Mein Studienkollege Phillip und ich haben uns - wie jedes Jahr zwischen den Semestern - Anfang des Jahres dazu entschlossen, eine Reise zu unternehmen, um aus unserem stressigen Alltag herauszukommen.

Dirk Müller und ich waren dann eben im Februar kurz mal wegen Verwerfungen in der Wirecard Aktie in Kontakt - ich teilte ihm bei dieser Gelegenheit mit, dass ich die von ihm so oft angesprochene chinesische Immobilienblase mit eigenen Augen gesehen habe und sendete ihm ein Video zu (dieses ist weiter unten verlinkt).

Dirk bot mir an, dass ich doch für uns „Cashkursianer“ einen Reisebericht schreiben könnte, um der Community ein paar Informationen über meine Erfahrungen zur Verfügung zu stellen. Den Fokus im Bericht habe ich selbstverständlich eher auf die wirtschaftlich relevanten Themen gelegt. Ich freue mich daher wirklich sehr, dass ich diese Chance wahrnehmen und mich hier in unsere Gemeinschaft einbringen kann und darf.

Die Eckdaten

Ganz kurz noch eine Information zur Reise allgemein: Wir waren vom 15. Februar bis zum 24. Februar 2019 mit einer Reisegruppe von 23 Leuten sechs Tage in Peking und drei Tage in Shanghai unterwegs.

Beim Reiseantritt in München gab es schon die erste Überraschung, denn in der Regel ist Februar nicht gerade die Zeit in der junge Leute (wir sind 22 und 23 Jahre alt) ins kalte China fliegen - aber wir hatten nur zwei Senioren mit an Bord. Die Reisegruppe setzte sich aus Österreichern, Deutschen und Italienern zusammen.

Unsere Annahmen über China

Mir ist besonders wichtig, unsere „Annahmen“ niederzuschreiben,  denn unsere Sichtweise, mit der wir diese Reise angetreten haben, sollte sich bald ändern - und wir schnell überrascht werden!

In den Medien wird uns andauernd bei allen Berichterstattungen über China der Platz des himmlischen Friedens und die modernen Regierungsgebäude in Peking gezeigt. Ebenfalls wird uns wiederholt eingeimpft, wie modern die chinesische Infrastruktur (WLAN, Sanitäreinrichtungen usw.) sei.

Westliche Dienste wie Google, Facebook und Whatsapp sind bekanntermaßen  gesperrt und durch eine App namens WeChat ersetzt worden, welche wir zwar installierten - aber eben auch eine VPN-App, um - unter Umgehung der chinesischen Einschränkungen - die westlichen Dienste dennoch funktionsfähig zu halten (Sorry, wir sind halt aus der IT *gg*).

Einreise in Peking und der erste Kulturschock

Wir landeten nach acht Stunden Flug in Peking, standen im Ankunftsbereich des Flughafens und dachten uns: „Wow, die haben im Fernsehen wirklich nicht zu viel versprochen“. Man fühlt sich um ein paar Jahre in die Zukunft versetzt, da es viel modernere Sicherheitsstandards mit Handflächenscanner, Iris-Scan und weiteren Spielzeugen der Behörden gibt.

Wir gingen aus dem Flughafen raus und sahen nach oben - an diesem Samstagmorgen war einfach keine einzige Wolke am Himmel zu sehen. Also kein Smog. Ok, perfekt! Dann kam ein Bus, der zwar etwas älter wirkte, aber er hatte eine Klimaanlage - und das reichte uns für den Moment.

Nach einer Stunde Fahrt kamen wir dann im Herzen Pekings an - und rieben uns verwundert die Augen. Es kam uns vor, als wären wir in der Zeit zurückgereist, denn die Häuser waren alle sehr alt und es sah in unseren Augen einfach wie ein Elendsviertel aus.

Überall auch lateinische Schriftzeichen

Die nächsten zwei Tage waren dann Tempel und Stadtrundfahrten auf dem Programm. Wir besuchten das Olympia-Zentrum, das jetzt schon für die kommenden Olympiaden gebaut wurde.

Eines stach uns aber besonders ins Auge: Sämtliche Hochhäuser der chinesischen Firmen hatten ihren Namen natürlich in chinesischer Schrift angebracht, aber darunter waren bemerkenswerterweise immer auch die lateinischen Buchstaben zu sehen. Analog dazu war es bei Plakaten und der Fernsehwerbung. Sehr oft wurden die chinesischen Buchstaben auch gleich weggelassen.

Unser Reiseleiter erklärte uns, dass die für uns lesbare Bezeichnung dabei steht, weil die meisten Chinesen die chinesischen Schriftzeichen sowieso nicht lesen könnten. Das Privileg, die Schriftzeichen lesen zu können,  war laut ihm nur der Oberschicht oder den Gebildeteren vorbehalten.

   

Die Chinesische Mauer und die Immobilienblase

Ein weiteres Highlight, dem die meisten Reiseteilnehmer entsprechend entgegenfieberten, war das nächste Ziel: Das Besteigen der Chinesischen Mauer. Diese befindet sich circa eine Stunde außerhalb von Peking. Wie in der Einleitung angesprochen, habe ich hier ein Video aufgenommen, das ich keinem vorenthalten will. Hierin sind Rohbauten mit im Schnitt 20 Stockwerken zu sehen.

Unser Reiseleiter merkte an, dass all diese Wohnungen bereits verkauft sind, aber aktuell das Geld fehlt, um diese Bauten fertigzustellen. Das, was im Video zu sehen ist, war natürlich auf der anderen Seite des Busses genau gleich.

    

Ich stellte unserem Reiseführer nun die Frage: „Schaut das nur auf dieser Stadtausfahrt von Peking so aus - oder auf allen vier Seiten (Norden, Osten, Süden, Westen)? “ Er entgegnete mir: „Ja, das schaut auf allen vier Seiten so aus - und es sieht übrigens in den meisten großen Städten so aus“.

Wir haben nun einfach eine kleine, grobe Überschlagsrechnung angestellt:

Acht Wohnungen (anscheinend Standardbauweise laut Reiseführer) pro Stockwerk, mal 20 Stockwerke, mal sieben Wohnblöcke in einer Reihe, diese mal fünf, da es circa fünf Reihen waren, mal zwei, da es auf der anderen Seite des Busses genauso aussah, mal vier, da es in allen Himmelsrichtungen Pekings anscheinend auch so aussieht. Das ergibt:

8 * 20 * 7 * 5 * 2* 4 = 44.800 Wohnungen, die private Chinesen - aber auch westliche Firmen - in den Bilanzen halten. Da wir aber sehr viele Bereiche noch weiter außerhalb von Peking nicht gesehen haben, dürfte die Zahl um ein Vielfaches höher sein. Das ist wohl die Blase von der Dirk immer spricht.

Das Eindämmen der Blase, chinesische Banken und westliche Finanzdienstleister

Peking hat ganz klar erkannt, dass diese Blase existiert und steuert nun gegen. Aber wie steuert man denn konkret dagegen an? Laut unserem Reiseführer sind die Preise in Peking vor ein paar Jahren so stark explodiert, dass die Regierung es den westlichen Immobilienfirmen verboten hat, Immobilien im großen Stil zu erwerben.

Mittlerweile hat sich der Trend umgedreht - nun verbietet sie den Verkauf auf breiter Front. Chinesen, die in Peking leben, haben auch ein Vorrecht auf Wohnungen, jedoch haben diese eine Limitierung auf maximal zwei Wohnungen, die sie besitzen dürfen (wie auch immer das zu verifizieren ist).

Staatliche Banken stützen das Ganze indem sie die Immobilien selbst aufkaufen, um diese Blase nicht zum Implodieren zu bringen. Was für uns auch sehr interessant war, ist die Tatsache, dass es in China keine Bank gibt, die nicht dem Staat gehört.

HSBC und westliche Banken sind doch auch in China aktiv? Ja, das stimmt - aber sie haben nur eine eingeschränkte Lizenz mit der sie im Vergleich mit den staatlichen Banken nur kleine Teile am chinesischen Kapitalmarkt bewegen können. Diese Information habe ich auf dem Flug von Peking nach Shanghai bekommen, denn dort sprach ich den Mann neben mir im Flieger an, wobei sich im Nachgang durch Überprüfung herausstellte, dass er der CEO von Amazon Asien war!

Mich hat beeindruckt, mit welcher Offenheit er über die Interventionen der chinesischen Regierung und der angeschlossenen Zentralbank gesprochen hat. Er meinte nur, dass der Westen die Macht der Partei unterschätzt, da diese immer noch gewisse Trends (beispielsweise den Boykott von  Apple-Geräten) steuern kann.

Abschließend lachte er nur freundlich und gab mir den Hinweis, dass die Amerikaner ziemlich schlecht dastehen würden, wenn China den dort produzierenden Halbleiterfirmen (Intel, AMD uvm.) den Zugang zu Seltenen Erden verwehren würde.

Smog, Atemmasken und die Smogskala

Als sich unser Aufenthalt in Peking so ziemlich dem Ende zuneigte, war nicht nur das Kofferpacken anstrengend, sondern auch das Atmen. Es war ein sehr interessantes Phänomen zu beobachten: Am Samstag und Sonntag war es schön und der Himmel blau. Doch kaum wurden am Montag in der Nacht die Maschinen/Fabriken wieder angeworfen, ging es bergab mit der Luftqualität.

Die Sicht war am letzten Tag in Peking schon so schlecht, dass man die etwas höheren Häuser in der Stadt teilweise nicht mehr sehen konnte. Wir hatten an diesem Tag eine Luftqualität von 187. Die chinesische Regierung gibt jeden Tag mehrmals eine Kennzahl zur Luftqualität bekannt, welche zwischen Null (sehr gut) und 500 (schwerster Smog) notiert. Der Reiseleiter erzählte uns, dass die Zahl 500 in den letzten Jahren mehrmals erreicht wurde.

Der Wert ist also sozusagen auf 500 gedeckelt, könnte inoffiziell aber auch 600 oder mehr betragen. In den Fernsehreportagen wird sehr oft berichtet, dass sehr viele Menschen mit Atemmasken herumlaufen, da es Smog gibt. Das Tragen einer Atemmaske hat aber nicht immer mit Krankheit oder Smog zu tun, sondern auch mit Chinesen aus dem warmen Süden, welche einfach die kalten Temperaturen im Norden nicht gut aushalten.

Moderne Infrastruktur in China!?

Ich denke, hier lasse ich die Bilder für sich selbst sprechen. Die Aufnahme wurde in einer zufällig gewählten Straße gemacht, aber keine Sorge: es sehen sowieso alle so aus. ;)

    

   

Das Internet (speziell WLAN) ist in Peking sehr langsam und schlecht. Die Straßen sind im Allgemeinen in Ordnung, jedoch möchte ich nochmal darauf hinweisen, dass - außer den Regierungsgebäuden und dem Flughafen - sonst nicht wirklich viel Modernes zu sehen war!

Eine Katastrophe waren jedoch die öffentlichen Toiletten. Es stank extrem nach Urin, die meisten der Sanitäranlagen waren uralt, marode und nicht einmal mit Toilettenpapier ausgestattet. Es ist also äußerst ratsam, sich Toilettenpapier mitzunehmen und eher in Lokalen die Örtlichkeiten aufzusuchen.

Autos in China

BMW, Daimler und Volkswagen sind in Peking zwar auch immer wieder zu sehen, der überwiegende Teil der Gefährte ist allerdings noch etwas altmodischer:

   

    

Auch eine Anmerkung hierzu: Wenn eine Person einen Audi fährt, erkennt man (fast immer), dass die Fahrzeuginhaber/Innen für eine Firma arbeiten. Die normalen Chinesen fahren in der Regel keine Audis, da diese eben primär als Dienstwägen angedacht sind.

Shanghai: Big Brother im Hotelzimmerschrank

Wir schätzten Shanghai im Vergleich zu Peking als eine sehr moderne und westliche Stadt ein. Mit Erschrecken mussten wir feststellen, dass in unserem Schrank zwei kleine Kameras befestigt waren, die (falls man den Schrank offen ließ) direkt ins Badezimmer filmen konnten.

   

   

Hier möchte ich klar Missverständnissen vorbeugen:

1)    Ich kann einen Sensor von einer Kamera unterscheiden.
2)    Ich habe die Kameras auseinander gebaut, um nachzusehen, ob sie aktiv sind.
3)    Am nächsten Tag waren sie weg!

Über diese Sache waren wir - sicherlich nachvollziehbar - „not amused“. Es gibt in ganz Peking und Shanghai keinen Bereich, der nicht mindestens videoüberwacht ist! Die U-Bahn Stationen in London sind - denke ich - eine gute Referenz, denn dort findet man auch extrem viele Kameras!!

Die chinesische Mentalität

Man merkt sehr stark, dass die Chinesen zwar Kapitalismus nach außen verkaufen, aber momentan noch Kommunisten sind. Diese Annahme bestätigte sich beispielsweise dadurch, dass es in keinem der besuchten Essenslokale eine Nachfrage wie „Wollen Sie noch etwas“ gab. Also die Motivation, mehr Geld verdienen zu wollen, ist noch überhaupt nicht verankert.

Chinesen haben übrigens die Eigenschaft oft auf den Boden spucken. Dies ist bei der älteren Generation in den Gehirnen wohl noch so einprogrammiert - und da wird auch beim Essen nicht Halt gemacht. Wir hatten gerade mit dem Essen begonnen, schon wurde neben uns auf den Boden des Lokals gespuckt.

Persönliches Fazit

Die Reise war eine echt tolle Chance, um eine komplett andere Kultur kennenzulernen. Philipp und ich waren relativ überrascht, wie naiv und rückschrittlich (aus unserer Sicht) in China teilweise noch gearbeitet wird. Im Allgemeinen merkt man meiner Empfindung nach, dass der Überwachungsstaat jedoch (leider) sehr gut funktioniert und in China "alles seine Ordnung hat".

Das Land hat aus meiner Sicht relativ viele Chancen in der Zukunft, aber ich fürchte, dass zuerst einfach noch eine Korrektur das System treffen muss, um die Milliarden/Billionen USD Fehlinvestition wieder zu eliminieren.

Ich hoffe, ich konnte etwas dazu betragen, das Thema China aus einer anderen Perspektive zu beleuchten.


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