Der Vorsitzende der Oppositionspartei PASOK, der EU-Parlamentarier Nikos Androulakis, suchte in der vergangenen Woche, am 26. Juli, den Areopag, Griechenlands oberstes Strafgericht auf. Er erstattete Anzeige, weil EU-Sicherheitsbehörden (Computer Emergency Response Team - CERT) herausfanden, dass es einen Versuch gab, Androulakis‘ Mobiltelefon mit der Spionagesoftware Predator zu infizieren. Der Lauschangriff fand im vergangenen November statt, als sich Androulakis um den Vorsitz seiner Partei bewarb.

Lauschangriff auf einen Oppositionspolitiker

Die EU-Behörden fanden bei der Überprüfung des Telefons eine SMS mit einem verdächtigen Link. Androulakis hatte diesen nicht angeklickt und so eine Infektion des Telefons verhindert. Die Predator-Software ist keines der Werkzeuge, mit denen normale Internet- oder Mobilfunknutzer ausgespäht und zu Schaden gebracht werden. Es handelt sich um ein teures System, welches gemeinhin von Geheimdiensten eingesetzt wird. Nicht zuletzt deshalb war die Aktion gegen Androulakis auch der New York Times eine Reportage wert.

Androulakis war von seinen Mitarbeitern dazu gedrängt worden, das Telefon überprüfen zu lassen. Er erfuhr das Ergebnis der Untersuchung bereits Ende Juni. Mit der Predator Software der Firma Cytrox wird ein Mobiltelefon vom Angreifer komplett kontrolliert. Potenzielle Predator-Kunden wurden vom Citizen Lab in Armenien, Ägypten, Griechenland, Indonesien, Madagaskar, Oman, Saudi-Arabien und Serbien gefunden. Das Citizen Lab ist ein interdisziplinäres Labor an der Munk School of Global Affairs & Public Policy, University of Toronto, das sich auch auf die Erforschung von Spyware spezialisiert hat.

Kein Einzelfall in Griechenland

Der Lauschangriff auf Androulakis ist in Griechenland kein Einzelfall, weder hinsichtlich der politischen Dimension noch in Bezug auf die eingesetzten technischen Mittel. Seit 2016, noch unter der Regierung von Alexis Tsipras, beklagt die kommunistische Partei des Landes, die KKE, dass ihre Telefone regelmäßig abgehört werden. Obwohl die Partei mit den Befunden technischer Prüfer an die Öffentlichkeit und auch ins Parlament ging, gab es keinerlei Konsequenzen.

Bereits im April 2022 wurde öffentlich, dass das Mobiltelefon des investigativen Journalisten Thanassis Koukakis mit Predator infiziert worden war. Alle Anzeichen deuteten seinerzeit auf den griechischen Geheimdienst EYP. Koukakis ist Finanzexperte und war auf der Spur von Geldwäscheaktionen von Banken.

Eine zur Intransparenz verurteilte „unabhängige“ Transparenzbehörde

Er hatte bereits im August 2020 bemerkt, dass er abgehört wurde. Seinerzeit wandte er sich an die Hellenic Authority for Communication Security and Privacy (ADΑΕ), eine nominell regierungsunabhängige Behörde. Diese informierte ihn rund ein Jahr später, dass er tatsächlich abgehört wurde. Damit hätte das Abhören eigentlich enden sollen.

Einige Monate später wurde dann die Spyware Predator auf seinem Telefon gefunden. In der Zwischenzeit hatte die Regierung von Kyriakos Mitsotakis im Parlament eine Gesetzesänderung absegnen lassen, welche es der unabhängigen Behörde verbot, Bürger auch nach dem Ende von Abhöraktionen über das Abhören zu informieren, wenn Gründe „nationalen Interesses“ vorliegen würden.

Ein interessantes Detail der Fälle Koukakis und Androulakis ist, dass beide eine SMS erhielten, die auf den exakt gleichen, präparierten Link weiterleitete. Die Adresse des Links war einem griechischen Nachrichtenblog mit Justizthemen zum Verwechseln ähnlich. Auch aus diesem Grund postulieren die Oppositionsparteien, dass derjenige, der hinter der Abhöraktion gegen den Journalisten steckt, auch Androulakis im Visier gehabt haben muss.

Es mag müßig sein, darüber zu diskutieren, welche Gründe nationalen Interesses durch die Erforschung von Geldwäsche durch private Banken tangiert werden. Fakt ist, dass der Premierminister Kyriakos Mitsotakis sich direkt nach seinem Amtsantritt den Geheimdienst per Präsidialdekret persönlich unterstellte. Er trägt somit vollumfänglich die politische Verantwortung für dessen Aktivitäten. Tatsache ist auch, dass die Regierung für den Geheimdienst 2020 eine Spionagesoftware erwarb. Welche, ob Predator oder das Konkurrenzprodukt Pegasus, das wurde nicht bekanntgegeben.

Lügen haben kurze Beine

Laut dem Regierungssprecher Giannis Oikonomou ist es keine von beiden. Dies jedenfalls behauptete er im April beim Briefing als er zur Causa Koukakis befragt wurde.

In Anbetracht des Lärms und der Diskussion über die berüchtigte Software, die das Licht der Welt erblickt hat und die von Herrn Koukakis erwähnt wurde, ist klar, dass die griechischen Behörden diese Art von Software nicht verwenden. Das bedeutet, dass sie keine Geschäfte mit dem Unternehmen haben, das solche Software herstellt oder liefert“, sagte er wörtlich.

Zudem bemerkte er, „was die Regierung betrifft, wäre es für mich und die Regierung äußerst problematisch zu wissen, ob das, was Sie sagen, wahr ist.“ Oikonomou gab sich gegenüber den fragenden Journalisten ahnungslos und bestritt, dass die Regierung irgendeine Kenntnis von Abhöraktionen gegen Koukakis habe. Oikonomou erklärte damals, dass private Firmen hinter der Abhöraktion gegen den Journalisten stecken müssten. Diese Aussagen sind alles andere als „gut gealtert“.

Dass sie widerlegt wurden, ist nicht das Ergebnis des Protests der Journalistenverbände und Oppositionsparteien. Auch die Justiz, an die Oikonomou Koukakis verwies, konnte nichts zur Aufklärung beitragen. Es waren die eigenen Schlapphüte, die den Regierungssprecher Lügen straften.

Ein gesprächiger Schlapphut

Androulakis verlangte forsch die Aufklärung des Abhörversuch gegen ihn. Bereits am Freitag wurde eine Sondersitzung des Ethikrates des Parlaments einberufen. Dieser verlangte vom Geheimdienst Aufklärung. Die Sitzung fand hinter verschlossenen Türen statt. Die teilnehmenden Parlamentarier wurden vereidigt, ihr Wissen lebenslang geheim zu halten.

Noch während der Sitzung sickerten „Quellen“ bei allen Parlamentsparteien durch. Schließlich schrieben alle griechischen Zeitungen unisono, dass der Direktor des Geheimdienstes, Panagiotis Kontoleon im Kreuzfeuer der Befragung durch die Oppositionsparlamentarier zugab, dass die EYP den Journalisten abgehört habe. Laut Kontoleon sei dies „im Auftrag ausländischer Nachrichtendienste“ geschehen. Trotz des Redaktionsschlusses am Freitag war die Abhöraktion gegen Androulakis Coverthema aller Sonntagszeitungen, auch der regierungsnahen Kathimerini.

„Was heißt das für mich konkret!?“

In einem normalen Staat würde man Konsequenzen erwarten. Nicht so in Griechenland. Hier geht die Regierung in die Offensive und wirft den gesprächigen Oppositionspolitikern Geheimnisverrat vor. Es bleibt spannend.

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