Inflation und Lieferengpässe

Die US-Bürger werden dieser Tage von einer Inflationsrate von sieben Prozent geplagt, die höchste seit fast 40 Jahren. Der tägliche Einkauf wird vielen Menschen vermiest, ebenso die Fahrt zu Tankstelle, flankiert von Lieferengpässen, was die Zustimmungswerte für Biden abbröckeln lässt.

Biden wird mit entsprechend schlechten Umfragewerten konfrontiert: Laut der Onlineplattform Real Clear Politics, die verschiedene Umfragen sammelt und analysiert, sind nur noch etwa 42 Prozent der Amerikaner der Meinung, dass Biden einen guten Job macht.

Vor einem Jahr verbuchte der Präsident noch eine Zustimmung von knapp 56 Prozent. Von allen US-Präsidenten seit dem Zweiten Weltkrieg kam nur Ex-Präsident Donald Trump ein Jahr nach Amtsantritt auf ein schlechteres Ergebnis. Sicherlich die Arbeitslosigkeit sank Ende des vergangenen Jahres weiter auf eine Quote von 3,9 Prozent, und damit auf das Niveau vor der CoV-Krise.

Allerdings kommt die Frage auf, was das bedeutet, denn die Arbeitswelt der USA ist geprägt von sogenannten MC-Jobs und von den working poor, den arbeitenden Armen, die trotz Beschäftigung kaum über die Runden kommen und nicht selten zwei bis drei Nebenjobs ausüben.

Innenpolitische Spannungen und außenpolitische Niederlagen

Innenpolitisch wurde Bidens Präsidentschaft gleich zu Beginn von dem Sturm auf das Kapitol überschattet. Die dadurch symbolisierte tiefe Spaltung der Gesellschaft wurde - und konnte - auch von Biden bisher nicht ansatzweise überwunden.

Außenpolitisch hat die Flucht der US-Truppen aus Afghanistan - vor aller Welt sichtbar - das Scheitern der USA im „War on Terror“ manifestiert, damit auch die Prekarität der Supermacht im globalen Wettbewerb.

Biden zeichnet ein rosiges Bild seiner bisherigen Amtszeit

Biden verteidigte die Bilanz seiner Regierung am Mittwoch gegen Kritik. „Ich weiß, dass es eine Menge Frust gibt“ äußerte er bei einer seiner seltenen Pressekonferenzen im Weißen Haus. Weiter sprach Biden von einem Jahr der Herausforderungen, aber auch der „enormen Fortschritte“.

Während Biden vor den Pressevertretern seine ersten zwölf Monate in rosigen Farben darzustellen bemüht war, wurde nicht nur in den Medien, welche den Republikanern nahestehen, sondern auch in den medialen Flaggschiffen der Demokraten ein düsteres Bild gezeichnet.

Die Auffassung, dass die Biden-Präsidentschaft wild um sich schlägt und versagt – hat sich nun von den Meinungsseiten zu den Nachrichtenseiten bewegt, von rechter Kritik zu konventionellem Beltway-Wissen (politisches Establishment in Washington DC, Anm. und Übersetzung)“, formulierte etwa der „New York Times“-Kolumnist Bret Stephens zu Bidens erstem Jahrestag.

Ohne einen Strategiewechsel drohe den Demokraten ein Fiasko. „Biden braucht einen Neuanfang“, analysierte die „Washington Post“-Kolumnistin Jennifer Rubin.

Aber nicht nur die Kritik in liberalen Medien machen Biden bei der Amtsführung zu schaffen, sondern auch das Pandemiemanagement. Am Anfang seiner Präsidentschaft konnte Biden damit und insbesondere mit einer in den ersten Monaten erfolgreichen Impfkampagne punkten. Dann aber verpuffte die Euphorie bald: Inzwischen ist nur noch von einer schleppenden Impfkampagne zu hören.

Warten auf „Unabhängigkeit von tödlichem Virus“

In der vergangenen Woche gab es eine Niederlage vor dem US-Höchstgericht. Der Supreme Court blockierte trotz explodierender CoV-Infektionszahlen Bidens Impf- und Testvorgaben für große Unternehmen. Am 4. Juli - dem Nationalfeiertag - sah Biden die USA „näher dran als je zuvor, ihre Unabhängigkeit von dem tödlichen Virus zu erklären“. Die Delta- und Omikron-Variante machten dem dann einen Strich durch die Rechnung.

In den Straßen fließt Blut

Hinzu kommt die explodierende Kriminalität, die schon unter der Amtszeit von Trump begann, sich aber unter Biden fortsetzt. „Kriminalität in den USA: In den Städten fließt Blut.“ Fast täglich melden die US-Medien tödliche Schusswechsel, in einem Ausmaß wie man es längst nicht mehr für möglich hielt.

Ausgebremst von der eigenen Partei

In der Debatte um die Abschaffung der umstrittenen Filibuster-Regel konnte sich Biden nicht gegen kritische Parteifreunde durchsetzen – ein großer taktischer Fehler, der seine Autorität untergrub, denn gerade an parteiinternen Blockaden scheiterte er zuletzt.

"Als Biden die Filibuster-Regel des Senats zu kippen versuchte, um einem Gesetz zur Stärkung des Wahlrechts den Weg zu bahnen, endete es mit einer Blamage. Senatorin Sinema hielt eine kämpferische, polemische Rede, um ihr Nein zu begründen. Wie skeptisch sie und ihr Parteifreund Manchin das Aushebeln des Filibusters sahen, war vorher bekannt. Dass Biden, wenngleich in nobler Absicht, eine Regeländerung durchsetzen wollte, ohne dafür die Stimmen zu haben, lässt ihn nun wie einen Amateur dastehen."

war im Standard aus Wien dazu zu lesen.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Als Joe Biden vor einem Jahr sein hohes Amt antrat, wurde er sogar mit Franklin Delano Roosevelt verglichen, der Symbolfigur des New Deal aus den 1930er Jahren. Dazu lässt sich sagen: Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich.

D. Roosevelt gelang es zu Beginn der 1930 er Jahre die damalige Wirtschaftskatastrophe einzudämmen, nachdem sein Vorgänger Herbert C. Hoover noch bis zuletzt beteuert hatte ”Business as usual, prosperity is around the corner”. Allerdings war die ökonomische Stabilisierung der Roosevelt-Politik nicht dauerhaft.

Der Rückfall in die Stagnation wurde nur durch das zunehmende Eingreifen der USA in die kriegerischen Wirren Europas, bis hin zum totalen Kriegseintritt und die damit verbundene Ankurbelung einer gigantischen Rüstungsindustrie überwunden. Außenpolitisch hat sich Biden als Falke entpuppt, als Falke mit gestutzten Krallen, der die innenpolitischen Wirren der USA, sowie den schleichenden weltpolitischen Niedergang durch eine Konfrontation mit der Volksrepublik China auszugleichen versucht. Wie dieses Experiment ausgehen wird, wird uns die Geschichte beantworten.

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