Robert Baer, Sie haben in den vergangenen vier Jahren immer wieder auf das Zerwürfnis zwischen den Geheimdiensten der USA-CIA und FBI- und dem Weißen Haus hingewiesen, seit dem Amtsantritt von Donald Trump. Gehen Sie davon aus, dass im Falle eines Amtsantritts von Joe Biden diese Spannungen wieder abnehmen?

R.B: Absolut. Aus der Sicht der CIA war Trump so etwas wie ein Betriebsunfall in der Geschichte der USA, niemals zuvor hatte es ein so belastetes Verhältnis zwischen dem Geheimdienst und dem Weißen Haus gegeben, wenn auch in der Vergangenheit natürlich immer mal wieder Spannungen auftraten.  In den vergangenen vier Jahren herrschte aber von Anfang an ein gegenseitiges Misstrauen, zwischen dem Weißen Haus und dem CIA. Ob dadurch die Fehlentwicklungen korrigiert werden, von der die CIA seit Jahren betroffen ist, ist wieder eine ganz andere Frage.

Trump kritisierte schon lange vor seiner Präsidentschaft die CIA heftig. Waren aber alle seine Kritikpunkte falsch, aus Ihrer Perspektive als ehemaliger Mitarbeiter dieses wahrscheinlich mächtigsten Geheimdienstes der Welt?

R.B: Nein, Trump hatte vor allem damit Recht, dass die CIA total neu organisiert werden muss, um den globalpolitischen Herausforderungen gerecht zu werden, was während seiner Amtszeit aber in keiner Weise geschah, aus den genannten Gründen.

Als ehemaliger CIA-Agent sind Sie sicher in der Lage diese Aussage etwas zu vertiefen?

R.B: Trump  hatte schon 2003 gefordert, die CIA muss völlig neu aufgestellt werden und vor allem von dem politischen Tagesgeschehen ferngehalten werden, als Institution eigenständig arbeiten muss, natürlich im Einklang mit der Regierung, sich aber nicht den tagespolitischen Ereignissen unterwerfen, weil so keine langfristigen nachrichtendienstlichen Erkenntnisse gewonnen werden können. Da stimme ich ihm zu, obwohl ich bekanntlich ja das genaue Gegenteil von einem Trump-Anhänger bin.

Diese Entwicklung haben Sie auch schonungslos in Ihrem Buch “Der Niedergang der CIA“ beschrieben, welches im Jahr 2000 erschien.

R.B: Richtig. Schon damals trennte sich die CIA nicht nur systematisch von vielen ihrer Agenten, sondern ersetzte diese durch Theoretiker und Analytiker, die niemals im Ausland gearbeitet hatten. Auf diese Weise hatte die CIA sich eigentlich selbst aus dem Spionagegeschäft herauskatapultiert. Es ist daher also nicht verwunderlich, dass wir 2001 keine Informationen aus Hamburger Moscheen besaßen, in denen der schlimmste Anschlag auf US-Boden wenig später geplant wurde. Die heutige CIA-Arbeit ist rein bürokratisch ausgerichtet, flankiert von moderner Technologie, der Infiltration sozialer Netzwerke, sowie der Lenkung von Drohnen, weit entfernt von den Einsatzgebieten. Die intime Kenntnis einer Region, inklusive Sprachkenntnisse etc., ist dabei ins Hintertreffen geraten.

Militärstrategen würden jetzt wahrscheinlich antworten, heute werden solche Aufgaben durch Militärschläge und Drohnen verrichtet.

R.B: Und eben da liegt der Irrtum begründet. Um ihnen ein Beispiel zu nennen, durch die Liquidierung von Osama bin Laden, welche zur Amtszeit von Obama und Biden als großer Sieg gefeiert wurde, kam es zu keinem Abklingen der dhihdistischen Gewalt, sondern zum Aufstieg des "Islamischen Staates". Für die CIA-Behauptung, durch den Einsatz von Drohnen seien amerikanische Leben gerettet wurden, fehlen jegliche Beweise. Persönlich bin ich der Meinung, dass Drohnen Terror und Gewalt eher fördern. Ob in der Vergangenheit oder auch bei der Ermordung des iranischen Generals Soleimani, zu Beginn dieses Jahres unter Trump, der Teherans militärische Macht in keiner Weise beeinträchtigte.

In Ihrer aktiven Zeit waren Sie ständig vor Ort im Einsatz, ob im Libanon, Irak und andernorts, hatten die Aufgaben Organisationen wie Hamas und Hissbollah zu unterwandern, oder sogar Saddam Hussein zu liquidieren.

R.B: Richtig, aber vor Beginn unseres Einsatzes studierten wir intensiv die jeweiligen Sprachen, Mentalitäten und Kulturen. Die Einsätze fanden immer unter Einsatz des eigenen Lebens statt, wobei wir uns mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut machten. Ganz anders als die Bürokraten heute im Hauptquartier.

Kommen wir wieder auf das Wahlergebnis in den USA zu sprechen, davon ausgehend, dass Joe Biden der nächste Präsident sein wird. Welche Auswirkungen auf die US-Außenpolitik hat die Welt dadurch zu erwarten?

R.B: Wahrscheinlich erst einmal weniger als allgemein erwartet. Joe Biden steht vor so großen innenpolitischen Herausforderungen, dass die Außenpolitik erst an zweiter Stelle angesiedelt sein wird. Sicherlich wird Biden, sollte er der nächste Präsident sein, sich dafür engagieren, das transatlantische Verhältnis zu reparieren, welches zweifelsohne in den vergangenen vier Jahren schweren Schaden erlitten hat. In Europa sollte man sich aber keine Illusionen darüber machen, dass Bidens Blick zunächst einmal nach innen gerichtet bleibt, um die innenpolitischen Spannungen abzumildern, denn 70 Millionen Trump-Wähler bleiben ja und der Trumpismus wird auch ohne Trump als Präsident weiter existieren. Hinzu kommen die Corona-Krise und daraus folgend die Wirtschaftskrise, welche Zweifel aufkommen lassen, dass die tiefe Spaltung der US-Gesellschaft schnell überwunden werden kann.

Wird es denn signifikante Änderungen im außenpolitischen Bereich geben, auf die wir uns einstellen sollten?

R.B: Sicherlich wird unter eine Präsidentschaft Bidens ein Neuanfang im Verhältnis zum Iran gestartet, wobei die Frage ist, ob die Iraner überhaupt wieder zum Verhandlungstisch zurückkehren möchten.

Israelis und Saudis, besonders die aktuell Regierenden dort, werden sich darauf einstellen müssen, öfter Contra aus Washington zu erhalten, ohne dass dabei die Grundachse der Beziehungen beeinträchtigt wird.

Zu Russland dürften sich die Beziehungen weiter abkühlen, wobei eine Biden-Regierung den Europäern mehr Spielraum einräumen, oder anders ausgedrückt, mehr Verantwortung aufbürden wird.  

Was das Verhältnis zu China angeht, da wird Biden auf dem harten Trump-Kurs bleiben, da der Aufstieg der Volksrepublik existenziell die Position der USA herausfordert. Ob dies gelingen wird, bleibt fraglich.

Waren Sie persönlich überrascht über das Wahlergebnis?

RB: Überrascht nicht, aber dennoch erstaunt darüber, wie fragmentiertunsere Gesellschaft erscheint. Persönlich hege ich auch Zweifel, ob Joe Biden den Herausforderungen gewachsen ist, aufgrund seines Alters und seiner Agenda. Im besten Fall handelt es sich bei ihm um einen Präsidenten des Übergangs.

Vielen Dank Robert Baer

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