Der Wahlkampf vegetiert vor sich hin. Begleitet von würdelosen Wahlaufrufen hauptberuflicher Systemgeldempfänger präsentiert sich der Großteil des Angebots elanlos, inhaltsbefreit und hinsichtlich wichtiger Themen äußerst kontaktscheu.

So beobachten wir einen Wettbewerb, bei dem die eine Partei die andere um einen Euro überbietet. Derart plumpe Anbiederungsversuche repräsentieren offenbar das, was im Deutschland des Jahres 2021 noch an politischen Ideen und Weitsicht übriggeblieben ist. Ob gleichzeitig der eine oder andere Industriezweig schon einmal enthauptet wird, weil man darauf hofft, es würde sich schon rechtzeitig Ersatz finden, spielt keine Rolle. Gehen Sie schon einmal über diese Schlucht, die Brücke kommt morgen. Strukturwandel kann eine feine Sache sein, man sollte sich jedoch nicht in der Richtung irren.

Abschaffung des Goldstandards – Der Anfang vom Ende

Während wieder alle vom Geld reden, redet kaum jemand über unsere Währung. Dabei gab es in den letzten fünf Dekaden vermutlich kaum eine Entwicklung, die im Sozialgefüge derartige Krater hinterlassen hat, wie die Zerstörung stabiler Währungen mit allen damit zusammenhängenden Konsequenzen, von denen das absurde Wachstum der Kreditmärkte nur eine ist.

Den Weg freigemacht für diese Entwicklung hat Anfang der 1970er Jahre die Abschaffung der Möglichkeit, den US-Dollar in Gold zu tauschen. Seither entwickelt sich auch das reale Einkommen der Bürger in den USA nicht mehr im Einklang mit der Produktivität.

 

 

Die Gesamtentwicklung komplexer Systeme wie einer Volkswirtschaft lässt sich natürlich nicht an einem Parameter festmachen. Dennoch ist die Bedeutung der Abschaffung der Goldbindung nicht zu unterschätzen. Sie erst ermöglicht zahlreiche kreditfinanzierte Modelle, die von dauerhafter Inflation profitieren. Unabhängige Notenbanken können, wenn sie wollen, gegensteuern. In der Regel ist es mit der Unabhängigkeit jedoch in schwierigen Zeiten schnell vorbei. Der laxe Umgang mit der langfristigen Stabilität der eigenen Währung blieb nicht auf die Vereinigten Staaten begrenzt. Er wurde zum Exportschlager.

Europa steht für den Frieden!? – Dauerhafte Inflation steht für…

Heute leihen, Sachwerte kaufen und in zwanzig Jahren mit Geld bezahlen, das real deutlich weniger wert ist. Das nahm in den 1970er Jahren seinen Anfang und bis heute ist diese Inflationsarbitrage der große Trade. Die Gegenseite dieses Vorgehens ist es, heute zu arbeiten, das Geld zur Seite zu legen und sich in zwanzig Jahren darüber zu wundern, warum man nur noch ein Viertel Haus davon kaufen kann.

Hier könnten die vorgeblichen Freunde des Sozialen auch in Deutschland einhaken. Dazu müssten sie allerdings die fortgeschrittenen Auswirkungen der Notenbankpolitik ansprechen. Dazu gehört zuallererst die Aufgabe der Stabilitätspolitik der deutschen Bundesbank durch die Eingemeindung der hiesigen Geldpolitik in die historisch tradierte Inflationspolitik der südeuropäischen Staaten.

Auch die „Euro-Rettungs-Politik“ und die Umverteilung innerhalb der EU müsste auf den Prüfstand. Dies zu fordern, gilt jedoch in weiten Teilen der deutschen Politiklandschaft als Blasphemie und bedeutet für den Fragesteller schnell ein One-Way-Ticket ins gallische Dorf der politisch Aussätzigen. Europa, heißt es dann mit wichtiger Miene, stehe für den Frieden. Die Frage, wofür dauerhafte Geldentwertung steht, und wie diese langfristig zum Frieden innerhalb einer Gesellschaft beitragen soll, wurde vermutlich beim Revolutionsseminar übersprungen.

Kurzsichtigkeit hilft nur dem Optiker

Wer nun sagt, „jo mei, was scheren mich die Amis“, dem sei ein Blick auf die folgende Grafik empfohlen. Sie zeigt die Entwicklung der realen Produktivität und des realen Einkommens in Deutschland. Zur Einordnung sind auch die nominale Entwicklung des Einkommens sowie die Entwicklung der realen Nettolöhne abgebildet.

 

 

Bemerkenswert ist die Unbeschwertheit, mit der viele Menschen diesen stetigen Kaufkraftverlust hinnehmen. Die Preise steigen, jeder weiß es und die Daten geben es eindeutig her, aber selbst das offizielle Ziel der Notenbank, die Kaufkraft unseres Geldes um mindestens zwei Prozent pro Jahr zu reduzieren wird hingenommen. Nebenbei öffnet sich noch die Schere zwischen Brutto- und Nettolöhnen und diese Schere können Arbeitgeber nicht schließen.

Jemand, der auf den stetigen Kaufkraftverlust hinweist wird oft belächelt. Es ist wie mit den Nebenwirkungen bestimmter Verhaltensweisen. Wenn Sie morgen damit beginnen, jeden Tag zwei Schachteln Zigaretten zu rauchen, werden Sie wahrscheinlich nicht in zwei Wochen wegen des Rauchens tot umkippen. Daraus würde jedoch niemand schließen, Zigaretten hätten keinen Einfluss auf die Gesundheit. Mit dem Kaufkraftverlust (und anderen Dingen) ist es ähnlich. Bis die Wirkung auf die Ursache folgt dauert es oft eine Weile.

Augen auf bei der Suche nach dem Sündenbock!

Es wäre wünschenswert, nicht immer nur von Umverteilung zu sprechen, sondern die Gründe für die wachsende Kluft zwischen nominalen und realen Einkommen zu adressieren. Schön wäre es, wenn Unternehmen und Beschäftige – trotz aller verständlichen Differenzen – nicht das „Teile und Herrsche“ mitspielen, sondern nachvollziehen, dass beide Seiten Opfer der Inflation sind, die andere zum Ziel erkoren haben.

„Was heißt das konkret für mich!?“

Früher gab es den Wahlspruch „Sozial ist, was Arbeit schafft“. Eine aktualisierte Variante müsste lauten „Sozial ist, was Kaufkraft erhält“ Sollten Sie auf einer Wahlkampfveranstaltung die Gelegenheit bekommen, fragen Sie ruhig einmal nach, wie genau ein Inflationsziel von zwei Prozent pro Jahr der sozialen Gerechtigkeit in Deutschland auf die Beine helfen soll.

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