Eine geldpolitisch schier grenzenlose „Strategie“

Doch sollte man der Fed nicht zu viel orthodoxe Kleiderordnung unterstellen. Ihrem durchschnittlichen Inflationsziel fehlt nämlich die genaue zeitliche Festlegung, sozusagen der Stil: Wenn die Inflation in den letzten zehn Jahren unter zwei Prozent lag, darf sie dann auch in den nächsten zehn über zwei liegen? Spielt die Dynamik der Preisentwicklung eine Rolle? Werden Sondereffekte herausberechnet und wenn ja, mit welcher Begründung?

Und so erlaubt die innovative Inflationsstrategie der Fed fast unbegrenzte geldpolitische Völlerei. Ihr neues Inflations-Kleid hat einen Gummizug, Marke Kartoffelsack. Es steht jedem, auch einem Elefanten, konkret der US-Wirtschaft mit Schulden-Übergröße. Die bittere Wahrheit ist doch, dass Amerika ohne Fed nicht mehr in die Kleider passt. Und niemand sollte auch nur einen Gedanken daran verschwenden, dass die USA zukünftig eine Schulden-Diät machen. Die Fed muss sich - egal, wer Präsident wird - zukünftig weiter auf Plus Size einstellen.

Schulden werden geschickt verdeckt, über die Inflationsbrechnung wollen wir nicht erst reden…

Geschneidert hat sie eigentlich immer schon gerne. Mit monetärer Hilfe hat Ronald Reagan die Sowjets totgerüstet und Bill Clinton wollte so den amerikanischen Traum vom Wohneigentum für alle finanzieren. Auch Barack Obamas Schuldensanierung Amerikas nach der Finanzkrise ging nur „with a little help from my friend“, dem Modeschöpfer Fed.

Da ist man doch froh, dass die neue Inflations-Mode zu jedem wirtschaftlichen Anlass passt. Man muss sich nicht mehr daran stören, wenn sich die Inflation zwischenzeitlich über zwei Prozent beschleunigt. Und optisch hat das Ganze auch noch Vorteile. Negative Realzinsen lassen die Verschuldung zwar nicht verschwinden, jedoch werden die Schulden-Pölsterchen geschickt verdeckt. Und die optische Illusion ist noch größer, wenn man sich vor Augen führt, dass die offizielle Inflation mit der inoffiziellen so viel zu tun hat wie Hemd mit Hose.

„Strategieüberprüfung“ auch in Europa: Die EZB findet Gefallen am neue Modestil der Fed

Wie die Fed hat ebenso die EZB keine Angst vor Preissteigerung. Tatsächlich ist die Inflation im Euroraum seit 2003 nicht über zwei Prozent gestiegen und im Juli sogar unter null gefallen. Und mit ihrer Erwartung, dass die Inflation bis 2022 unter einem Prozent verharrt, zeigt sie eher Sorge vor sinkenden Preisen.

Vor diesem Hintergrund muss man kein Prophet sein, um zu wissen, was das Ergebnis der aktuellen Strategieüberprüfung der EZB ist. Auch sie geht mit der Inflations-Mode. Sie adaptiert den Fed’schen Modestil. Die Kreation eines symmetrischen Inflationsziels muss her, das ebenso im Durchschnitt nur zwei Prozent beträgt. Man will nicht mehr wie bei der Deutschen Bundesbank die klassische Stabilitäts-Mode tragen und ein Ende der geldpolitischen Üppigkeit verkünden, nur, weil es über zwei geht. Deflation darf bloß keine Chance haben. Es spricht noch weniger als nichts für restriktive Geldpolitik.

Staatliche Notprogramme scheinen regelrecht geboten!

Zur inflationären Zielerreichung sind in Europa staatliche Notprogramme also nicht nur erlaubt, sondern regelrecht geboten. Da aber die Finanzminister gerade im Süden nur noch Geld für den Wühltisch haben, zahlt eben die EZB die teure Rechnung in der Schulden-Boutique. Diese Haute Couture für alle dient also auch dem europäischen (Mode-)Frieden.

Die Risiken der modischen Geschmacksverirrung - Zinssparer, Häuslebauer und Mieter zahlen den Preis!

Den Preis dieser modisch teuren Reflationspolitik zahlen Zinssparer, Häuslebauer und Mieter. Überhaupt, das nach neuem Modestil beliebig und fast umsonst verteilte Geld erzeugt keine großen Anreize, sich selbst vernünftig zu kleiden. Im Gegenteil, er sorgt für Reform-, Leistungs- und schließlich Wirtschaftsschwäche. Das wiederum führt dazu, dass die geldpolitischen Gaben für eine zunehmend in modische Not geratene Finanz- und Sozialpolitik fortgesetzt werden müssen. Der Weg in die uniforme Staatswirtschaft ist geebnet. Von High Fashion kann man hier nicht mehr sprechen.

Also ich fand die klassische Stabilitäts-Mode immer stillvoll. Man war immer gut angezogen. Es war die zeitlose Mode der sozialen Marktwirtschaft.

Doch werden Fed und EZB ihre neuen Inflations-Kleider nicht mehr ausziehen. Müssen sie auch nicht, denn sie sind bereits nackt.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: https://www.roberthalver.de/Newsletter-Disclaimer-725

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"