der EFSA bewertet werden, erhalten den Bericht vorab, um alle ihrer Meinung nach vertraulichen Informationen daraus zu entfernen. Gleichzeitig werden Anfragen von kritischen Organisationen mit Verweis auf Geschäftsgeheimnisse abgelehnt und die Industriestudien unter Verschluss gehalten.

Und genau hier liegt das eigentliche Problem. Es ist völlig egal, welchen Prozess der Richtlinien- und Gesetzgebung man auf EU-Ebene betrachtet, es ist immer das gleiche Spiel. Die Industrie hat ihre Einflusskanäle gesichert und die Interessen der Bevölkerung der gesamten Staatengemeinschaft treten in den Hintergrund. Denn das Volk hat auf EU-Ebene keine Lobby. Und daher schreibt uns die Industrie-Lobby bis ins kleinste Detail vor, was bei uns auf den Teller kommt. Alternative kleinbäuerliche Betriebe sterben derweil aus wie bedrohte Tierarten.

Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat die Grundlagen geliefert

An dieser Stelle noch der Hinweis, dass die Grundlagen (in Form des Renewal Assessment Report, RAR) sowohl für den Bericht der EFSA als auch für die Europäische Chemikalienbehörde (ECHA) mit den entsprechenden Monsanto-Passagen vom deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) geliefert wurde, da Deutschland diesbezüglich der "berichterstattende Mitgliedsstaat" ist.

Das BfR hat in einer Stellungnahme am letzten Donnerstagabend den Vorwurf zurückgewiesen, die Passagen unreflektiert übernommen zu haben. Auch hier wurde wieder argumentiert, dass eine solche Textübernahme aus Gründen der Transparenz üblich sei, diese aber in kursiver Schrift kritisch kommentiert worden seien. Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung sind derlei Ergänzungen im Bericht der Behörde an kritischen Stellen - etwa wenn es um Studien zu möglichen Krebsrisiken geht- allerdings nicht erkennbar.

Bezüglich der weiteren wissenschaftlichen Studien, von denen das BfR sagt, man habe sie „sorgfältig und detailliert in eigener Verantwortung geprüft und bewertet“ hat nun das Umweltinstitut München das fragliche Kapitel veröffentlicht und die wörtlich übernommenen Passagen orange gefärbt. Dabei zeigt sich nicht nur der Vorwurf der Textübernahme an sich bestätigt, sondern auch, dass die als „additional comments“ bezeichneten Passagen, die den Eindruck erwecken, Anmerkungen des BfR zu sein, ebenso wie das jeweilige Fazit, dass die Studie nicht oder nur beschränkt aussagekräftig sei, übernommen wurde.

„Wir fordern jetzt harte Konsequenzen aus den Skandalen im Bewertungsverfahren: BfR-Präsident Hensel muss seinen Hut nehmen“, so das Umweltinstitut. Auch die Agrarminister der Bundesländer wollen bei ihrem dreitägigen Treffen in Lüneburg ab morgen der Frage nachgehen, was das Bundesinstitut, welches dem Bundesagrarministerium und damit Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) unterliegt, nun tatsächlich geprüft hat. Christian Meyer, der Vorsitzende der Agrarministerkonferenz, betonte, er werde in dieser Sache nicht lockerlassen.

Zum Jahresende läuft die derzeitige Übergangslösung aus, wir werden sehen, welche Entscheidung in den nächsten Monaten getroffen wird…

Alles die gleiche Soße

Vor acht Wochen sprach sich die Kommission übrigens bereits für eine Zulassungsverlängerung um weitere zehn Jahre mit der Begründung aus, dass weder die EFSA, noch die ECHA in ihren Stellungnahmen nennenswerten Bedenken gegen die Anwendung des Mittels geltend gemacht hätten…So gelangen also die Monsanto-Passagen via BfR in die Stellungnahmen verschiedener europäischer Behörden - die wiederum der Kommission als Entscheidungsgrundlage dienen.

Nun, die Lobby verweist gerne darauf, dass nicht der RAR, sondern das BfR-Addendum zum IARC-Bericht als deutsche Behördenbewertung die Grundlage zur entscheidenden Bewertung über Kanzerogenität und Mutagenität lieferte. Und das dieser Nachtrag wiederum mit allen Mitgliedsstaaten sowie mit der IARC, dem Joint FAO/WHO Meeting on Pesticide Residues (JMPR), der United States Environmental Protection Agency (US-EPA) und der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) in einem Expertenmeeting diskutiert worden sei. Erst dieses Beratungsergebnis sei dann die Grundlage für die EFSA Schlussfolgerung gewesen.

Auf Wikipedia ist zum Thema „Glyphosat“ dann zu lesen, dass viele andere relevante Behörden und Organisationen, unter anderem die EFSA, das BfR, der JMPR, die USEPA, Health Canada, und die ECHA der umstrittenen Studie der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IACR) widersprachen…

Selten wird jedoch erwähnt, dass die  Internationale Agentur für Krebsforschung (IACR)  eine Agentur der WHO ist… Zum Glück gibt es noch diese unabhängige Entscheidungsfindung auf politischer Ebene. Es wäre ja auch nicht auszudenken, wenn sich jeder schlussendlich auf die gleichen Informationen der Industrie verlassen, oder gegen das in Art.191 des Vertrages über die Arbeitsweise in der Europäischen Union festgeschriebene Vorsorgeprinzip verstoßen würde -  nicht wahr!?!

Ob krebserregend ja oder nein. Auf die dramatischen Auswirkungen der Vernichtung von Beikräutern und Artenvielfalt auf den Äckern, durch die allen Insekten die Lebensgrundlage entzogen wird, will ich an dieser Stelle nun wirklich nicht mehr eingehen… Denn es gibt sicherlich entsprechende unabhängige Studien, die versichern, dass Glyphosat genau genommen die Abwehrkräfte von Bienen und Co. steigern - oder so ähnlich.

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