Eine Momentaufnahme

„Die Banken sind abgesichert“ ist auch in Griechenland die Standartantwort von Politik und Bankern auf die aktuelle Bankenkrise. So sagte es auch Griechenlands Notenbankchef YannisStournaras gegenüber dem Handelsblatt.

Im entsprechenden Beitrag im Handelsblatt wird eingeräumt, dass die Kernkapitalquote der griechischen Banken von 13,2 Prozent die Mindestanforderungen erfüllt. Allerdings stecken im Eigenkapital zu 63 Prozent Steuergutschriften aus Verlustvorträgen. Die Banken wurden mit dieser Kompensationsleistung nach dem Schuldenschnitt von 2012 gerettet. Doch wie steht es wirklich um die griechischen Banken? Die Antwort ist etwas kompliziert und nicht eindeutig zu formulieren.

No risk, no fun

Es gibt Analysten, wie Dimosthenis Triggas, die sogar empfehlen, jetzt erst recht in griechische Bankaktien zu investieren. Triggas argumentiert unter anderen damit, dass die Eigenkapitalrendite griechischer Banken in den ersten drei Quartalen 2022 bei 15,38 Prozent lag. Er räumt ein, dass ein großer Prozentsatz des Kapitals der Banken aus latenten Steuern besteht. Zudem lag der NPE-Index der toxischen Kredite in Griechenland im europäischen Vergleich am 31. 12.2022 mit sechs Prozent an der zweitschlechtesten Position nach Zypern und auf doppeltem Niveau des Durchschnitts der Eurozone. Für Triggas gilt, dass es ohneRisiko keine Rendite gibt (no risk no return)!

Es dürfte dem risikobereiten Analysten nicht entgangen sein, dass die griechischen Medien - darunter auch der staatliche Rundfunk - seit Monaten darüber berichten, dass die aktuellen Zinssteigerungen der EZB immer mehr Haushalte in die Not treiben. Sie können ihre mit höheren Zinsen versehenen Kredite nicht oder nur schwer bedienen. Das betrifft insbesondere die vormals faulen Kredite, die über Regierungsprogramme und Laufzeitverlängerungen künstlich wieder bezahlbar gemacht wurden.

Das Haushaltsamt des Parlaments warnt in seinem jüngsten Bericht, dass die ärmeren Schichten der Bevölkerung wegen der Inflation ihren Lebensunterhalt nicht mehr stemmen können und schlägt Alarm, dass das Leistungsbilanzdefizit auf 10 % des BIP ansteigt. Keine guten Aussichten für die wirtschaftliche Entwicklung.

Ratingagentur sieht die Banken stabil

Die Ratingagentur Moody’s sieht die griechischen Banken dennoch stabil. Sie wird in griechischen Medien zitiert mit folgenden Worten:

„wir bleiben bei unserem positiven Ausblick für das griechische Bankensystem (Ba3 positiv) und berücksichtigen die für 2023-2024 erwarteten günstigen wirtschaftlichen Bedingungen und das anhaltend starke Kreditwachstum, das die Leistung der Banken unterstützt. Die Banken haben in den letzten Jahren notleidende Risikopositionen (NPEs) erheblich reduziert, während sich die Kreditqualität trotz erwarteter Schwierigkeiten für gefährdete Kunden aufgrund höherer Zinssätze voraussichtlich stabilisieren wird.“

Die Agentur prognostiziert ein Wirtschaftswachstum von 1,8 Prozent für 2023 und 1,7 Prozent im Folgejahr. 2022 gab es ein Wachstum von 5,9 Prozent, was auch durch die Rekordzahlen im Tourismus befeuert wurde. Auf den Tourismus setzt die Ratingagentur auch bei ihrer Einschätzung. Sie räumt ein, dass die Verbraucherausgaben der Einheimischen wegen des Inflationsdrucks und der höheren Zinssätze geschwächt werden.

Banken stoppen Investitionen

Derweil haben zwei der vier systemischen Banken des Landes, die Piräus Bank und die Eurobank bereits Prestigeobjekte gestoppt oder werden es eventuell tun. Es geht um geplante Neubauten an der „Attischen Riviera“ am privatisierten früheren internationalen Flughafen von Athen im Vorort Elliniko. Das griechische Online-Magazin Capital berichtet in Berufung auf interne Quellen, dass die Piräus Bank ihr geplantes Zentralgebäude mit 40.000 Quadratmeter nicht bauen wird.

Dort sollten, wie es auch in einem Memorandum of Understanding vom Juli 2021 mit dem Privatisierungserwerber Lamda Development vereinbart war, alle zentralen Verwaltungen der Bank konzentriert werden. Diese sind aktuell in achtzehn verschiedenen im Hauptstadtbereich verteilten Immobilien untergebracht. Zehn Millionen Euro wollte die Bank mit ihrem Investment durch die Konzentration der Verwaltung einsparen. 2025 sollte der Bau gemäß der anfänglichen Planung fertig sein. Aktuell könnte wegen der gestörten Lieferketten und weiterer verzögernder Faktoren der Bau nur mit einer Verzögerung von ein bis zwei Jahren vollendet werden.

Capital berichtet nun, dass sowohl die Verzögerung als auch die explodierenden Baukosten infolge des Krieges in der Ukraine und der darauffolgenden Energiekrise die Umsetzung der 121-Millionen-Euro-Investition nach Einschätzung der Bank unerschwinglich gemacht. Bei der Eurobank ist ein ähnlich konzipiertes Projekt noch nicht gescheitert. Es gibt jedoch gemäß Capital Nachverhandlungen. Die Wirtschaftszeitschrift beruft sich auf weitere Quellen, die davon ausgehen, dass auch die zweite Bank ihre Investition aufgeben wird.

Bürger heben Erspartes ab

Ein weiteres auf Finanzthemen spezialisiertes Medium, Oikonomikos Tachydromos, berichtet in Berufung auf Statistiken von Eurostat, dass die griechischen Bürger ihre Ersparnisse auflösen, um die steigenden Rechnungen für den Grundbedarf zu begleichen. In Griechenland sei dieses Phänomen stärker, als in allen anderen EU-Staaten, heißt es. 

Tatsächlich berichtet die griechische Notenbank von einem effektiven Kapitalabfluss bei den Spareinlagen von Privatanlegern. Im Januar flossen 4,51 Milliarden Euro ab, im Februar waren es 1,456 Milliarden Euro.

Unsichere politische Situation

Von der politischen Seite her wird das Klima in Griechenland für einige Zeit turbulent bleiben. Premierminister Kyriakos Mitsotakis kündigte Neuwahlen für den 21. Mai an. Gemäß den Umfragen gilt als sicher, dass die Wahlen keiner Partei, aber auch keiner als realistisch angesehenen Koalition eine Regierungsmehrheit bescheren werden. Nikos Androulakis, der Vorsitzende der PASOK, verkündete, er könne sowohl mit der Nea Dimokratia als auch mit SYRIZA koalieren, lehnt aber sowohl Mitsotakis, als auch Tsipras als Premier ab.

Die jüngste Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Metron Analysis prognostiziert folgendes Wahlergebnis:

Nea Dimokratia (konservativ, neoliberal) ​32,5 %,

SYRIZA (sozialdemokratisch)​ 26,7 %,

PASOK (sozialdemokratisch)​ 11,7 %,

KKE (kommunistisch)​ 7,1 %,

Griechische Lösung (rechtsnational)​ 5,2 %,

MeRA25 (links) ​4,9 %,

Griechen fürs Vaterland (rechtsextrem) ​4,7 %,

sonstige Parteien ​6,1 %.

Die Wahlen finden mit einem Verhältniswahlrecht und einer Sperrklausel von drei Prozent für den Parlamentseinzug statt. Sie werden mit dem unter der SYRIZA-Regierung verabschiedeten Wahlgesetz abgehalten. In Griechenland werden Änderungen des Wahlrechts, anders als in der Bundesrepublik, nur direkt wirksam, wenn sie im Parlament mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit verabschiedet werden. 

Das von Mitsotakis eingeführte Wahlrecht mit Bonus-Sitzen für die stimmstärkste Partei wird erst bei den übernächsten Wahlen gültig. Diese werden knapp sechs Wochen nach den ersten Wahlen erwartet. Ein sehr wahrscheinlicher Termin wäre der 2. Juni. Es gibt sogar schon Befürchtungen, dass es im August zu einem dritten Urnengang kommen könnte. Die jüngsten Umfragen im Land sind für die großen Parteien verheerend. Auf die Frage, wem sie die Schlüssel ihrer Wohnung anvertrauen würden, antworten die meisten Wähler mit 41 Prozent „Niemandem“. 

Während in Deutschland das Bundeskanzleramt nur durch Neuwahl eines oder einer Nachfolgerin neu besetzt werden kann, gilt in Griechenland ein anderes Prozedere. Kommt nach den Wahlen am 21. Mai keine Regierungsmehrheit zustande, so wird eine Übergangsregierung unter einem oder einer obersten Richterin eingesetzt. Diese bleibt im Amt, bis es ein Parlament gibt, welches sich auf eine Regierung einigt. Knapp einen Monat vor den Wahlen, spätestens aber drei Wochen vor dem 21. Mai werden Schlüsselministerien, wie das Innenministerium und der Regierungssprecher durch neutrale Verwaltungsminister besetzt.

Für die Wirtschaft und in der Folge für die Banken bedeutet diese Periode, dass sie in unsicherem Fahrwasser sind.

„Was heißt das für mich konkret!?“

In Europa, und so auch in Griechenland gibt es im Bankensektor Unruhe. Die aktuelle Unsicherheit der griechischen Wirtschaftsentwicklung wird außer von der Hochzinspolitik der EZB, der Inflation, der Energiekrise und dem Krieg in der Ukraine auch von den mindestens zwei erwarteten Parlamentswahlen in diesem Jahr negativ beeinflusst.

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