Die Einschränkung des Individualverkehrs liegt vielen noch mehr am Herzen als die Abschaffung des Bargeldes. Gerade der ländliche Raum ist daher manchen ein Dorn im Auge, denn hier ist das eigene Auto weiterhin die unangefochtene Stütze der privaten Beweglichkeit. Und diese ist mitnichten ein reines Freizeitvergnügen, wie oft suggeriert wird. Oft ist das Auto der einzige Weg, einer geregelten Arbeit nachzugehen. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, sollten Forderungen nach einer Einschränkung des Individualverkehrs nicht als konstruktive Vorschläge eingestuft werden. Vielmehr dienen sie der Ablenkung vom Fehlen oder Scheitern der vermeintlichen Alternativen.

Dieses Muster ist auch in anderen Bereichen, etwa dem Energiesektor zu beobachten. Die Bahn und andere Teile des öffentlichen Nahverkehrs sind jedoch herausragende Beispiele für propagierte aber nicht funktionierende Alternativen. Denn damit die Bahn eine attraktive Alternative zum Auto darstellt, muss sie zuverlässig, pünktlich und bezahlbar sein.

Bei der Bezahlbarkeit wurde über Subventionierungen – unabhängig davon, was man davon hält – einiges angestoßen. Bezahlbare Zugreisen sind schön, wenn sie denn stattfinden. Was aber hilft ein günstiges Ticket für einen Zug, der dann verspätet oder gar nicht kommt? Bei einer gelegentlichen Freizeitreise ist dies nicht schön, aber zu verschmerzen. Wie dies aber im Pendlerverkehr dauerhaft funktionieren soll, bleibt ein Rätsel.

So steigen nicht umsonst trotz vergünstigter Tickets nicht wenige allen Baustellen und Staus zum Trotz wieder aufs Auto um. Auch zahlreiche Bekanntschaften, die man im Zug zwangsweise schließen darf, sind nicht zwingend eine Bereicherung des Alltags. So bleibt der Fall relativ einfach: Eine Alternative, die nicht funktioniert, ist keine Alternative und bevor eine Alternative funktioniert, sollte man das, was diese ersetzen soll, nicht verbieten.

Die Alltagsbetrachtungen von Bahnfahrern lassen derzeit eher den Wunsch nach einem funktionierenden Ist-Zustand erkennen. Wenn Verspätungen und Zugausfälle an der Tagesordnung sind und das Verkehrsmittel de facto für berufliche Termine oder Anreisen zu Flughäfen nur mit starken Nerven oder unter Nutzung großer Zeitpuffer nutzbar ist, wirken bunte Zukunftsvisionen, die von einer „Verschmelzung des Schienenverkehrs mit der Mikromobilität (sprich E-Roller)“ schwadronieren und dabei glückselige Nutzer zeigen, der Wirklichkeit entrückt.

Unabhängig von der Bahn zeigt sich auch bei anderen politischen Projekten eine zunehmende Entfernung der Entscheider zur Realität. Ein wundervolles Beispiel sind die sicherlich gut gemeinte Platzierung öffentlicher Toiletten in einigen Stadtteilen Berlins oder auch das Aufstellen von Pflanzkübeln, die durch die Bürger gepflegt werden können. Während letztere in ausgewählten Straßen bestimmter Stadtteile eine Chance haben mögen, zu überleben und das Stadtbild zu verschönern, wusste jeder Normalbürger in der ersten Sekunde, wie sich der Zustand der Toilettenhäuschen binnen weniger Tage verändern würde. So kam es denn auch.

Abgesehen vom Ego der handelnden Personen ist es oft genau diese Entkopplung von der Wirklichkeit, die bei politischen Großprojekten unterschätzte Gefahren für die Gesellschaft mit sich bringt und gleichzeitig bei vielen Bürgern Resignation oder gleich Zynismus auslöst.
Ob es um Logistik, Bildung oder den Gesundheitssektor geht, ist dabei unerheblich. Auch bei gut gemeinten Ideen ist es daher sinnvoll, erst einmal aussagekräftige Testfälle zu beobachten und auch zum Eingeständnis des Scheiterns bereit zu sein, bevor man frohen Mutes ein ganzes System über den Rand der Klippe schiebt.

„Was heißt das konkret für mich!?“

Gesetze, die schöne Namen tragen, sind für viele Bürger oft schmerzhaft und teuer. Das gleiche gilt für Projekte, deren Ziele wohl im Ohr klingen, und deren wundervolle erwartete Auswirkungen mit bunten 3-D-Simulationen suggeriert werden. Wie am Kapitalmarkt bleibt auch bei der Beurteilung vieler Großpläne der gesunde Menschenverstand ein guter Ratgeber.

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