Die Probleme um den taumelnden Immobilienprojektentwickler China Evergrande werden sich angesichts des erklärten Schulden- und Zahlungsboykotts unter einer schnell wachsenden Anzahl von privaten Hypothekennehmern und Lieferanten im Bereich der Projektentwickler wohl nicht so bald lösen lassen.

Folge ist, dass der Vorstandsvorsitzende und Vizepräsident der China Evergrande Group, Xia Haijun, am Wochenende den Rücktritt von seinem Posten bekanntgegeben hat. Dieser Schritt sei nach eigenem Ersuchen des Unternehmens unausweichlich geworden, wie es in einer Reihe von lokalen Medienberichten hieß.

China-Evergrande-Vorstandschef tritt vor Veröffentlichung des internen Ermittlungsberichts zurück

Denn Xia Haijun wird durch den finanziell angeschlagenen Immobilienprojektentwickler einer internen Untersuchung unterzogen, auf deren abschließende Ergebnisse gewartet wird. Diese internen Untersuchungen drehen sich im Kern um die Frage, auf welche Weise Einlagen in einem Umfang von umgerechnet zwei Milliarden US-Dollar unter Xia Haijuns Aufsicht in Form von verpfändeten Sicherheitsgarantien genutzt worden sind.

Nicht nur chinesische Aufsichtsbehörden, sondern auch das Unternehmen selbst zeigen sich inzwischen davon überzeugt, dass der nun von seinem Posten zurückgetretene Vorstandschef Teil eines Finanzbetrugssystems, in dessen Zuge gleich mehrere Finanzmarktaufsichtsgesetze unterlaufen wurden, gewesen zu sein scheint.

Letztendlich führten diese Entwicklungen dazu, dass Banken und Kreditgeber auf die ehedem als Pfand hinterlegten Einlagen von Kunden einen Anspruch erhoben und diese in Form von mit Sicherheiten hinterlegten Gelder eingezogen haben.

Auch der Finanzvorstand von China Evergrande streicht die Segel

Über das vergangene Wochenende ist es nicht allein beim Rücktritt von Xia Haijun geblieben. Auch der Finanzvorstand von China Evergrande, Pan Darong, gab den Rücktritt von seinem Posten bekannt. Es wird allgemein davon ausgegangen, dass sich auch Pan Darong in diese Geschehnisse verstrickt sieht.

Seit Mitte der 1990er Jahre ist die China Evergrande Group zu einem der größten Bau- und Immobilienprojektentwickler in der Volksrepublik China aufgestiegen. Als sich die Finanz- und Regulierungsbehörden in China im Jahr 2020 dazu entschlossen hatten, neue Regelwerke und Regulierungsvorschriften zu verabschieden, um einer exzessiven Kreditaufnahme unter Darlehensnehmern einen Riegel vorzuschieben, drängte eine bis dahin unter der Oberfläche schwelende Krise bei China Evergrande ans Licht der Öffentlichkeit.

Im Windschatten von China Evergrande sind seitdem auch viele andere Unternehmen im chinesischen Bau- und Projektentwicklungssektor in eine existenzielle Krise geraten. Denn Unternehmen im Bau- und Projektfinanzierungssektor ist aufgrund der neuen Regulierungen die Möglichkeit genommen worden, immer weiter aufzuschulden.

Ein Dominoeffekt hat eingesetzt!

In der Vergangenheit aufgenommene Kredite lassen sich also nicht mehr so einfach durch eine Neuaufnahme von Krediten rollieren. Längst schon hat diese Entwicklung eine Art Dominoeffekt angestoßen, in dessen Zuge das wichtige Verhältnis der ausstehenden Schulden in Relation zu den bilanziell gehaltenen Vermögenswerten unter den großen Bauentwicklern in der Volksrepublik China in eine enorme Schieflage geraten ist.

Da sich anscheinend kaum mehr jemand dazu in der Lage sieht, eine treffsichere Aussage über den tatsächlichen Grad der Verschuldung in diesem wichtigsten Wirtschaftsbereich in der Volksrepublik China zu leisten, hat das Vertrauen unter potenziellen Immobilienkäufern, Hypothekennehmern und Kreditgebern in die Überlebensfähigkeit der meisten Sektorfirmen in den vergangenen zwei Jahren stark abgenommen.

Dass auch viele Lokal- und Kommunalbanken zu wackeln beginnen, zeigte sich im Verlauf der vergangenen drei Wochen anhand der Vorkommnisse in der Provinz Henan, in welcher aufgebrachte Sparer und Konteninhaber diverse Bankfilialen stürmten und sich dabei auch handgreifliche Auseinandersetzungen und Scharmützel mit den örtlichen Polizei- und Sicherheitskräften geliefert haben.

Was die China Evergrande Group anbelangt, so haben sich deren Einnahmen seit Spätsommer des letzten Jahres nicht nur signifikant verringert, sondern auch die Verschuldungssituation des Konzerns hat seitdem zu einer massiven Liquiditätskrise bei dem Bauprojektentwickler beigetragen.

Droht eine globale Krise?

Unterdessen wachsen die Sorgen an den internationalen Finanzmärkten, weil inzwischen davon ausgegangen werden muss, dass die signifikante Verschlechterung der Lage an Chinas Immobilienmärkten schon bald auf den Bankensektor des Landes überspringen könnte, um sich hieran anschließend zu einer globalen Krise zu entwickeln, wie es am Wochenende in einem Bericht auf der Seite von Barron´s hieß.

In einer Analyse von ANZ Research wurde im laufenden Monat darauf hingewiesen, dass die ausstehenden Kredite im Immobiliensektor sich auf gut zwanzig Prozent in Relation zu allen in der Volksrepublik China ausstehenden Darlehen belaufen.

Aus Sicht von etwa siebzig Prozent aller Sparer im Land erweist sich der Immobiliensektor als wichtigster Anlagebereich, in welchem sich ein Großteil von deren Ersparnissen investiert sieht.

Dass die Anzahl der Hypothekennehmer im Bereich von noch nicht fertig gestellten Bau- und Immobilienprojekten, die einen Schuldenboykott erklärt haben, im ganzen Land in einem hohen Tempo zunimmt, liegt vor allem an der Tatsache, dass sich viele dieser Hypotheken aufgrund der rückläufigen Preise an den chinesischen Immobilienmärkten inzwischen unter Wasser befinden.

Heißt also, dass die Häuser- und Wohnungspreise inzwischen vielerorts unter die ehedem aufgenommenen Hypothekenwerte gesunken sind. Ein solches Phänomen ließ sich zuletzt im Zuge der globalen Finanz- und Bankenkrise in den Vereinigten Staaten zwischen den Jahren 2007 bis 2010 beobachten.

Auch in Amerika gaben damals viele Hypothekennehmer einfach „ihre Hausschlüssel“ bei den kreditgebenden Banken ab, um sich ihren monatlichen Zahlungen zu entziehen. Wie die Ratingagentur Fitch zu Beginn der vergangenen Woche warnte, habe die sich momentan in China entwickelnde Situation das Zeug dazu, um sich zu einer globalen Krise auszuwachsen.

Wirtschaftliche und soziale Auswirkungen könnten enorm sein

Denn sollten die (bewusst in Kauf genommenen) Zahlungsausfälle im Immobilien- und Hypothekensektor des Landes noch weiter an Fahrt aufnehmen, werde dies sowohl mit weitläufigen wirtschaftlichen wie auch sozialen Auswirkungen Hand in Hand gehen.

Wahrscheinlich nicht von ungefähr hatte die Federal Reserve Bank in den Vereinigten Staaten im November letzten Jahres davor gewarnt, dass eine Verschlimmerung der Situation an den chinesischen Bau- und Immobilienmärkten ernstzunehmende Auswirkungen auf die globalen Finanzmärkte wie auch auf die Wirtschaft in den USA zur Folge haben würde.

Dass die Fed ihren Leitzins in den USA weiter anhebt wird diese Gefahren zusätzlich nähren, weil ein potenziell noch stärker im Außenwert anziehender US-Dollar nicht nur Carry Trades, sondern auch die wirtschaftliche Stabilität in vielen Emerging Markets, der Volksrepublik China und an den globalen Finanzmärkten in Gefahr zu bringen droht.

Wieder einmal sprechen wir also über eine mögliche Ketten- und Dominoreaktion, die das globale Finanzsystem ins Wanken bringen könnte – dieses Mal nicht ausgehend von den USA, sondern von der Volksrepublik China.

Bailout-Fonds auf Lokalebene: Wird das reichen?

Inzwischen geben sich Lokalregierungen wie in der chinesischen Provinz Henan zwar alle Mühe dabei, sogenannte Bailout-Fonds ins Leben zu rufen, um auf diese Weise finanziell angeschlagenen Immobilienprojektentwicklern dabei zu helfen, bislang nicht fertig gestellte Bauprojekte zu beenden.

Doch wer hegt in dieses dem Untergang geweihte Ponzi-System an Chinas Immobilien- und Kreditmärkten tatsächlich noch Vertrauen? Schließlich sehen sich auch die meisten Lokal- und Provinzregierungen in der Volksrepublik China bis über beide Ohren verschuldet.

Zu Beginn der vergangenen Woche hatten die chinesischen Finanzaufsichtsbehörden einen Plan in Aussicht gestellt, welcher es Hypothekennehmern im Bereich von bislang nicht fertig gestellten Bauprojekten erlauben würde, deren Zahlungen temporär auszusetzen, ohne dass es angesichts einer solchen Maßnahme zu Strafgebühren kommen würde.

Allerdings scheint dieser Plan mit weitläufigen Risiken und Gefahren einherzugehen, so Analysten, da es in einem solchen Fall ganz schnell zu Zahlungsboykotten auch in anderen Bereichen an den chinesischen Kreditmärkten zu kommen drohe.

Jennifer Zeng erklärt die Situation: Kollaps an Chinas Immobilienmärkten droht einhundert Mal größer auszufallen als (in den USA) im Jahr 2008

 

Aus politischer Perspektive und aus Sicht von Staatspräsident Xi Jinping hätten die sich momentan in der Volksrepublik China abzeichnenden Entwicklungen zu keinem schlechteren Zeitpunkt kommen können.

Denn in nur wenigen Monaten steht der nur einmal in fünf Jahren abzuhaltende Kongress der Kommunistischen Partei Chinas auf der politischen Agenda. Trotz der innerhalb des chinesischen Führungskaders ausgebrochenen Flügelkämpfe (siehe HIER und HIER) wurde bis dato von der Erwartung ausgegangen, dass sich Xi Jinping eine dritte Präsidentenamtszeit würde sichern können.

Wie stark ist der Rückhalt der Pekinger Regierung in der heimischen Bevölkerung?

Angesichts der sich in einem hohen Tempo intensivierenden Wirtschaftsprobleme und eines zunehmenden Widerstandes unter weiten Teilen der chinesischen Bevölkerung gegen die „No-Covid-Strategie“ der Pekinger Regierung scheint diese Erwartung allerdings nicht mehr in Stein gemeißelt zu sein.

Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang abschließend darauf, dass Pläne der Pekinger Stadtverwaltung Anfang Juli vorgesehen hatten, die Teilnahme am öffentlichen Leben in der Hauptstadt des Landes nur noch geimpften Bürgern zu ermöglichen.

Dieser Plan scheiterte allerdings bevor er überhaupt umgesetzt werden konnte, weil es unter den Einwohnern der Hauptstadt aus diesem Grund zu Aufruhr und einer mehrheitlich ablehnenden Haltung dieses Plans gekommen war.

Es zeigt sich anhand dieser Entwicklungen, dass sich selbst die allmächtige Kommunistische Partei Chinas nicht dazu in der Lage sieht, alles im Alleingang und über den Kopf der eigenen Bürger hinweg zu entscheiden.

Ohnehin muss die intern zunehmend in verschiedene Lager gespaltene Kommunistische Partei Chinas aufpassen, der eigenen Bevölkerung nicht zu sehr vor den Kopf zu stoßen, um sich auch in der Zukunft den mehrheitlichen Rückhalt unter den Einwohnern des Landes zu sichern und zu erhalten.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt Bezug auf einen Bericht auf der Seite von nasdaq.com.

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Nichts fürchtet die KP Chinas so sehr wie das Entstehen von sozialen Unruhen im Land, wie sich ehedem zu Zeiten der globalen Finanzkrise gezeigt hatte. Da nicht nur die allgemeine Unzufriedenheit mit der durch die Pekinger Regierung verfolgten „No-Covid-Strategie“ im ganzen Land wächst, sondern sich jetzt auch gravierende Wirtschafts- und Finanzprobleme hinzugesellen, dürfen die weiteren Entwicklungen in China keineswegs außer Acht gelassen werden.

Vielmehr gilt es, die weiteren Entwicklungen aufmerksam zu verfolgen, da von China definitiv Risiken und Gefahren in Bezug auf die mögliche Entstehung einer Systemkrise ausgehen.

Abschließend sei hier noch darauf hingewiesen, dass sogenannte „Faktenprüfer“ von AP und Newsweek sich Mühe gaben, die unter anderem in der Provinz Shandong in kursierenden Videos zu sehenden Panzerkolonnen im Stadtzentrum von Rizhao inhaltlich zu entkräften.

Es handele sich hierbei wohl nicht um den Versuch, Sparer und Konteninhaber von einer durch Insolvenzen bedrohte Banken einzuschüchtern, wie es seitens dieser „Faktenprüfer“ hieß. AP machte beispielsweise eine Militärübung für die erschreckenden Bilder und Videos verantwortlich. Tatsächlich? Ausgerechnet des Nachts und diese Übung Panzer an Panzer im Stadtzentrum von beispielsweise Rizhao abhaltend?

Internationale Medien hatten über die in der Volksrepublik China zu beobachtenden Geschehnisse in der letzten Woche hingegen wie folgt berichtet:

 

Wenn diese sogenannten „Faktenprüfer“ im Hinblick auf die aktuellen Geschehnisse in China ebenso nah an der Wahrheit liegen sollten, wie in anderen Fällen in der Vergangenheit…dann gute Nacht, Marie!

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