Wie es um die klassische und historische Bildung steht, bei den Teilnehmern des G-20 Gipfels in Rom, welcher kürzlich zu Ende ging und an dem die führenden Politiker und Politikerinnen des Westens partizipierten, ist dem Verfasser dieses Beitrages nicht bekannt. Festzustellen bleibt aber, dass dem Westen offenbar seine Fähigkeit, welthistorische Vorgänge wahrzunehmen und darauf angemessen zu reagieren, verloren gegangen ist.

Sicher ist aber auch, dass man sich - wie schon seit geraumer Zeit zu beobachten - auf das Feindbild China konzentriert hat, um den relativen Niedergang des Westens, beziehungsweise dessen wachsende Uneinigkeit, notdürftig zu übertünchen. Der phänomenale Aufstieg der Volksrepublik China, zu einer der führenden Supermächte, bildete daher so etwas wie den brüchigen Kitt, des G-20 Gipfels.

Die USA und die Staaten der EU haben sich auf dem G20-Gipfel am Wochenende in Rom um die Inszenierung eines transatlantischen Schulterschlusses gegen China bemüht. Beide Seiten einigten sich auf einen Teilkompromiss im Streit um die US-Strafzölle auf die Lieferung von Stahl und Aluminium aus der EU. Demnach bleiben die Zölle zwar bestehen; Konzerne aus der EU werden allerdings ein gewisses Kontingent zollfrei liefern dürfen. Brüssel verzichtet im Gegenzug darauf, seine Strafzölle auf bestimmte US-Produkte auf 50 Prozent zu erhöhen. Schon am Freitag hatten US-Präsident Joseph Biden und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den heftigen Streit um den AUKUS-Pakt demonstrativ beigelegt – jedenfalls öffentlich.analysierte Jörg Kronauer.

Der Westen verdrängt den eigenen Niedergang

Statt die Misere in der eigenen Staatenwelt zu analysieren, agierten die Vertreter des Westens wie ein Kolonial-Imperium, welches der Welt den Takt vorzugeben hat, nachdem getanzt wird. Dass diese Illusion schon längst geplatzt ist, ignorierten die Gipfel-Teilnehmer größtenteils, oder waren zumindest darum bemüht. Der Niedergang des Westens, dessen Ursachen, welche der Historiker Niall Ferguson schon vor Jahren in seinem gleichnamigen Buch erläutert hatte, den Verfall jener vier Säulen, auf denen einst die Weltherrschaft des Westens ruhte: repräsentative Demokratie, freie Marktwirtschaft, Rechtsstaat und Zivilgesellschaft.

Sie degenerierten, so Ferguson, zunehmend zu den Gefahrenquellen von nachlassendem Wachstum, explodierenden Staatsschulden, zunehmender Ungleichheit, alternden Bevölkerungen sowie auseinanderbrechenden Sozialgefügen. Diese Themen wurden zumindest - wenn überhaupt - nur am Rande gestreift. Doch trotz der vorgetäuschten Harmonie, der angeblichen Geschlossenheit des Westens, wurde auch dieser Gipfel von den schwelenden Konflikten und aufbrechenden Spannungsfeldern überschattet.

Macron über den australischen Premierminister “Er hat mich belogen!“

Frankreich bäumt sich weiter auf und gibt in seinen verschiedenen Konflikten -überwiegend mit den Vertretern angelsächsischer Staaten - nicht klein bei. Am Rande des Gipfels von Rom äußerte Emmanuel Macron gegenüber Journalisten unverblümt, der australische Premierminister Scott Morrison habe ihn über die Annullierung eines Milliardenvertrags für den Kauf von U-Booten im September belogen. Macron und Morrison waren dieses Wochenende in Rom zum ersten Mal seit dem Ausbruch des Konflikts zusammengekommen. Auf die Frage von Journalisten, ob Macron glaube, dass Morrison ihn belogen habe, sagte Macron:

Ich glaube das nicht, ich weiß es.“ Er habe großen Respekt und viel Freundschaft für das australische Volk. Wenn man mit Respekt miteinander umgehe, hieße das jedoch auch, dass man ehrlich zueinander sein müsse. Macron bezog sich hierbei, auf die plumpe Übergehung Frankreichs, von Seiten der USA, Großbritanniens und Australiens, in einem strategischen U-Boot Deal, welcher in Paris uralte Ressentiments gegenüber der angelsächsischen Staatengemeinschaft schürt.

Dies wird auch dadurch verdeutlicht, dass Paris auch weiter gegen London Stellung bezieht, im sogenannten Fischerei-Streit zwischen Frankreich und Großbritannien.

Am heutigen Dienstag läuft eine von Paris gesetzte Frist ab. Frankreich hat scharfe Maßnahmen angekündigt, falls London bis dahin französischen Fischern keine Fanglizenz für britische Gewässer mehr erteilt. Doch die britische Außenministerin Liz Truss sagte am Montag, ihr Land werde nicht nachgeben.

„Was bedeutet das konkret für mich!?"

Es ist noch nicht sicher, wie sich die kommende Bundesregierung hinsichtlich der wachsenden Kluft zwischen Frankreich und den angelsächsischen Staaten des Westens positionieren wird. Es ist anzunehmen, dass man wie gewöhnlich auf die Vorgaben des Hegemon in Washington warten wird, um eigene diplomatische Schritte zu unternehmen.

Was die brennende politische Aktualität angeht, da wäre es im dringenden Interesse Europas, dass Paris und Berlin solidarisch zueinander wären, um den herrschenden Kreisen in Washington, London und Canberra deutlich zu machen, dass man sich auch außen- und verteidigungspolitisch emanzipieren kann, wie es eins de Gaulle demonstrierte, um sich so dem Irrsinn, den man heute "westliche Verteidigungspolitik" zu nennen pflegt, zu entziehen. Bedauerlicherweise entspricht dieses Szenario nicht den politischen Realitäten oder gar der politischen Reife der Akteure in Berlin.

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