Verschiedene Welten – was die Barzahlung angeht

Bei der Rückkehr von einem Trip nach Griechenland fühlt man sich in Deutschland oft zunächst wie in einer anderen Welt. Bei kleineren Einkäufen in Deutschland gibt es „schiefe Blicke“ wenn mit Karte, statt mit Bargeld bezahlt werden soll. Zudem funktionieren in Deutschland nicht alle Karten als Zahlungsmittel. Am 14. Mai 2023 wurde im Krönungssaal des Aachener Rathauses, der ehemaligen Kaiserpfalz, der Internationale Karlspreis zu Aachen verliehen. Preisträger war der Präsident der Ukraine Wolodymyr Selenskyj. Das Ereignis lockte viele internationale Journalisten und Fotografen an.

Zufällig erlebte ich, wie ein Kollege aus Belgien nach getaner Arbeit an dem Kassenautomaten des Parkhauses am Aachener Eurogress-Kongresszentrum zahlen wollte. Wollte, weil seine Karte „einer ausländischen Bank“, wohlgemerkt aus einem EURO-Staat, nicht akzeptiert wurde. Die gleiche Aufschrift an den automatischen Kassensystemen findet sich auch andernorts, zum Beispiel am Parkplatz des Aachener Universitätsklinikums, dass nur einen Steinwurf entfernt von der deutsch-niederländischen Grenze liegt.

Die bargeldlose Bezahlung funktioniert in Deutschland, aber auch im benachbarten Belgien nicht immer. Der wohlfrequentierte Schnellimbiss auf der belgischen Seite im Grenzort Lichtenbusch bei Aachen schafft die Kartenzahlung ab. Zu oft hakte das System, während sich im Ladenlokal lange Schlangen bildeten. „Wie gut, wenn man da Bargeld hat“, lautet die Erkenntnis.

Nicht so in Griechenland. Bargeld gilt als anrüchig und dient als Verdachtsmoment für Steuerhinterziehung. Alle Selbstständigen und Freiberufler müssen über ein bargeldloses Zahlungsterminal verfügen. Das bedeutet, dass die Kosten für die Zahlungssysteme und deren Anbindung an eine Bank als monatliche Belastung einkalkuliert werden müssen. Dass dies selbst auf Fotojournalisten zutrifft, die fest-frei an einen einzigen Arbeitgeber gebunden sind, hat im griechischen Finanzministerium niemand zum Nachdenken angeregt.

Es gibt Produkte, wie Zeitungen und Zigaretten, bei denen die Geschäftsinhaber bei der bargeldlosen Bezahlung draufzahlen, weil ihre Gewinnmarge geringer ist als die prozentual auf den Verkaufspreis erhobenen Bankgebühren. Da kann es dann schon passieren, dass Kioskbesitzer bei kleinen Einkäufen bei ihnen bekannten Kunden freundlich nachfragen, ob sie denn auch eine Servicegebühr von 10 Eurocent für die Kartenzahlung der Sonntagszeitung erheben dürfen. Bei fremden Kunden kommt dagegen gern die Ausrede, „ach, das Zahlungsgerät ist leider gerade kaputt, wollen Sie später noch einmal vorbeikommen?“

Auf der anderen Seite sind Bargeldabhebungen für ausländische Verbraucher teuer. Zu den normal anfallenden Gebühren für das Benutzen eines nicht zur eigenen Hausbank gehörenden Automaten in Höhe von fünf Euro kommen weitere, von den griechischen Zahlungsinstituten verlangte Gebühren von rund drei bis fünf Euro hinzu. So ist es nachvollziehbar, dass der Gang zum Geldautomaten gern vermieden und die Kartenzahlung bevorzugt wird.

Sozialzahlungen des Staates werden auf „elektronische virtuelle Kreditkarten“ eingezahlt. Bei diesem Konstrukt handelt es sich um ein virtuelles Geldkonto, das mit dem Steuerkonto der natürlichen Personen verbunden ist. Alle Zahlungen mit diesem Geldkonto sind für das Finanzamt vollständig nachvollziehbar. Der Fiskus kann auf Knopfdruck ermitteln, wofür und in welchem Geschäft die staatlichen Beihilfen ausgegeben wurden. Immer mehr Sozialgelder werden nur auf diese virtuellen Konten gezahlt. Ansonsten gilt, dass die Überweisung auf ein Bankkonto nur mit erheblichen Abschlägen möglich ist.

Unwirksame Immobilienkäufe

Die Einschränkung der Möglichkeit Bargeld zu benutzen, dient nach Ansicht der Regierung dazu, Geldwäsche und Steuerhinterziehung zu bekämpfen. Gemäß der amtlichen Statistik wurden 2022 insgesamt 338.511 Immobilienverkäufe registriert. Bei 42.613 davon wurde der gesamte Kaufpreis bar bezahlt, in 41.741 Fällen gab es die Barzahlung eines Teilbetrags. Das ist nun nicht mehr möglich.

Es gibt eine Übergangsfrist für Vorverträge, die für die Zeit vor der Gültigkeit des neuen Gesetzespakets abgeschlossen wurden. Ansonsten sind sämtliche Immobilienkäufe, bei denen teilweise oder komplett mit Bargeld gezahlt wurde, rechtsunwirksam. Gleichzeitig wird in solchen Fällen ein happiges Bußgeld verhängt.

Dieses betrifft nicht nur Käufer und Verkäufer, sondern alle in einen Immobilienkauf verwickelten Personen. Notare, Hypothekengläubiger und Verwalter von Grundbuchämtern sind haftbar, wenn sie gegen ihre Pflicht verstoßen, einen erkennbar - in Gänze oder teilweise - mit Bargeld vorgenommenen Immobilienkauf abzuwickeln. Die Geldbuße wird dabei auf zehn Prozent des bar bezahlten Verkaufspreises oder Preisanteils festgelegt, darf aber den Betrag von 10.000 Euro als Mindeststrafe nicht unterschreiten. Als Maximalstrafe wurden 500.000 Euro festgelegt. Die Geldbußen werden für jeden einzelnen Verstoß verhängt. Was im Zweifel „erkennbar“ ist, darüber werden in Zukunft Gerichte entscheiden müssen.

In der Praxis könnte es zahlreiche Rechtsunsicherheiten geben. Was, wenn beim gerade vollzogenen Vertragsabschluss, der online über das myProperty Programm auf der staatlichen Internetpräsenz per Mausklick notariell zertifiziert wurde, Käufer oder Verkäufer nebenbei eine Vorzahlung von 2.000 Euro bar erwähnen? War es vor dem Klick? Ist der Verkauf rechtswirksam? Werden dem Notar nun 10.000 Euro Geldbuße aufgebrummt?

Die EZB zeigt sich überhaupt nicht begeistert

Am 27. Oktober 2023 hatte das griechische Finanzministerium wegen des Verbots der Bargeldgeschäfte bei Immobilienverkäufen eine Anfrage an die Europäische Zentralbank (EZB) geschickt. Die griechische Wirtschaftszeitung Naftemporiki veröffentlichte exklusiv in griechischer Übersetzung die Antwort der EZB, die von der Zentralbankchefin Christine Lagarde unterzeichnet wird.

Zusammengefasst zeigt sich die EZB wenig begeistert vom griechischen Vorstoß. Sie äußerte Bedenken hinsichtlich des Verbots der Verwendung von Bargeld bei Käufen und Verkäufen und betont, dass es zweifelhaft sei, ob die konkrete Maßnahme zur Erreichung des beabsichtigten Zwecks geeignet sei.

Im Schreiben wird darauf hingewiesen, dass seitens der griechischen Regierung keine Beweise dafür geliefert wurden, dass Immobilienkäufe, unabhängig von ihrem Wert, zur Steuerhinterziehung und/oder Geldwäsche genutzt werden. Es würde weiterhin auch nicht erläutert, wie die Durchsetzung von Bankzahlungen wirksam Schattenwirtschaftsphänomene eindämmen, oder den zuständigen Behörden die Aufdeckung von Fällen von Steuerhinterziehung und/oder Geldwäsche erleichtern würde.

Die EZB verwies in ihrer Antwort auf die Bedeutung von Bargeld als krisensicheres, Anonymität garantierendes und allen sozialen Schichten zur Verfügung stehendes Zahlungsmittel. Eine Einschätzung, die auch in der Handreichung der EZB zum Thema Bargeld steht und die online abgerufen werden kann.

Das Antwortschreiben der EZB beschäftigt sich zudem mit einem Extrembeispiel zur Widerlegung der Thesen des griechischen Finanzministeriums. Beim hypothetischen Fall des Verkaufs eines kleinen, preiswerten Abstellplatzes in einem entlegenen Dorf ohne lokale Bankpräsenz sieht die Zentralbank viele Probleme durch das neue griechische Gesetz.

Statt sich auf das Bargeldverbot zu konzentrieren, solle die griechische Regierung doch lieber der offensichtlichen Steuerhinterziehung bei der Umsatzsteuer Herr werden, raten die Währungshüter. Ein totaler Verzicht auf Bargeld würde in Krisenzeiten und bei Systemausfällen den Zahlungsverkehr gefährden, warnt die EZB.

Für die griechischen Bürger lieferte die Regierung kurz nach dem Steuergesetz (Gesetz 5073/2023) einen weiteren Bürokratieabbau als Trostpflaster. Als Clou wird ab dem 1. Januar 2024 der Hausverkauf, früher mit dem Arbeitsaufwand mehrerer Amtsbesuche und unzähliger Anträge verbunden, im „One-Stop“-Verfahren mit einem neuen digitalen KI-Assistenten an nur einem Tag online erledigt.

Die lernfähige KI-Assistenz des griechischen Staats mit dem Namen mAIgov wurde am Dienstag vorgestellt. Sie kann jetzt schon in der Einführungsphase 250 Bürgeranfragen pro Minute beantworten und bei 1.610 angeschlossenen digitalisierten öffentlichen Dienstleistungen sowie 3.270 digitalisierten Verwaltungsvorgängen geduldig Hilfestellung leisten. Nach der Einführungsphase soll die Kapazität vervielfacht werden.

„Was heißt das konkret für mich!?“

Im Text erfahren die Leser, fern von den Sorgen rund um das „Ampel-Chaos“, warum und wie der griechische Staat Bargeldzahlungen bei Immobiliengeschäften verboten hat und welche Folgen bei Verstößen drohen. Interessant ist die Stellungnahme der EZB, die sich dem griechischen Vorstoß - zumindest öffentlich - kritisch gegenüberstellt und die Vorzüge des Bargelds hervorhebt. Für Freunde des Schutzes der persönlichen Daten und Gegner des „gläsernen Bürgers“ dürfte Griechenland als potenzielles Auswandererland trotz des guten Klimas nun weniger interessant werden. Weiter stellt sich die Frage, ob Griechenland hier als Blaupause für weitere EU-Mitglieder dienen soll.

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