China teilt unsere Werte nicht“, äußerte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg kürzlich.

"Ja und?" könnte man antworten, oder fragen, warum das bevölkerungsreichste Land der Welt ausgerechnet" unsere Werte" teilen sollte, womit "westliche Werte" gemeint sind, die schon innerhalb der NATO, zum Beispiel bei der Sichtweise der Türkei versus Norwegen, höchst unterschiedlich interpretiert werden. Innerhalb der NATO, die der französische Präsident Macron vor einiger Zeit als „hirntot“ bezeichnete, teilt man ja bekanntlich auch keine konfuzianischen Werte.

Stoltenbergs Statement reiht sich aber ein in die verbale und strategische Frontstellung gegen Peking, welche von der NATO und ihren Alliierten seit geraumer Zeit praktiziert und vertreten wird - und das in einem Ausmaß, als ob man fast dankbar sei, endlich ein konkretes Feindbild definieren und die eigenen Reihen schließen zu können.

Propagandistische Rohrkrepierer gegen Peking 

Dabei wird propagandistisch gegen Peking aus allen Rohren geschossen, wobei Rohrkrepierer mit einkalkuliert werden.

Ein Beispiel. Kürzlich wurde in westlichen Medien eine australische „Studie“ verbreitet, überwiegend unkritisch, die die These aufstellte, China würde einen Völkermord an der uigurischen Minderheit betreiben.

In China hat politischer Druck in der Region Xinjiang dem australischen Politikinstitut ASPI zufolge zu einem Einbruch der Geburtenrate bei Uiguren und anderen Minderheiten geführt. „Unsere Analyse baut auf früheren Arbeiten auf und liefert überzeugende Beweise dafür, dass Chinas Politik in Xinjiang einen Völkermord darstellen könnte“, hieß es in dem Bericht der Denkfabrik Australian Strategic Policy Institute, der gestern vorgestellt wurde.“

Wenn niedrige, oder gar einbrechende Geburtenraten einen Völkermord darstellen sollten, dann würden die meisten Regierungen des Westens - gemäß dieser steilen These - einen Völkermord an ihren eigenen Bevölkerungen betreiben, ebenso wie die Regierungen Südkoreas, Japans und Taiwans, jene drei prowestlichen asiatischen Staaten, welche die niedrigsten Geburtenraten der Welt verzeichnen.

Ferner ist die Geburtenrate in der gesamten Volksrepublik dramatisch gesunken, wie Peking kürzlich verlautbaren ließ, eine Tatsache, welche die besagte australische Studie in ihrer Milchmädchenrechnung unterschlägt.

Was ist ein Völkermord?

Ein Völkermord wird in der Regel wie folgt definiert: “Maßnahmen, die die (physische, ethnische, rassische und kulturelle) Existenz oder Identität einer Volksgruppe in Frage stellen“.

Sicherlich befinden sich die Uiguren in einer schwierigen Lage, wobei die Politik Pekings gegen diese ethnische Minderheit, eine muslimische Turkethnie, dem Prozess der Sinisierung entspricht, dem auch andere Minderheiten unterworfen sind, wie Tibeter, Mongolen, etc.

Interessanterweise wurde im Westen unter der Führung Washingtons noch zu Beginn des Jahrtausends das Vorgehen gegen den Separatismus der Uiguren als „War on Terror“ gebilligt, während er heute als Vorwurf formuliert wird.

Ein Völkermord aber - um nur dieses eine Beispiel zu vertiefen - ist die Ausrottung der Urbevölkerung auf der zu Australien gehörigen Insel Tasmanien, die den gleichnamigen Bundesstaat bildet. Der letzte Tasmanier starb 1876, diese Ethnie wurde zu 100 % ausgelöscht.

1847 wurden die letzten 47 Überlebenden auf das Festland zurückgesiedelt. Die letzte rein tasmanische Aborigine, Truganini, starb 1876. Innerhalb von 73 Jahren hatten britische Siedler und Soldaten ein ganzes Volk ausgelöscht.“

Die Verfasser der australischen Studie hätten auch die Lebenswelt der Aborigines in ihrem eigenen Land erforschen können, durch demographische Kenndaten wie die Lebenserwartung beispielsweise, um sich mit dem Thema vertiefend auseinanderzusetzen.

Indien hui, China pfui

Und weshalb wird die Situation der Kaschmiris, in der angeblich größten Demokratie der Welt, in Indien, welches sich zunehmend vom Westen gegen China in Stellung bringen lässt, nicht ähnlich kritisch untersucht?

Beim Blick auf Indien würde dann auch auffallen, dass es dort auch ethnische Minderheiten gibt, wie die Einwohner des Bundesstaates Sikkim, eine tibeto-burmesische Ethnie, welche mit Abstand die niedrigste Geburtenrate Indiens verzeichnet, ohne dass man im Westen daraus einen Völkermords-Vorwurf konstruiert.

Dieses mit zweierlei Maß messen ist zwar schon lange ein Leitmotiv der westlichen Strategie, scheint aber in Richtung China dabei auf ein unerhörtes Niveau zu sinken, welches nahezu neokoloniale Züge trägt.

Wer glaubt, dem Aufstieg der Volksrepublik mit diesen Methoden begegnen zu müssen, beziehungsweise die Entwicklung einer multipolaren Weltordnung verhindern zu können, ist schon dem Untergang geweiht.

"Was bedeutet das konkret für mich!?"

Am Beispiel Chinas offenbart sich mit betrüblicher Deutlichkeit, in welchem Ausmaß den Europäern und Amerikanern das geschichtliche Bewusstsein abhandengekommen ist. Die Fehldiagnose des amerikanischen Politologen Fukuyama vom “End of History” war auf allzu fruchtbaren Boden gefallen. So begegnet die westliche Welt dem phänomenalen Aufstieg Chinas in den Rang der zweiten Weltmacht mit einem Gemisch aus Arroganz und Missgunst. Die forcierte Fronstellung gegen die Volksrepublik, wie sie zurzeit betrieben wird, stellt eine ernsthafte Gefahr für die politische Stabilität der Welt da.

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"