Ähnlich hatten sich kurz zuvor die Außenminister beider Staaten geäußert, der griechische Außenminister Nikos Dendias und sein türkischer Amtskollege Mevlüt Cavusoglu. Man sei sich bewusst, dass manche „Auffassungen sehr unterschiedlich“ seien – „bei besonders wichtigen Themen stehen sich die Meinungen sogar diametral gegenüber“. Doch man wolle eine schrittweise Normalisierung der Situation herbeiführen und die Probleme mit „Respekt gegenüber gegenseitigen Rechten und Interessen“ lösen. Inzwischen wurde der Vorhang des guten Einvernehmens wieder eingerissen, was schon erstaunlich ist, denn die NATO behauptet ja von sich die freie und friedliche Welt des Westens gegen finstere Despoten im Osten zu verteidigen.

Die Zypern-Frage

Während seines Besuchs, auf der nur von Ankara anerkannten Türkischen Republik Nordzypern ließ Erdogan verlautbaren, dass die umstrittene Öffnung der einst von griechischen Zyprern bewohnten Küstensiedlung Varosha angestrebt werde. Nordzyperns Präsident Ersin Tatar ergänzte, der Status als militärisches Sperrgebiet solle schrittweise aufgehoben und weitere Flächen dieses Teils der Stadt Famagusta zugänglich gemacht werden.

Varosha war einst als mondäner Badeort bekannt. 1974 flohen die rund 40.000 griechischsprachigen Zyprer, die in dem Stadtteil lebten, vor den türkischen Truppen. Seit damals ist das Viertel, welches unmittelbar an der Pufferzone grenzt, unbewohnt und militärisches Sperrgebiet.

Während Erdogan sein Vorgehen als eine „neue Ära“ für die frühere Touristenhochburg Varosha umschrieb, reagierte die zypriotische Regierung in Nikosia empört, ausgerechnet am Jahrestag der Teilung der Mittelmeer-Insel. Nikosia wertete das Vorgehen Erdogans als einen Versuch, den Status quo von Famagusta aufzuweichen. Ferner wies die zypriotische Regierung darauf hin, dass das türkische Bestreben gegen UNO-Resolutionen zum Konflikt um die geteilte Insel verstoße. Die EU und USA verurteilten den Schritt als „inakzeptabel“, während sich die NATO, die sonst zu allen Konflikten eine Meinung vertritt, wenn auch meistens einseitig, in ein eisiges Schweigen hüllt.

Auf dem Internetportal German Foreign Policy war diesbezüglich zu lesen:

Der bis heute ungelöste Zypernkonflikt geht letztlich auf den Putsch vom 15. Juli 1974 zurück, mit dem sich zyprische Militärs - unterstützt und angeleitet von der griechischen Militärdiktatur - in Nikosia an die Macht zu bringen suchten. Ihr Ziel war es, den Anschluss Zyperns an Griechenland ("enosis") durchzusetzen. Der Putsch scheiterte. Die Türkei nahm ihn jedoch zum Anlass, am 20. Juli 1974 - sich auf ihre Rolle als Schutzmacht der türkischsprachigen Minderheit berufend - auf Zypern einzumarschieren und das nördliche Drittel der Insel zu besetzen.
Eine von den Vereinten Nationen kontrollierte Pufferzone trennt beide Landesteile bis heute. Der Norden konstituierte sich 1983 als Türkische Republik Nordzypern, wird jedoch bis heute einzig von der Türkei als Staat anerkannt. Der Süden, die Republik Zypern, ist seit 2004 Mitglied der EU. Offizielles Ziel ist es eigentlich, die Vereinigung des Nordens und des Südens zu erreichen. Den letzten aussichtsreichen Vorstoß unternahm im Jahr 2004 UN-Generalsekretär Kofi Annan; er scheiterte jedoch: Während zwei Drittel der nordzyprischen Bevölkerung seinem Plan zustimmten, wiesen drei Viertel der Einwohner der Republik Zypern ihn zurück. Seitdem sind zwar zuweilen neue Gespräche aufgenommen worden; ein Erfolg war und ist aber nicht in Sicht.“

Das Schweigen der NATO - die lauwarmen Proteste der EU

Immerhin kündigte die Europäische Union neue Sanktionen gegen die Türkei an. Brüssels Außenbeauftragter Josep Borrell erklärte im Namen der 27 Mitgliedsstaaten, dass von der Regierung in Ankara verlangt werde, alle Handlungen hinsichtlich Zyperns rückgängig zu machen, die im Widerspruch zu Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen stehen. Falls das nicht geschieht, soll beim nächsten EU-Außenministertreffen über Maßnahmen der EU beraten werden.

In Ankara wird man sich nicht um diese lauwarmen Verlautbarungen scheren, da die wahre Machtzentrale - die NATO - die Türkei bisher gewähren lässt, da dieses Land zu mächtig ist und aus geopolitischen Gründen unverzichtbar erscheint. Die Beziehungen zwischen Griechenland, Zypern und der Türkei sind seit Jahrzehnten konfliktträchtig, wobei die Wurzeln dieser Konflikte schon in das 19. Jahrhundert reichen, wenn nicht sogar noch weiter zurück.  

Erdgas und französische Kampfjets heizen den Konflikt an

Aufgeheizt werden die aktuellen Spannungen auch dadurch, dass Griechenland vor einigen Tagen das erste Exemplar des französischen Kampfjets Rafale erhielt, mit dem Athen die Luftraumsicherung verbessern will. Vor allem aber schwelt zwischen den beiden Nachbarländern seit Jahren ein Konflikt um Erdgas, welcher 2020 beinahe militärisch eskaliert wäre. Athen wirft Ankara vor, in Meeresgebieten nach Erdgas zu suchen, die nach internationalem Seerecht zu Griechenland gehören, während die türkische Regierung davon ausgeht, dass diese Gebiete jedoch zum türkischen Festlandsockel gehören.

„Was bedeutet das konkret für mich!?"

Am Beispiel des griechisch-türkischen Konflikts wird deutlich, dass die NATO überhaupt nicht als global dominierende Militärmacht taugt. Wenn schon Konflikte in den eigenen Reihen nicht entschärft werden können, ist der zu beobachtende Kreuzzug gegen die Volksrepublik China, in seiner ganzen Abenteuerlichkeit, zum Scheitern verurteilt. An diesem Beispiel lässt sich auch wieder einmal erkennen, dass der geopolitische Handlungsspielraum der EU kaum vorhanden ist und vor allem ohne Strategie daher kommt. Dieses ist die Tragödie Europas. 

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