Die außenpolitischen Rahmenbedingungen dieser Wahl

Das Verhältnis zwischen Deutschland und Russland, welches sich ohne Zweifel auf einem Tiefstand befindet, ist nur eine der außenpolitischen Rahmenbedingungen, von denen die Parlamentswahlen im größten Flächenstaat der Welt flankiert wurden.

In den letzten beiden Jahrzehnten war die russische Regierung mit drei geopolitischen Herausforderungen konfrontiert. Zum einen mit der NATO-Osterweiterung, zum anderen mit dem Aufstieg der Volksrepublik China, sowie dem Einfluss des Islams in den eigenen Grenzen.

Was das Verhältnis zu Peking angeht, da haben sich beide Staaten, auch aufgrund der Politik des Westens, auf ein kooperatives, bisweilen partnerschaftliches Verhältnis einigen können.

Der Islam in Russland wurde von Wladimir Putin aufgewertet, ohne dabei den Kampf gegen Extremismus abzuschwächen, wobei er sich dabei weitaus geschickter verhält, durch die Anerkennung Russlands als multiethnischen und vor allem multireligiösen Staat, als etwa ein Herr Nawalny, der in der Vergangenheit durch üble rassistische Tiraden auffiel. 

Das Problem der NATO bleibt bestehen, weniger durch die permanente Osterweiterung, sondern eher durch die Einflussnahme in Weißrussland und in der Ukraine, sowie bei den politischen Prozessen im eigenen Land. 

Ermüdungserscheinungen, aber keine Wechselstimmung

Zwangsläufig sind in Russland innenpolitisch, nach einer 20-jährigen Dauerherrschaft der Regierungspartei“ Einiges Russland“, gewisse Ermüdungserscheinungen eingetreten, wobei man aber keine akute Wechselstimmung feststellen konnte, was auch an den eher dürftigen Alternativen gelegen haben mag.

Rund 110 Millionen Russen waren am letzten Wochenende zur Wahl eines neuen Parlaments aufgerufen, eine Wahl, an deren Ausgang keine Zweifel bestanden. Von den Grenzen zu Finnland bis zu den Gestaden des Pazifiks, vom Polarkreis bis zum Schwarzen Meer wurde im größten Flächenstaat der Welt gewählt.

In dieser Geographie Russlands, welche das Territorium der USA plus Westeuropa umfasst, entspricht die Einwohnerzahl zusammengezählt lediglich der Bevölkerung von Deutschland und Frankreich.

Schon im Vorfeld wurde deutlich, dass es bei den russischen Wahlen in- und ausländische Vorwürfe der Wahlfälschung geben würde. Das EU-Parlament hatte daher beschlossen, die Wahlen nicht anzuerkennen, „wenn die Parlamentswahlen 2021 in Russland als gefälscht anerkannt werden“. Problematisch erscheint hierbei, wie die Wahlen „als gefälscht“ anerkennt werden können, wenn die OSZE die Entsendung von Wahlbeobachtern zuvor abgelehnt hat.

Niedrige Wahlbeteiligung und Kommunisten als stärkste Oppositionskraft

Am Montag wurde dann durch die staatliche Wahlkommission das amtliche Endergebnis der Parlamentswahlen bekanntgegeben. Bei einer niedrigen Wahlbeteiligung von ca. 50 % bleibt die Regierungspartei »Einiges Russland« trotz eines Minus von rund 4,5 Prozentpunkten mit 49,82 Prozent stärkste politische Kraft.

Flankiert von 166 Listen- und 188 Direktmandaten wird sie auch in der kommenden Legislaturperiode eine Zweidrittelmehrheit erhalten, damit auch die Verfassung nach eigenen Vorstellungen ändern können.

Zweitstärkste Kraft wurden die Kommunisten (KPRF), mit einem knappen Fünftel der Wählerstimmen von 18,92 %. Hierbei ist zu erwähnen, dass die Kommunisten, die in Russland orthodox, nicht etwa reform- oder postkommunistisch auftreten, von dem Nawalny-Lager empfohlen wurden, um der Regierungspartei Direktmandate abzujagen.

Da es die Nawalny-Empfehlung gab, beschäftigte deutschen Medien in den vergangenen Tagen vermehrt die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF). Der Grund: Das Team Nawalny hatte sich liberal-westlich positioniert, mit der Initiative „Kluges Wählen“, was die 137 Direktkandidaten der KP einschloss. Da Alexej Nawalny im Gefängnis sitzt, die Organisation des Oppositionspolitikers verboten wurde und keine eigenen Kandidaten ins Rennen schickt, entschied sich das Team von Nawalny, dass vom Ausland aus arbeitet, die Wahl von Direktkandidaten von Oppositionsparteien zu empfehlen. Ob diese eine kommunistische, liberale oder rechtspopulistische Richtung vertreten, spielte keine Rolle. Einziges Kriterium, damit man auf die Liste von „Kluges Wählen“ kam: Der Kandidat musste bekannt und in der Lage sein, ein sehr gutes Ergebnis gegen einen Bewerber der Regierungspartei Einiges Russland einzufahren.“

hieß es im Freitag.

Jeweils etwa 7,5 Prozent fielen auf die Nationalisten von der Liberaldemokratischen Partei und die Sozialdemokraten vom »Gerechten Russland«. Den Sprung ins Parlament schaffte auch die wirtschaftsliberale Partei »Neue Menschen« (besser vielleicht als »Neue Gesichter« übersetzt). Kritiker bezeichneten diese Partei zuvor, als eine vom Kreml inszenierte »Spoilerpartei«, deren Aufgabe angeblich dazu dient, im Wählerreservoir von Alexej Nawalny zu fischen.

„Was bedeutet das konkret für mich!?"

Sicher bleibt auf jeden Fall, dass mit den russischen Kommunisten weiter zu rechnen ist, auch wenn man sich im Westen der naiven Hoffnung hingibt, irgendwelche Kandidaten, die zwischen der Ostsee und dem Pazifik kaum Rückhalt haben - von einigen urbanen Intellektuellen einmal abgesehen - als Opposition zu Putins Regierungsapparat aufbauen zu können.

Diese Partei ist die eigentliche Oppositionspartei von einer gewissen Relevanz, was in einer Nach-Putin-Ära erst recht deutlich werden dürfte. Die Partei positioniert sich inzwischen sehr stark gegen Putin und seine Partei, womit sie auch nichtkommunistische Milieus und Wähler erreicht.

Gennadi Sjuganow, der Chef der Kommunisten Russlands, ließ nach dem Urnengang verlautbaren:

"Warum war das »Einige Russland« unser Hauptkonkurrent und diesmal sogar Gegner? Weil diese Partei schon 20 Jahre lang eine für Russland absolut tödliche Politik verfolgt. (…) Die Gesetze, die sie verabschieden, bringen unser Land unter die Erde und verurteilen es zum Aussterben. (…) Allein in den letzten zwei Jahren haben wir zwei Millionen Bürger verloren, in diesem Jahr werden es nochmals 800.000 sein. (…) Seit dem Putsch Jelzins hat Russland 50 Millionen Menschen verloren, zweimal mehr als im Großen Vaterländischen Krieg."

„Anmaßung“ lautet der Titel des neuen Buches von Alexander Rahr. Im Interview mit dem Verfasser dieses Beitrages erläutert Rahr, wie Deutschland sein Ansehen bei den Russen verspielt: Wie Deutschland sein Ansehen bei den Russen verspielt - Prof. Dr. Alexander Rahr im Interview

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