In den gestrigen Ausführungen standen die neu verhängten US-Sanktionen gegenüber der Russischen Föderation im Zentrum der Betrachtungen. Auch auf eine Verhängung von Zweit- oder Sekundärsanktionen, die das Ziel verfolgen, Drittstaaten zu einer Sanktionsumsetzung zu zwingen, wurde eingegangen.

Republikaner kämpfen gegen die Ende Januar verordneten Maßnahmen

An den globalen Transport- und Erdölmärkten sorgen diese Entwicklungen – wie nicht anders zu erwarten – für neue Turbulenzen und steigende Preise. In den Vereinigten Staaten selbst regt sich unterdessen Widerstand gegen die Ende Januar durch das Weiße Haus angeordnete Aussetzung von neuen Genehmigungen für Flüssiggasprojekte.

Hiermit ist auch ein temporäres Exportverbot von amerikanischem Flüssiggas aus neuen Projekten verbunden, was unter Rohstoffanalysten zu der Befürchtung einer absehbaren Schieflage an den Erdöl- und Gasmärkten geführt hat.

In dem mehrheitlich durch die Republikaner kontrollierten Repräsentantenhaus wird seit vorletzter Woche der Versuch unternommen, diese Blockade zu beenden, auch wenn dieses Ansinnen aufgrund der momentanen Zusammensetzung des Washingtoner Kongresses sehr wahrscheinlich scheitern wird.

Selbst wenn sich im Repräsentantenhaus eine knappe Mehrheit der Abgeordneten zugunsten eines Gesetzes entscheiden sollte, mittels dessen die Blockade beendet würde, brauchte es hierfür die Zustimmung des mit hauchdünner Mehrheit durch die Demokraten kontrollierten Senats.

Letztendlich könnte Joe Biden angesichts seiner Vetomacht die Unterzeichnung eines solchen Gesetzes dann auch noch verweigern. Auch an den globalen Finanzmärkten hat die durch die Biden-Administration getroffene Entscheidung vielerorts zu Kopfschütteln geführt.

Flüssiggas ist wichtiger denn je

Einerseits hat die Produktion von fossilen Brennstoffen in den USA zuletzt wieder die einst zu beobachtenden Rekordwerte erreicht. Andererseits benötigen europäische Verbündete nach der signifikanten Drosselung des Erdgasflusses aus der Russischen Föderation, allen voran Deutschland, zur Deckung ihrer individuellen Energiebedürfnisse mehr Flüssiggas als jemals zuvor aus anderen Quellen.

Am Beispiel Deutschlands zeigt sich, dass Flüssiggas in den vergangenen beiden Jahren zu einer Schlüsselenergiequelle avanciert ist, auf die immer dann zurückgegriffen wird, wenn andere Energieträger gerade nicht in einem ausreichenden Bedarf zur Verfügung stehen oder alles andere nichts mehr hilft.

Auch unter Politikexperten wird der in den USA temporär verhängte LNG-Exportbann auf kontroverse Weise diskutiert. Denn wenn die Vereinigten Staaten als einer der wichtigsten Energie- und Flüssiggaslieferanten ausfallen, droht auf diese Weise auch der Zusammenhalt auf dem europäischen Kontinent unter die Räder zu geraten.

Mancherorts wird gar bereits von dem möglichen Beginn einer Zersplitterung innerhalb des wichtigsten Kernverteidigungsbündnisses des Westens, namentlich der Nordatlantikpakt-Organisation (NATO), gewarnt.

Deutschland stehe laut Beobachtern und Kommentatoren mit am stärksten unter Druck, weil sich die ökonomischen Auswirkungen, die angesichts der (Selbst-)Abkoppelung von den bis dahin ultragünstigen Pipelinegas-Ressourcen aus der Russischen Föderation immer sichtbarer werden, wie Mehltau über die deutsche Wirtschaft gelegt haben.

Nirgendwo sonst auf der Welt ist Energie zurzeit teurer als in Deutschland, was neben stark zunehmenden Unternehmenspleiten auch zu einer forcierten Standortabwanderungsdebatte unter heimischen Firmen aus allen Industriebereichen geführt hat.

Um den eigenen Interessen nach dem Einfrieren der im westlich Ausland deponierten Zentralbankreserven Ausdruck zu verleihen, unterzeichnete der russische Staatspräsident Wladimir Putin am 31. März 2022 ein Dekret, welches europäische Erdgaskäufer ab diesem Zeitpunkt zu einer Bezahlung auf Basis des russischen Rubels verpflichtete.

Die Unsicherheit wächst

Seitens der Europäischen Kommission wurde diese Kröte, augenscheinlich mangels echter Alternativen, geschluckt. Ferner erfolgte zur damaligen Zeit, der bisherigen Hochphase der Energiekrise, eine verbal abgegebene Rückversicherung durch die Biden-Administration gegenüber den europäischen Partnern, dass amerikanische Flüssiggasexporte zukünftig als Substitut für russische Erdgaslieferungen in stets ausreichender Menge zur Verfügung stehen werden.

Aus Sicht der Washingtoner Regierung wurden auf diese Weise zwei Ziele gleichzeitig erreicht. Erstens konnten die Europäische Union davon überzeugt werden, sich von den russischen Erdgaslieferungen sukzessive abzuwenden, um sich in einem Folgeschritt den durch die Vereinigten Staaten verhängten Sanktionen vorbehaltlos anzuschließen.

Zweitens gingen die USA aus diesem Prozess wirtschaftlich betrachtet als größter Profiteur aus diesem Rennen hervor, weil amerikanisches Flüssiggas bis zu fünfmal teurer ist als die russischen Pipeline-Lieferungen.

Es gibt noch einen dritten Aspekt, den es zu beachten gilt. Wurden Deutschland und andere europäische Nationen damals für ihre Naivität und den enormen Grad ihrer Abhängigkeit von russischen Erdgaslieferungen kritisiert, so hat sich diese Abhängigkeit in den letzten beiden Jahren eigentlich nur nach und nach verlagert – und zwar in Richtung der Vereinigten Staaten.

An den internationalen Flüssiggasmärkten geht dieser Umbruch erwartungsgemäß mit großen Turbulenzen einher. Einerseits gibt es global keine ausreichende Anzahl von LNG-Tankern, um mit der in diesem Bereich explodierenden Nachfrage mitzuhalten.

Andererseits hat sich die Lage an der Preisfront im Tankersektor, anders als im Fracht- und Containerschiffbereich, seit dem Auslaufen der Covid-Krise aufgrund der zuvor erwähnten Gründe nicht wesentlich entspannt.

Es empfiehlt sich in diesem Zusammenhang sich in Erinnerung zu rufen, dass die USA vor dem Jahr 2016 so gut wie überhaupt kein Flüssiggas in die Welt exportierten. Dies änderte sich aufgrund einer erfolgreichen Lobbyarbeit der amerikanischen Öl- und Gasindustrie in den Folgejahren.

Der Ausbruch des Krieges in der Ukraine brachte schließlich die finale Wende, sodass die LNG-Ausfuhren der Vereinigten Staaten im Jahr 2022 auf rund 86 Millionen metrische Tonnen kletterten.

Blicke richten sich auf Katar

Ferner bleibt zu bedenken, dass rund zwei Drittel dieser amerikanischen Flüssiggasausfuhren seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine an europäische Abnehmer geliefert wurden. Dass die Biden-Administration die Genehmigung von neuen Flüssiggasexporten Ende Januar für unbestimmte Zeit ausgesetzt hat, sind aus Sicht des Auslands keine guten Neuigkeiten.

Denn bislang angestellte Prognosen gingen unter Berücksichtigung eines vorbehaltlosen und schnellen Genehmigungsprozederes für neue Flüssiggasprojekte in den USA davon aus, dass sich die amerikanischen LNG-Exporte bis zum Ende dieses Jahrzehnts nochmals verdoppeln würden.

Bereits seit Beginn des Krieges in der Ukraine richten sich die begehrlichen Augen unter europäischen Regierungen, allen voran in Deutschland, ebenfalls auf den LNG-Produzenten Katar.

Doch Katar kann seine LNG-Lieferungen laut eigenen Aussagen bis auf Weiteres nicht in der auf dem europäischen Kontinent benötigten Höhe ausweiten. In Katar wird mit Hochdruck an einer Erweiterung von einem der weltweit größten Offshore-Gasfelder gearbeitet, wodurch sich die weltweite Versorgungslage in den nächsten Jahren ein wenig entspannen dürfte.

Allerdings darf hierbei nicht außer Acht gelassen werden, dass sich die Unternehmen aus der Volksrepublik China bereits frühzeitig um die Vereinbarung von Verträgen mit Katar bemüht hatten, wodurch sich der chinesische Einfluss in der Region gemehrt hat.

Ähnliche Beobachtungen lassen sich unter anderem auch im irakischen Zweistromland und im Iran anstellen, wo chinesische Konzerne an der Exploration und Weiterentwicklung von großen Energieprojekten direkt beteiligt sind.

Nichtsdestotrotz sollen die katarischen Flüssiggaslieferungen an Deutschland in den nächsten Jahren steigen. Da Katar einen Anteil an dem texanischen Flüssiggasterminal Golden Pass in Höhe von siebzig Prozent hält, spielten wohl auch Pläne einer Steigerung der Lieferungen an Deutschland von dieser Seite eine Rolle.

Wie ernst ist die Lage wirklich?

In Deutschland ist die hierfür benötigte Infrastruktur zum aktuellen Zeitpunkt größtenteils vorhanden. Seitens der europäischen Kommission wurden die zuvor erwähnten und Ende Januar getätigten Bekanntmachungen in den USA erst einmal herunter gespielt.

Danach sollen die Aussetzung von neuen LNG-Genehmigungen wie auch das temporäre Exportverbot aus neuen, amerikanischen Flüssiggasprojekten kurz- bis mittelfristig keine negativen Auswirkungen auf die Versorgungslage in der Europäischen Union haben.

Bis zu diesem Zeitpunkt unterstützte die US-Regierung die Bemühungen der Europäer um eine sukzessive Abkoppelung von russischen Erdgaslieferungen, indem die eigenen Exporte von Flüssiggas auf signifikante Weise gesteigert und parallel hierzu Druck auf die katarische Regierung ausgeübt wurde.

Doch inzwischen wachsen die Befürchtungen, dass sich einige der „temporären“ Maßnahmen in den Vereinigten Staaten verewigen könnten. Mittlerweile gehen auch amerikanische LNG-Firmen davon aus, dass manche der bislang ins Auge gefassten Projekte in der Heimat gar nicht mehr online gehen werden.

Eine Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus könnte die Dinge fundamental verändern

Und so wächst die eigens initiierte Unsicherheit auf beiden Seiten des Atlantiks. Amerikas Erdöl- und Frackinggassektor wird wahrscheinlich den Wunsch nach einer Nominierung und einen sich im November anschließenden Präsidentschaftswahlsieg von Donald Trump hegen.

Denn im Fall einer Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus werden die politischen Ketten, welche der heimischen Erdöl- und Erdgasindustrie durch die Biden-Administration angelegt wurden, aller Voraussicht nach komplett gesprengt werden.

Auch der nach der Amtsübernahme von Joe Biden unmittelbar gestoppte Bau der Keystone XL Pipeline dürfte dann wahrscheinlich sofort genehmigt und in Angriff genommen werden. Hauchzarte Kritik wird inzwischen an der Biden-Administration auch in Europa laut, weil der sogenannte Kohäsionsprozess zur gemeinsamen Bestrafung Russlands angesichts der durch das Weiße Haus Ende Januar beschlossenen Maßnahmen unterminiert wird.

Hinzu kommt, dass die beiden Erdölriesen Shell und British Petroleum kürzlich mitteilten, dass die weltweite Flüssiggasnachfrage bis zum Jahr 2050 um fünfzig Prozent steigen wird. Allein schon aus diesem Grund wird der in den USA ausgesprochene Exportbann für neue Flüssiggasexporte auf Sicht nicht zu unterschätzende Auswirkungen auf die Märkte ausüben.

Aus den aktuellen Prognosen von Shell, die einen Anstieg der Flüssiggasausfuhren der Vereinigten Staaten auf bis zu 200 Millionen metrische Tonnen pro Jahr bis Ende dieser Dekade vorsehen, wird unter diesen Umständen unter aller Voraussicht nichts werden.

Vielmehr gehen Energieanalysten davon aus, dass sich die weltweite Angebotssituation in diesem Bereich verschärfen wird. Dies gilt unter Berücksichtigung von vorherigen Aussagen der Washingtoner Administration, das eigene Land zu einem Garanten der weltweiten LNG-Versorgung machen zu wollen.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt unter anderem Bezug auf einen Bericht auf der Seite hklaw.com.

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Die Russische Föderation dürfte von den aktuellen Entwicklungen profitieren, weil es in den nächsten zwei bis drei Jahren zu russischen Flüssiggaslieferungen keine echten Alternativen geben wird – solange die im Januar beschlossenen Maßnahmen in den USA nicht aufgehoben werden.

Gas wird zudem wahrscheinlich auch in den kommenden Jahren teuer bleiben, was keine guten Neuigkeiten für europäische LNG-Importeure mit sich bringt. In diesem Zuge stellt sich auch die Frage, wie es mit den großen Wirtschaftsräumen auf dem europäischen Kontinent weitergehen wird. Allenthalben wird sich der enorme Grad der ökonomischen Unsicherheit angesichts von anhaltenden Energieproblemen verstetigen.

Drittstaaten, die sich bislang nicht oder nur schleppend an eine Umsetzung der Sanktionen gegenüber der Russischen Föderation gehalten haben, werden wie Indien aufgrund der Zweitsanktionen stärker unter Druck geraten, was auf dem wirtschaftlichen Wachstum vor Ort lasten dürfte.

Gleichzeitig werden die Transport- und Seefrachtpreise zusätzlich befeuert, was wiederum Auswirkungen auf die westliche Inflation haben und Zentralbanken unter Druck setzen wird. Mittlerweile wird mancherorts schon darüber diskutiert, ob es im laufenden Jahr überhaupt zu einer Zinssenkung in den USA kommen wird.

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