Banken sind im Allgemeinen nicht dafür bekannt, dass sie ihren Kunden Geld schenken, oder freiwillig auf ihnen zustehende Forderungen verzichten. Eben dies geschieht aktuell in Griechenland, wo die Banken gemeinsam beschlossen haben, unabhängig von der weiteren Entwicklung des EZB-Leitzinssatzes für mindestens zwölf Monate die Kreditzinsen auf konstantem Niveau zu halten.

Ein weiteres Geschenk gibt es für pünktliche Zahler. Sie erhalten einen weiteren Bonus von 0,2 Prozent Minderung des Zinssatzes ihres Kredits. Rund eine halbe Million Schuldner mit variablem Zinssatz können aufatmen. Zumindest für ein Jahr hängt ihre Kreditrate nicht mehr von der Zinsspirale ab. Die Banken taxieren ihre Maßnahme auf knapp 200 Millionen Euro.

Für Kreditnehmer bedeutet dies, dass der 1-Monats-Euribor bei 2,7 % (ab 2,915 %), der 3-Monats-Euribor bei 2,85 % statt 3,038 % und der variable EZB-Zinssatz bei 3,3 % statt 3,5 Prozent festgelegt sind. Der griechische Zentralbankchef Yannis Varoufakis sagte im Interview im staatlichen Fernsehen ERT vorher, dass die Europäische Zentralbank die Zinsen weiter anheben wird. Stournaras erwartet eher mittelfristig einen Stopp des Zinsanstiegs.

Die Kreditverträge müssen nicht extra angepasst werden. Kreditnehmer werden automatisch in das Programm aufgenommen, ohne dass ein einzelner Kreditnehmer etwas unternehmen muss. Die Aktion der Banken läuft als Bonusprogramm und gilt ab Mai 2023. Das Bonusprogramm wirkt nur auf den Referenzzinssatz, der im jeweiligen Kreditvertrag des jeweiligen Kreditnehmers vorgesehen ist. Die individuell vereinbarte Marge (Spread), die auf den Referenzzinssatz aufgeschlagen wird, bleibt davon unberührt.

Es gibt einige Voraussetzungen:

•    Der Kredit muss ganz oder teilweise bis 31. Dezember 2022 ausgezahlt worden sein.
•    Am 28. April 2023 müssen die Schuldner nicht mit ihren Zahlungen im Rückstand sein.
•    Während der gesamten Dauer des Programms darf der Kredit nicht als überfällig eingestuft werden. In der Praxis tritt die Überfälligkeit ein, wenn drei Raten nicht beglichen wurden.
•    Bei einer Reduktion der variablen Referenzhypothekensätze werden automatisch die Kreditzinsen auf Basis des reduzierten Zinssatzes verrechnet. Die Kreditnehmer profitieren daher in vollem Umfang von einer Reduzierung der variablen Referenzzinssätze.

Die Entlastung der Kreditnehmer erfolgte, weil viele wegen der seit Juli 2022 steigenden Zinsen und der gleichzeitig hohen Inflation nicht mehr in der Lage sind, ihre Kreditraten pünktlich zu bezahlen.

Im Musterbeispiel, das die griechischen Medien gern zitieren, hat sich für einen Hypothekenkredit über 100.000 Euro, mit einer Laufzeit von zwanzig Jahren und einer monatlichen Rate von 535 Euro, die Rate um 160 Euro erhöht. Jährlich muss für den Musterkredit eine Summe von 1920 Euro zusätzlich aufgebracht werden. Somit müssen effektiv pro Jahr mehr als drei zusätzliche Raten der Vorkrisenzeit gestemmt werden. Die zusätzliche Belastung entspricht ungefähr drei monatlichen Nettogehältern bei Vollzeitbeschäftigung und Mindestlohn.

Die Banken haben nicht plötzlich ihren Sinn für soziale Wohltaten entdeckt. Dadurch, dass sie einen erneuten Anstieg der faulen Kredite in Zaun halten, schützen sie ihre eigene Kapitalbasis. Dies sieht auch die Ratingagentur Fitch so, die lediglich anmahnt, dass das Programm zeitlich nicht weiter ausgedehnt werden sollte.

Während der Periode des Staatsbankrotts hatten Steuererhöhungen, Lohnkürzungen und die Einführung neuer Abgaben zahlreiche Kreditnehmer überfordert. Ihre Kredite wurden faul und belasteten die Bücher der Banken. Der Großteil dieser faulen Kredite wurde zu einem Bruchteil des Nominalwerts an Fonds verkauft. Hypothekendarlehen in Höhe von rund 21,4 Milliarden Euro wurden von den Fonds aufgekauft. Die Regierung steht bereits in Verhandlungen mit den Kreditverwaltungsgesellschaften über die Teilnahme der Fonds am Programm zum Moratorium der Zinserhöhungen für Wohnungsbaudarlehen.

Zusätzlich zum Bankenprogramm läuft seit Anfang April ein staatliches Programm zur Unterstützung gefährdeter Haushalte. Der Fiskus übernimmt dabei 50 % der Erhöhung der monatlichen Rate von Wohnungsbaudarlehen mit Stichtag 30.6.2022 und für einen Zeitraum von 12 Monaten. Die für die Aufnahme ins Regierungsprogramm relevanten Einkommens- und Vermögenskriterien sollen nun um dreißig Prozent erhöht werden.

Parallel dazu gibt es ein Wohnungsprogramm für junge Paare und kinderreiche Familien zum Erwerb preiswerten Wohnraums. Kinderreiche Familien mit drei Kindern und mehr erhalten zinslose Darlehen. Einkommensschwache Paare bekommen ihre Kredite zu 75 Prozent zinslos. Maximal können 150.000 Euro Kredit beantragt werden.

Für die jüngste zehnjährige Staatsanleihe, die in der vergangenen Woche gezeichnet wurde, zahlt der Staat 4,31 Prozent Zinsen. Auch der Staat braucht Geld, versucht jedoch gleichzeitig, die Steuerzahler finanziell am Leben zu halten. Erneut wurde ein Programm beschlossen, mit dem säumige, oder überforderte Steuerzahler ihre Schuld in 36 bis 72 Monatsraten begleichen können, wenn sie am 1. November 2021 noch nicht als säumige Zahler registriert waren oder überfälligen Schulden zur Gänze auf rechtmäßige Weise durch Zahlungseinstellung oder Teilzahlungsregelung aufgrund von Gesetz, Gerichtsbeschluss, einstweiliger Verfügung oder Entscheidung einer Verwaltungsbehörde geregelt hatten. Letzteres betrifft die Gescheiterten eines ähnlich gelagerten Schuldenprogramms über 72 – 120 Monatsraten, mit denen der Staat zum Ende der 2010er Jahre die Folgen der Staatspleite abmildern wollte. Darüber hinaus müssen alle Einkommensteuererklärungen der letzten fünf Jahre eingereicht worden sein und es darf keine rechtskräftige Verurteilung wegen Steuerhinterziehung oder Schmuggel vorliegen.

Im Text erfahren die Leser wie griechische Banken und der Staat versuchen, die Pleite der Bürger abzuwenden. Es handelt sich um ambitionierte Programme, die nur gelingen können, wenn die Krise nicht zu lange dauert.

Gleichzeitig sind diese Programme an sich ein Alarmsignal...