In vorherigen Berichten zu diesem Thema hatte ich gemutmaßt, dass Yield Curve Control – oder der Versuch, eine dauerhafte Kontrolle über die Entwicklung der japanischen Zinskurve auszuüben – solange funktionieren wird, bis dieses geldpolitische Experiment irgendwann nicht mehr funktionieren würde.

Vorboten der Kapitulation

Ein wenig rückblickend war den Vertretern der Bank of Japan (BoJ) augenscheinlich bereits im Dezember 2022 bewusst geworden, dass sich die Dinge an den heimischen Staatsanleihemärkten – oder Japanese Government Bond Markets (JGB) – zu verändern begannen.

Hatte die BoJ bis zu diesem Zeitpunkt ihre zuvor willkürlich festgesetzte Zinsobergrenze von 0,25 Prozent im 10-jährigen Laufzeitbereich mit allen Mitteln verteidigt, so erfolgte damals die unerwartete Ankündigung, den 10-jährigen Zinsen einen erweiterten Spielraum für einen Anstieg auf maximal 50 Basispunkte zu ermöglichen.

Dieses Zeichen einer erhöhten „Flexibilität“ wurde unter Finanzmarktakteuren schon zum damaligen Zeitpunkt als das bezeichnet, als was es sich im weiteren Ablauf der Ereignisse dann auch erweisen sollte. Namentlich handelte es sich hierbei um nichts anderes als die Vorboten einer Kapitulation.

Und so verwunderte es damals auch nicht, dass sich die Bondmarktakteure nicht lange bitten ließen, um den durch die BoJ neu in Aussicht gestellten „Spielraum“ praktisch über Nacht komplett auszureizen. Heißt, dass die Zinsen im 10-jährigen Bereich innerhalb eines kurzen Zeitraums eine Verdopplung von zuvor 0,25 auf 0,5 Prozentpunkte erlebten.

Selbstverständlich erwies sich diese Entwicklung angesichts der signifikant gestiegenen Zinsen in den Vereinigten Staaten sowie in den Wirtschaftsräumen der anderen G7-Länder als nicht ausreichend, um einen Boden unter der in ihrem Außenwert abschmierenden Währung Japans einzuziehen.

Nachdem der japanische Yen über die Sommermonate abermals wie ein Stein gegenüber dem US-Dollar (auf bis zu 148 YEN/USD) sank, sah sich der neue Zentralbankchef Kazuo Ueda zu einer weiteren Aussage veranlasst, die an den internationalen Bond- und Währungsmärkten keineswegs ungehört verhallte.

Something has to give

Mitte September hatte Kazuo Ueda gegenüber der Zeitung Yomiuri erklärt, dass sich ein Ende der Negativzinsphase in Japan abzuzeichnen beginne. Kazuo Ueda brachte zudem seine Hoffnung zum Ausdruck, dass ein absehbarer Rückzug der BoJ auf leisen und geordneten Sohlen erfolgen könnte.

Unter Finanzmarktakteuren wurde nach diesen Aussagen darauf hingewiesen, dass es sich um einen extrem falkenhaften Kommentar gehandelt habe, der den Schluss zuließe, dass die BoJ dem Yen-Verfall nicht mehr länger tatenlos zuschauen wolle (beziehungsweise könne).

Doch eben in diesem Aspekt lag doch von Beginn an die Krux. Kritiker des Experiments zu einer dauerhaften Kontrolle der Zinskurve hatten frühzeitig darauf aufmerksam gemacht, dass man im weiteren Zeitablauf nicht Beides würde haben können.

Heißt also Null- oder Negativzinsen bei einer gleichzeitig im Außenwert stabil bleibenden Währung. Wer in diesen Tagen an die JGB-Märkte blickt, nimmt wahr, dass sich die BoJ in eine Ecke verrannt hat, aus der es augenscheinlich keinen schmerzlosen Ausweg mehr zu geben scheint.

Trotz der jüngsten Entwicklungen, ich komme im Anschluss darauf zu sprechen, lassen es die BoJ-Vertreter so erscheinen, als ob sich deren zeitlich unlimitiertes QE-Programm, heißt also der zeitlich unbefristete Ankauf von JGBs, auch in der Zukunft problemlos wird weiter betreiben und aufrechterhalten lassen.

Blick an die JGB-Märkte

Doch danach sieht es schon längst nicht mehr aus. Ähnlich wie die Eurozone, so scheint auch Japan die besten Tage seines „Whatever-it-takes-Moments“ hinter sich zu haben. Doch Japan verdient in der allgemeinen Betrachtung einen Sonderstatus.

Zumindest bislang bedient sich keine andere große Zentralbank auf unserem Planeten eines derart rücksichtslosen Programms zur elektronischen Gelderzeugung, dessen Mechanismen bis dato dazu genutzt wurden, um die japanischen Zinsen mit allen Mitteln von einem Anstieg abzuhalten.

Es genügt ein Blick auf den jüngsten Verlauf der Zinsen im 10-jährigen Laufzeitbereich, um zu dem Fazit zu gelangen, dass der BoJ mehr und mehr die „Kontrolle“ über die heimischen Finanzmärkte zu entgleiten beginnt – falls es eine solche „Kontrolle“ überhaupt jemals gab!

Letzten Endes basier(t)en all diese Zentralbankexperimente, heißt also das Jonglieren mit weltweit ultralockeren Finanzbedingungen, auf manipulativen Strategien zur Beeinflussung der Psychologie unter einer Mehrheit der Finanzmarktakteure.

Und wenn diese Manipulation der Wahrnehmung – beziehungsweise der absolute Glauben an oder in eine Institution – zu einem Ende gelangt, lassen sich wahrscheinlich genau solche Entwicklungen wie momentan in Japan beobachten.

 

So streben die Zinsen im 10-jährigen Bereich inzwischen dem Niveau von 90 Basispunkten entgegen. In der vergangenen Woche waren die Zinsen in Japans 10-jährigem Bereich auf das höchste Niveau seit gut einem Jahrzehnt geklettert.

Das letzte große Gefecht

Es verwundert aus Sicht der verantwortlichen Protagonisten keineswegs, dass sich die BoJ im September zu weitreichenden Interventionen an den JGB-Märkten veranlasst sah. Bis Ende September kaufte die BoJ Staatsanleihen im 5- und 10-jährigen Bereich in einem Gegenwert von rund 300 Milliarden Yen an.

Um der Situation an den heimischen Zinsmärkten wieder „Herr zu werden“, erfolgte zudem die Ankündigung, sich notfalls Bondankäufen in einem nicht festgelegten Rahmen bedienen zu wollen.

Dabei lässt sich die aktuelle Zinsrallye vor allem auf eine Ankündigung der BoJ im Juli dieses Jahres zurückführen. Damals erfolgte die kleinlaute Ansage, die Ende letzten Jahres im 10-jährigen Bereich erstmals von 0,25 auf 0,5 Prozentpunkte angehobene „Zinsobergrenze“ nun abermals einem größeren Spielraum von maximal bis zu einem Prozent aussetzen zu wollen.

Summa summarum hat die Bank of Japan im vergangenen Monat gleich sechs Mal an den JGB-Märkten „interveniert“. Blicken Sie einfach selbst auf den oben abgebildeten Zinschart, um sich über den hiermit verbundenen „Erfolg“ ins Bild zu setzen!

Zur Jahresmitte ist ein erneuter Zinsausbruch erfolgt, worauf sich ein bis heute anhaltender steiler Zinsanstieg vollzogen hat. Aus dieser Perspektive ist ebenfalls nachvollziehbar, dass sich die BoJ sozusagen in ihrem letzten großen Gefecht befindet.

Mittlerweile setzen sich die „Interventionen“ der BoJ an den JGB-Märkten nämlich Woche um Woche fort. Auf den jüngsten Verlauf des japanischen Yens blickend, lässt sich absehen, dass schon sehr bald eine vollumfängliche Kapitulation durch die BoJ einzusetzen droht.

Es sei meinerseits daran erinnert, dass ein potenzielles Unterschreiten der Schwelle von 150 Yen pro US-Dollar unter einer Mehrheit der Analysten an den globalen Währungsmärkten in der Vergangenheit als ein letztes großes Alarmsignal vor einem voraussichtlichen Scheitern von YCC in Japan bezeichnet worden ist.

 

Seitdem der japanische Yen diese Schwelle in der vergangenen Woche kurzzeitig unterschritt, sind an den globalen Währungsmärkten Befürchtungen vor einer möglicherweise unmittelbar bevorstehenden Intervention der Tokioter Regierung aufgekommen.

Der erneute steile Absturz des japanischen Yens hat den Tokioter Finanzminister Shunichi Suzuki dazu veranlasst, Spekulanten zu warnen, dass seine Regierung die aktuellen Entwicklungen an den internationalen Währungsmärkten „mit einer hohen Aufmerksamkeit“ verfolgt.

Erschwerend gesellte sich zuletzt die Tatsache hinzu, dass die japanische Kerninflationsrate im Monat Oktober oberhalb der durchschnittlichen Konsenserwartungen an den globalen Finanzmärkten lag.

Alle Augen werden sich auch aus diesem Grund auf die bevorstehende Zinssitzung der BoJ in der laufenden Woche richten.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt unter anderem Bezug auf einen Bericht auf der Seite bloomberg.com.


Dieser Bericht wird fortgesetzt. Ein abschließendes Fazit wird zu diesem Zeitpunkt erfolgen.

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