Ohne das mediale Getöse hätte dieser Sommer einfach als vergleichsweise nass und kalt in die Geschichtsbücher eingehen können. Aber das darf nicht sein. Bei der Panik wird keine Handbreit Boden preisgegeben! Auf die ernst gemeinte Frage, wie lange und wie viel es denn regnen müsse, damit sich die Lage ändere, erhält man keine Antwort. Und so sind auch die Stauseen selbst dann noch zu leer, wenn sie voll sind. Die Lage ist eben aussichtslos, es ist nichts mehr zu retten und wir werden bald von der Erdscheibe fallen, wo die höllischen Bestien lauern. Die Freunde des Untergangs sind unabhängig von der Realität wunschlos unglücklich.

Laufend werden irgendwann in Umlauf gesetzte Geschichten mit ernster Miene weitererzählt, während man betroffen dreinschaut und sich nicht um eine möglicherweise veränderte Situation schert. Vermutlich hätte auch ein einjähriger Dauerregen keinen Einfluss auf die aktuellen Dürre-Erzählungen.

Werfen wir daher einen Blick auf die Basis der Verbreitung der Angst vor hohen Temperaturen: die Todesfälle. Die Studie “Übersterblichkeit aufgrund von Hitze und Kälte: Eine Studie über die gesundheitlichen Auswirkungen in 854 Städten Europas“ (englisch: “Excess mortality attributed to heat and cold: a health impact assessment study in 854 cities in Europe”) wurde von zahlreichen PhDs und Professoren im renommierten Journal “The Lancet” veröffentlicht. Dargestellt werden in der Veröffentlichung unter anderem die Anzahl der maßgeblich durch den Einfluss von Hitze oder Kälte dahingeschiedenen Menschen.

Die Studie wurde in den Medien häufig zitiert, wobei sie gerne als Beleg für die Gefahren hoher Temperaturen für den Menschen herhalten musste. In der Kurzzusammenfassung heißt es unter anderem:

Über die 854 städtischen Gebiete in Europa hinweg haben wir eine jährliche Überschusssterblichkeit von 203.620 (empirischer 95 %-Konfidenzintervall 180.882–224.613) Todesfällen durch Kälte und 20.173 (17.261–22.934) Todesfällen durch Hitze geschätzt. Dies entspricht altersstandardisierten Raten von 129 (empirischer 95 %-Konfidenzintervall 114–142) bzw. 13 (11–14) Todesfällen pro 100.000 Personenjahre. Die Ergebnisse unterschieden sich in Europa und Altersgruppen, wobei die stärksten Effekte in osteuropäischen Städten sowohl bei Kälte als auch Hitze auftraten.

Dieser Text enthält nichts Erstaunliches. Selbst Hollywood könnte aus elf bis vierzehn Todesfällen pro 100.000 Personenjahren keinen Weltuntergangs-Film machen. Vermutlich ist es die von den Daten verströmte Langeweile, die zur verzerrten bildlichen Darstellung der genannten Zahlen führte. Die unten stehende Grafik aus der Veröffentlichung zeigt die „Hitze- und Kältetoten“ in europäischen Ländern. Sie ist auch abseits der Frage, wie man diese Daten genau zu erheben beliebt, ein Musterbeispiel der Irreführung.

Wer des Öfteren mit solchen Grafiken zu tun hat, wirft routinemäßig zuerst einen Blick auf die Achsen. Wie leicht zu erkennen ist, unterscheiden sich die Skalen der beiden Teilgrafiken zu den „Kältetoten“ (links) und den „Hitzetoten“ erheblich. Das Ziel einer Visualisierung ist jedoch nicht, die mittlere Länge der verschiedenen Säulen möglichst aneinander anzugleichen. Mit so einer Grafik hätte man früher den Seminarraum zu recht durch das Fenster verlassen müssen. In einem wissenschaftlichen Journal hat so eine Darstellung nichts verloren.

Der Schwede Björn Lomborg hat sich die Mühe gemacht, die Darstellungen aus dem Journal einer korrigierten Version gegenüberzustellen. Das Resultat sieht folgendermaßen aus. Links ist das Original abgebildet, rechts die korrekte Version.

 

Die korrekte Grafik wäre offensichtlich wenig hilfreich bei der Verbreitung von Angst vor dem Sommer gewesen. Zudem hätte sie das Thema “funktionierende Heizung” wieder in den Mittelpunkt gerückt, über das man angesichts der wackeligen Energieversorgung gerade in Deutschland lieber nicht spricht. Der Winter kommt noch schnell genug. Vielleicht ist den “Top-Wissenschaftlern” und anderen Experten der Fehler schlichtweg nicht aufgefallen, was jedoch kein gutes Licht auf die akademischen Prüfprozesse werfen würde.

Angst vor Hitze ist für Menschen, die alle Sinne beisammen haben, in einem der kälteren Länder der Erde auch in normalen Sommern nicht angebracht. Wer staatliche Plakataktionen mit tiefsinnigen Inhalten wie „Bei Hitze das Trinken nicht vergessen“ für notwendig erachtet, der hält entweder seinen eigenen Bildungsgrad für den passenden Maßstab, oder aber er hat einen Schwager, der sich über einen Auftrag für den Bau von tausenden Wasserspendern in deutschen Städten freuen würde. Da Gefahr im Verzug ist, erübrigt sich freilich eine Ausschreibung. Wir müssen schließlich vor die Hitzewelle kommen.

„Was heißt das konkret für mich!?“

Wer auf Grund der penetranten Beschallung mit Miesepeter-Informationen im Dauerregen hockend über die Asphalttemperatur in der Nähe des Ätna grübelt, dem mag es helfen die folgenden Sätze auszusprechen: „Dieser Sommer ist vergleichsweise kalt. Dieser Sommer ist vergleichsweise nass. Die Erde wird nicht vor drei Jahren untergehen und auch nicht in fünf Jahren.“ Mal sehen, wie sich die Heizungsdebatte angesichts der Kälterisiken im kommenden Winter anlässt.

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"