Viele Aktienfonds und auch zahlreiche ETFs verleihen die von ihnen gehaltenen Aktien an andere Marktteilnehmer und vereinnahmen so eine Leihgebühr. Durch diese Einnahmen kann der Ertrag der Fonds leicht gesteigert werden, was vor allem in der Gegenüberstellung mit einem Vergleichsindex (Benchmark) hilft.
Bildet beispielsweise ein ETF den EuroStoxx 50 exakt ab, verleiht aber zudem seine Aktien, so erzielt er eine Überperformance gegenüber dem Index, obwohl er diesen nur passiv abbildet. Unserer Meinung nach deckt sich dieses Vorgehen nicht mit den Interessen der meisten Anleger, denn wie jede andere Prämie auch, birgt auch die Wertpapierleihe Risiken. Ohne Risiko gibt es keine Prämie.
Solange Anleger solche Produkte kaufen oder auf Grund der marginal besseren historischen Entwicklung sogar bevorzugen, werden die Anbieter so weitermachen. Warum auch nicht. Anleger können ja zwischen Produkten wählen, die eine Leihe nutzen und solchen, die dies vermeiden.
Was macht einen guten Short Seller aus?
Diejenigen Marktteilnehmer, die sich die Aktien geliehen haben, können diese nun verkaufen. Da die Aktie nur geliehen ist, und dem Verkäufer nicht gehört, heißt dieses Geschäft Leerverkauf. Die Idee dahinter ist es, überbewertete Aktien teuer zu verkaufen und dann nach einem Kursrückgang wieder zurückzukaufen. Nach dem Rückkauf wird das Leihgeschäft wieder aufgelöst.
Nun sind diese Leerverkäufe, englisch Short-Positionen oder kurz Shorts genannt, mit einem gewissen Zeitverzug öffentlich einzusehen. Mittlerweile gibt es Webseiten, auf denen Privatanleger nachsehen können, in welchem Ausmaß welche Aktie leerverkauft wurde. Die maßgebliche Kennzahl ist nicht die absolute Anzahl der leerverkauften Aktien sondern deren Anteil an allen handelbaren Aktien des Unternehmens, dem so genannten free float.
Wenn dieser Anteil sehr hoch ist, können daraus Probleme für den Leerverkäufer entstehen, wenn er die Aktien zurückkaufen will. Gibt es nur wenige Anleger, die ihre Stücke abgeben wollen, übersteigt die Nachfrage nach den Aktien das Angebot deutlich. Der Preis reagiert entsprechend sensibel und kann sehr schnell sehr stark steigen. Das ist seit mehr als hundert Jahren bekannt und weder schlimm noch neu.
Viele Menschen vergessen jedoch, dass ein Aktienmarkt ein Markt und kein Geldautomat ist. Daher müssen Leerverkäufer vorsichtig und möglichst unter dem Radar agieren. Gute Short Seller erkennt man nicht an einer großen, geglückten „Wette“, die dann medial breitgetreten wird, sondern an einer über viele Marktzyklen funktionierenden Strategie ohne existenzgefährdende Einbrüche. Überbewerte Unternehmen zu finden ist vergleichsweise einfach. Mit diesen Erkenntnissen Geld zu verdienen ist jedoch extrem schwierig.
Die Causa GameStop & Verhinderung des Squeezings
Nun haben in den letzten Wochen einige Gruppen kleinerer Anleger das Thema Leerverkauf für sich entdeckt. Die Idee dieser Anleger ist es nicht, Aktien leer zu verkaufen, sondern die Leerverkäufer durch massive Käufe der Aktien stark leerverkaufter Unternehmen unter Druck zu bringen und so von starken Kurssprüngen zu profitieren. Im englischen nennt man dies, wenn es gelingt, treffend einen Short Squeeze. Die Listen der am stärksten leerverkauften Aktien wurden durchkämmt und durch konzertierte Käufe wurden die Aktien dieser Aktien nach oben getrieben.
Einige unachtsame Leerverkäufer dürften sich in der Tat wie die Zitrone auf der Presse gefühlt haben. Für einen Leerverkäufer mit schlechtem Risikomanagement führt ein schneller Anstieg rasch zu einer bedrohlichen Situation. Zum einen führen Kursanstiege zu Verlusten, zum anderen wächst durch die steigenden Kurse das Volumen der Short Position im Fonds. Ist das ganze Thema dann noch medial präsent, findet sich fast niemand mehr, der die Aktie überhaupt verkaufen will. Die Dynamik nimmt noch einmal deutlich zu. Auch Kursverdopplungen innerhalb weniger Tage, manchmal sogar binnen Stunden sind in solchen Szenarien keine Seltenheit.
Dies war bei der GameStop Aktie der Fall. Das Papier legte einen derart rasanten Anstieg aufs Parkett, dass der eine oder andere Leerverkäufer mit dem Rücken zur Wand stand. Sind sonst stets die Leerverkäufer die Bösewichte, die angeblich alles Unglück der Finanzmärkte verursachen, wurden nun Maßnahmen ergriffen, weitere Käufe der GameStop Aktie und ähnlicher „gesqueezter“ Papiere zu verhindern. Eine bekannte Plattform für Kleinanleger hat Käufe dieser Papiere schlichtweg ausgeschlossen und nur noch Verkäufe erlaubt.
Eine Erklärung für diese Entscheidung ist ein enormer Druck von außen auf die Unternehmensführung. Aber auch die einfache Erklärung, wonach der Broker selbst durch die immer größer werdenden und oft kreditfinanzierten Positionen seiner Kunden auf ein existenzielles Risiko zu rutschte, sollte man nicht einfach vom Tisch wischen. Die kreditfinanzierten Positionen der Kunden müssen finanziert werden. Wenn diese Finanzierung scheitert, kommt es zu Zwangsliquidierungen und einem damit einhergehenden Vertrauensverlust der Anleger.
Es wäre wohl naiv davon auszugehen, hier seien lediglich Kleinanleger am Werk gewesen. Mancher große Fonds dürfte sich zumindest an die angebliche Massenbewegung angehängt haben, wenn nicht sogar fleißig bei der Initiierung des Theaters mitgeholfen haben.
Mitleid braucht´s für keine Seite!
Das Spiel endete, wie kurzfristige Euphorie immer endet. Viele Anleger, die es aus Gier oder Nachlässigkeit versäumten, ihre enormen Gewinne zu vereinnahmen, stehen finanziell jetzt bestenfalls wieder dort, wo sie vor ein paar Wochen standen. Anleger, die meinten, sie müssten spät auf den Zug aufspringen, haben reichlich eingezahlt.
Mitleid ist auf beiden Seiten nicht angebracht. Ein Fonds, der kein Risikomanagement hat, muss früher oder später daran zugrunde gehen. Professionelle Anleger sollten dies wissen, sich nicht nur auf schöne Gewinne der Vergangenheit konzentrieren, sondern hinterfragen, mit welchem Risiko diese denn bezahlt wurden.
Vergessen Sie nie, dass Sie in Fondsvergleichen immer nur die Überlebenden der Fondswelt zu sehen bekommen. Einige machen einen guten Job, andere haben einfach nur Glück gehabt. Wie der obenstehende Chart zeigt, gab es ein großes Zeitfenster, in dem es schon aus markttechnischer Sicht nicht mehr zu vertreten war, Short Positionen aufrecht zu erhalten. Die deutliche Stabilisierung und der erste sehr deutliche Anstieg des Handelsvolumens waren eindeutige Warnsignale.
Auch die Krokodilstränen mancher Kleinanleger sollten diese selber trocknen. Wer ein paar hundert Prozent im Plus ist und es nicht schafft, seine Position mit Gewinn zu schließen, der ist selber schuld. Wer auf eine Story aufspringt, die er im Internet gelesen hat, und daraufhin die Aktie eines de facto insolventen Unternehmens kauft, die sich bereits mehr als verdoppelt hat, dann noch ein paar hundert Prozent ins Plus wandert und aus dieser Transaktion nur mit roten Zahlen herauskommt, der hat sich seine finanziellen Prügel redlich verdient.
„Was heißt das konkret für mich!?“
Ein dramatischer Anstieg einer Aktie verleitet viele Anleger dazu, auf einen schnell fahrenden Zug aufzuspringen, ohne sich über die Risiken Gedanken zu machen. Vermeiden Sie diesen Fehler und halten Sie sich von solchen speziellen Themen genauso fern wie von Fonds mit hübschen Präsentationen aber schlechtem Risikomanagement. Wer doch einmal bei so einer Aktion auf die Nase fällt, lernt daraus am meisten, wenn er seine eigenen Fehler untersucht und nicht den einfachen Weg geht und „das System“ beklagt. Man muss das verbessern, was man beeinflussen kann. Viel Erfolg!
Kommentare
Für mich als nicht spekulative veranlagten Anleger hat das Wissen über stark leer-verkaufte Aktien den Vorteil, diese Aktien beim Einkauf stärker zu prüfen oder sogar meine schon gekauften Positionen zu vermindern, da ja die LeerVerkäufer ein größeres Wissen über Überbewertung einer von mir favorisierten oder von mir schon gekauften Aktie haben, als ich. Wenn mir dieses Wissen zugänglich ist, kann ich mich ja immer noch anders entscheiden, und trotzdem meinen "Favoriten" kaufen.
eine Seite, die Daten veröffentlicht ist https://shortsqueeze.com/.
Dort müssen Sie den entsprechenden Ticker eingeben und erhalten eine Übersicht über verschiedene Kennzahlen, darunter auch das short interest im Verhältnis zum free float.
Eine Übersicht finden Sie auch bei https://www.marketbeat.com/short-interest/
Die Daten sind in der Regel nicht tagesaktuell, aber für einen ersten Eindruck sicher ausreichend.
Beste Grüße
Bankhaus Rott
schön, wieder was von Ihnen zu lesen. Aber als treuer Leser komme ich heute nicht daran vorbei, mal an Ihrem Artikel herumzunörgeln.
Es ist ja ohne Weiteres schnell dahin gesagt, die Anleger können wählen zwischen mit und ohne Leihe. Aber wie soll das praktisch ablaufen für einen (kleinen) privaten? Soll ich in jedem Prospekt so lange herumsuchen, bis ich einen Hinweis finde? Dort steht m.E. so gut wie nie etwas zu dem Thema oder nur Blabla. Und bei ETF gehört die Wertpapierleihe doch zum Standardgeschäftsmodell. Ohne Ausnahme. Das ist nicht praktikabel.
Weiterhin möchte ich auch noch auf Ihre Äußerung zum Thema Risikomanagement kommen. Wie soll ein Kleinanleger das Risikomangement eines Fonds beurteilen? Dazu stehen auch nur Allgemeinplätze in den Unterlagen, weil das sicher meistens Bestandteil des Investmentprozesses ist und bestimmt nicht detailliert beschrieben. Ich meine hier nicht das Risikomanagement beim Traden, das ist was ganz Anderes. Es ist doch ein Riesenunterschied bei der Informationsverfügbarkeit und -verarbeitungs- geschwindigkeit von privaten und institutionellen. Ich glaube auch nicht daran, dass ein Werktätiger wie ich genügend Zeit erübrigen kann, um auch nur annähernd professionell einen charttechnischen Ansatz verfolgen zu können.
Also, für einen konkrete Hinweis jenseits von Insiderwissen, Bloomberterminals und was Sie sonst noch so für Tools haben, bin ich Ihnen echt dankbar. Ich versuche schon seit Jahren, das Wertpapierleiherisiko auszuschalten, weil ich das einfach Scheiße finde. Zumal ich auch weiß, dass es öfter als nur selten vorkommt, dass ein ETF 30-40% seiner Bestände gar nicht hat, sondern die sind verliehen oder stehen in den Büchern der Broker. Nicht nur über eine Nacht.
In diesem Sinne grüßt Sie Ihr treuer Leser
Shinzon
danke für Ihren Kommentar, den wir überhaupt nicht als "nörgeln" verstehen, sondern als interessierte und interessante Nachfrage.
Die Suche nach vollreplizierenden ETFs ohne Wertpapierleihe ist in der Tat mühselig. Die Eingabe der Worte "vollreplizierende ETF ohne Wertpapierleihe" (mit Anführungszeichen) in eine Suchmaschine bringt nur einige Ergebnisse, wie etwa bestimmte Comstage ETFs. Nur einige Anbieter bieten solche Produkte an, so dass die Auswahl für sicherheitsorientierte Anleger gering ist. Die wesentlichen Bausteine einer Allokation sollte man auf diese Weise jedoch zusammenbekommen. Der einfachste Schritt ist es, die großen ETF-Anbieter per E-Mail anzuschreiben und ausdrücklich nach einer Liste mit diesen Produkten zu fragen. Das kostet ein paar Minuten, aber dann erhält man die Daten von der Quelle. Wenn es sich um eine Entscheidung über ein Investment für mehrere Jahre handelt, dann ist diese Zeit gut investiert, auch wenn es lästig ist.
Noch ein paar Anmerkungen zum Risikomanagement. Einige Risiken lassen sich schon aus dem Handgelenk beurteilen. Spezialisierte Themenfonds wie etwa das derzeit hippe Thema "Künstliche Intelligenz" oder ähnliche Moden, weisen naturgemäß enorme Klumpenrisiken auf. Diese kann ein Anleger eingehen, sollte sich aber der hohen Risiken bewusst sein, die deutlich über denen einer Anlage in einem breiten Index wie dem MSCI World hinausgehen. Wer Themenfonds unbedingt kaufen möchte, sollte seine Positionsgrößen entsprechend steuern.
In Finanzinstituten sind die Anforderungen an das Risikomanagement auf Grund der Regulierung oft unnötig komplex und in vielen Fällen irreführend bis nutzlos. Dafür werden eine Menge Tools benötigt, die jedoch vor allem zu Aufwand und dicken Reports führen, die alle abheften, nur wenige lesen und noch weniger verstehen.
Privatanleger können mit einfachen Regeln das Risiko ihrer Anlagen ordentlich steuern. Der einfachste Weg ist eine ausgewogene Asset Allokation, die Ihren Zielen und Ihrer Mentalität entspricht, so dass Sie diese auch in schwierigen Zeiten durchhalten. Ein Beispiel finden Sie hier: https://www.cashkurs.com/aktienwelt/beitrag/stabilitaet-in-turbulenten-zeiten/
Wir werden dieses Portfolio in einem der nächsten Artikel aktualisieren.
Für aktivere Anleger genügt schon ein mittelfristiger gleitender Durschnitt des Gesamtertrags einer Anlage, um grobe Timing-Fehler und Katastrophen wie die Commerzbank Aktie zu vermeiden. Ein simpler 30-Wochen-Durchschnitt, den viele kostenlose Plattformen zur Verfügung stellen, kann helfen. Wer nichts kauft, dessen Kurs sich unterhalb dieser Linie befindet, der verpasst ein paar Gewinne aber fast alle katastrophalen Verluste. Wer die groben Fehler vermeidet, sollte sich über lange frist in den besten 25% der Anleger wiederfinden. Der zweite wichtige Punkt ist es, nicht darauf zu achten, welcher Bekannte oder Unbekannte gerade mit einer Anlage, die sie nicht haben, mehr verdient als Sie.
Das schwierige am guten Risikomanagement ist nicht die Methode, sondern die Disziplin.
Danke noch einmal für Ihren Kommentar. Ihnen wünschen wir viel Erfolg!
Beste Grüße
Bankhaus Rott
Ich danke auch für Ihre ausführliche Antwort, bis bald mal wieder und Grüße zurück von
Shinzon