Ein bemerkenswertes Gefälle zwischen Wählern und Gewählten

Am Beispiel Reinhard Bütikofers, des grünen Langzeitpolitikers - beziehungsweise an dessen beruflicher Laufbahn - lässt sich diese Metamorphose aufschlussreich analysieren. Auf Bütikofers Homepage heißt es:

Reinhard Bütikofer wurde 1953 in Mannheim geboren und wuchs zunächst in Ludwigshafen, später in Speyer auf. 1969/70 verbrachte er ein Jahr in Kenosha, Wisconsin, USA. Nach dem Abitur am Staatlichen Altsprachlichen Gymnasium Speyer studierte er ab 1971 in Heidelberg Philosophie, Geschichte, Alte Geschichte und zeitweise Sinologie. Einen Studienabschluss machte er nicht."

Studienabbrecher sind unter grünen Spitzenpolitikern keine Seltenheit. Claudia Roth und Kathrin Göring- Eckardt stehen exemplarisch dafür, dass man auch ohne akademische Weihen bis in die höchsten Ämter gelangen kann. Das Beispiel Joschka Fischers sogar dafür, dass man ohne überhaupt eine berufliche Ausbildung Bundesaußenminister werden kann.

Diese Fakten kann man als eine Art Wunder interpretieren, eine Art bundesdeutscher Traum, vom Taxi-Fahrer zum Spitzenpolitiker, aber auch ein Wunder deshalb, weil die Wähler der Grünen, inzwischen zu den formal höchstgebildeten Segmenten unserer Gesellschaft gehören und den höchsten Anteil von Akademikern aufweisen.

Die "Verbürgerlichung" der Grünen ist daran ablesbar, dass ihre Wähler nicht nur über die höchsten Bildungsabschlüsse verfügen, sondern auch überdurchschnittlich verdienen.

Wahlergebnisse und Wählerschaft der GRÜNEN | Parteien in Deutschland | bpb

Blick in Bütikofers Vergangenheit

Bleiben wir noch einmal bei Reinhard Bütikofer. Auf der erwähnten Homepage ist weiter zu lesen:

Zum ersten Mal wurde Bütikofer 1973 als Studierendenvertreter gewählt. Er leistete Zivildienst am Heidelberger Klinikum. Er schloss sich der Kommunistischen Hochschulgruppe (KHG), später dem Kommunistischen Bund Westdeutschland (KBW) an. Er war studentischer Vertreter in Fachschaft, AStA, Fakultätskonferenz, Kleinem und Großem Senat und Verwaltungsrat der Universität Heidelberg. Er war in den 70er Jahren aktiv in der Gesellschaft für Deutsch-Chinesische Freundschaft (GDCF).

Interessant, in den 1970er Jahren war Bütikofer Mitglied der sogenannten K-Gruppen, weshalb er wahrscheinlich wenig Zeit für sein Studium hatte. Diese K-Gruppen waren maoistisch geprägt, vertraten also die Ideologie der Volksrepublik China in den 1970er Jahren vehement. Daher wohl auch die Mitgliedschaft Bütikofers in der Deutsch-Chinesischen Freundschaft, die damals ideologisch auf dem Kurs von Mao war.

Vom Mao-Anhänger zum China-Kritiker

Aber das ist lange her, wobei Reinhard Bütikofer das Thema China bis heute nicht loslässt. Seit rund 36 Jahren ist Bütikofer bei den Grünen und vertrat diese Partei bisher in Kommunalparlamenten, als Landtagsabgeordneter, als Bundestagsabgeordneter, sowie als Mitglied des Europäischen Parlaments, wie aktuell immer noch.

Mit China beschäftigt sich der Langzeitpolitiker heute in einer etwas modifizierten Form. Während er zu Maos-Zeiten, dessen Herrschaft Millionen Chinesen das Leben kostete, ein glühender Anhänger der Volksrepublik war, ist Bütikofer heute zu einem scharfen China-Kritiker mutiert, der den phänomenalen Aufstieg dieses Landes zusammen mit US-Politikern bekämpft. Auf dem Informationsportal German Foreign Policy ist dazu zu lesen:

Politiker von Bündnis 90/Die Grünen spielen eine führende Rolle in einem neuen, gegen China gerichteten Zusammenschluss transatlantischer Parlamentarier. In der am Freitag gegründeten Inter-Parliamentary Alliance on China (IPAC), der bislang Abgeordnete aus zwölf Parlamenten angehören, gelten antichinesische US-Hardliner - Marco Rubio, Bob Menendez - als treibende Kräfte. Offizielles Vorhaben der Organisation ist es, die Herausbildung einer gemeinsamen westlichen Chinapolitik zu forcieren. Als konkretes Ziel zeichnet sich eine Durchsetzung der US-Sanktionspolitik gegen Beijing auch in Europa ab. Dazu mobilisiert die IPAC dort, wo die nationalen Regierungen sich Sanktionen noch verweigern, Parlamentsabgeordnete. Die Gründung einer derartigen Parlamentarier-Pressure Group hatte der Grünen-Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer schon im Februar am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz vorgeschlagen; nun amtiert er als IPAC-Ko-Vorsitzender. Die Organisation, die auch die Entwicklung von "Sicherheitsstrategien" gegen China fordert, hat einen Ex-CIA-Spezialisten in ihrem Beirat.

Linksliberale Milieus und transatlantisches Denken

Reinhard Bütikofer ist nur einer von vielen Grünen Spitzenpolitikern, die als beste Partei im deutschen Parteienspektrum agieren - als beste Partei für transatlantisches Denken und NATO-Zugehörigkeit. Das Ziel, linksliberale Milieus mit einer transatlantischen Grundüberzeugung auszustatten, wird weiter forciert.

Die Heinrich-Böll-Stiftung beispielsweise, wie auch der Think Tank Libmod („Zentrum liberale Moderne“), arbeiten unentwegt daran, ökologisch-progressive Milieus transatlantisch fest einzubinden - vor allem außenpolitisch, wie der Schwerpunkt der veröffentlichten Beiträge und Programmschwerpunkte verdeutlicht. Derartiges war in früheren pazifistischen Grünen-Milieus lange Zeit undenkbar.

Zu einer Zeit, in der selbst klassische transatlantische Lobbyisten und Parlamentarier aus Union, SPD, FDP und Medien seit der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA ermüdet und ernüchtert erscheinen, haben die Grünen den leuchtenden Pfad der deutsch-amerikanischen Freundschaft neugestaltet. Der außenpolitische Sprecher der Grünen - Omid Nouripour - scheint von Außenpolitik nicht viel zu verstehen, denn er äußerte, man dürfe "nicht unterschätzen, was für eine stabilisierende Wirkung" das Militärbündnis "auch für den Zusammenhalt Europas" habe.

Ob Herr Nouripour schon von den Spannungen im östlichen Mittelmeer gehört hat, zwischen den NATO-Staaten Griechenland und Türkei, ist ebenso ungewiss, wie die Frage, ob alle NATO-Staaten denn jene Agenda verinnerlicht haben, welche die deutschen Grünen innenpolitisch propagieren?

Grüne Sorgen bezüglich abnehmender US-Begeisterung unter den Deutschen!

Trotz der „negativen Erfahrungen“ mit US-Präsident Trump stehe "die US-Demokratie ... uns immer noch unendlich viel näher als Chinas totalitäres System", erklärte Reinhard Bütikofer, der sich ja mit dem totalitären Regime Maos bestens auskennt, anscheinend aber weniger mit der heutigen VR-China, wobei er übersieht, dass der ökonomische Druck heute eher von unserem Verbündeten Washington ausgeht, als von Peking, wo laut führender deutscher Wirtschaftsvertreter die Absatzmärkte der Zukunft liegen.

Aber so genau möchte man es dann doch nicht wissen, was die ökonomischen Interdependenzen angeht. Viel lieber bleibt man bei den seichten Themen, in grünennahen Publikationen, wobei die Sorge umgeht, die Amtszeit Donald Trumps könnte der transatlantischen Ideologie nachhaltig schaden. 

„Die transatlantischen Beziehungen seien "stark genug, um vier Jahre Belastung zu überstehen", heißt es in der aktuellen Printbroschüre "Böll.Thema"; "doch wenn es auf unbestimmte Zeit so weitergeht", dann "werden sie irgendwann nicht mehr zu retten sein": "Das darf nicht geschehen."

Um dem entgegenzuwirken, plädiert die Stiftung dafür, "ein eingeengtes USA-Bild" zu "erweitern und (zu) verändern". Mit Blick auf ihr Zielpublikum porträtiert sie gezielt Bewegungen in den Vereinigten Staaten, "die sich für Vielfalt, Geschlechtergerechtigkeit, Klimaschutz und strengere Waffengesetze einsetzen".

Viel Raum wird in "Böll.Thema" ökologischen, feministischen und antirassistischen US-Initiativen gewidmet. Es gebe "eine neue Generation von Transatlantiker*innen - eine, die jünger und weiblicher ist und die Pluralität unserer Einwanderungsgesellschaften widerspiegelt", schreibt die Grünen-Stiftung: "Die USA sind anders, als wir oftmals denken!"

Das ist sicherlich richtig, weshalb man auch darauf achten sollte, dass nicht irgendwann das Interesse der USA an Europa abnimmt und unser Kontinent sicherheitspolitisch alleine und erbärmlich dasteht, denn diese Stimmen gibt es in den USA auch.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Während transatlantische Kreise in der Bundesrepublik eine immer aggressivere Politik gegenüber Moskau und Peking propagieren, bei gleichzeitiger Nibelungentreue zu den USA, kam eine im Mai von der Hamburger Körber Stiftung publizierte Umfrage zu dem Ergebnis, der Umgang der Trump-Administration mit der Covid-19-Pandemie habe die Meinung von insgesamt 73 Prozent der Bevölkerung bezüglich der USA klar "verschlechtert".

Befragt, ob sie enge Beziehungen der Bundesrepublik zu den Vereinigten Staaten oder zu China für wichtiger hielten, sprachen sich 37 Prozent für Washington, 36 Prozent hingegen für Peking aus. Ein Jahr zuvor hatten noch 50 Prozent enge Beziehungen zu den USA favorisiert und nur 24 Prozent enge Beziehungen zu China.

Die Ergebnisse der Untersuchung riefen im Frühjahr größere Aufmerksamkeit hervor. Die Grünen propagieren hier eine Außenpolitik, die weder den geopolitischen Realitäten, noch die Wünsche eines Großteils der Bevölkerung widerspiegeln. Der Umstand, dass dies nicht an den guten Umfragewerten kratzt, liegt in der Tatsache begründet, dass die Grünen medial eher durch sogenannte Wohlfühlthemen im Bereich der inneren Umwelt- und Gesundheitspolitik wahrgenommen werden.

Sollte es zu einer schwarz-grünen Koalition auf Bundesebene kommen, im nächsten Jahr, kann es diesbezüglich zu einer großen Ernüchterung kommen und zu weiteren weltpolitischen Spannungen.    

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