Sie werden inzwischen gehört haben, dass die amerikanische Wirtschaft im ersten Quartal 2019 auf annualisierter Basis um 3,2 % gewachsen ist. Diese statistischen Daten wurden uns am vergangenen Freitag durch das Handelsministerium präsentiert. Dieses recht starke Wachstum gesellt sich zu einer ökonomischen Expansion von 4,2 % im zweiten Quartal 2018 sowie 3,4% im dritten Quartal 2018. 

Wachstumsrate offiziell im historischen Durchschnitt – Grund: Aufbau von Lagerbeständen & Infrastrukturausgaben

Resultat ist, dass die amerikanische Wirtschaft im Verlauf der letzten zwölf Monate auf annualisierter Basis um rund 3,25% gewachsen ist – ein voller Prozentpunkt mehr im Vergleich mit der durchschnittlichen Wachstumsrate seit Juni 2009, als die wirtschaftliche Erholung einsetzte.

Die aktuelle Wachstumsrate befindet sich in Einklang mit einer Wachstumsrate von 3,22 %, die in Phasen der wirtschaftlichen Erholung seit dem Jahr 1980 durchschnittlich erreicht wurde. Es sieht so aus, als ob sich die „neue Normalität“ an die alte Normalität eines Trendwachstums von drei Prozent - oder gar etwas mehr - angepasst hat.

Oder doch nicht? Die Headline-Meldung über eine Wachstumsrate von 3,2 % war gewiss eine gute Nachricht. Doch die dieser Wachstumsrate zugrundeliegenden Daten erweisen sich als weit weniger ermutigend. Denn der Löwenanteil des Wachstums resultierte aus dem Aufbau von Lagerbeständen und Regierungsausgaben (hauptsächlich im Autobahn- und Straßenbau).

Tatsache ist, dass die amerikanischen Unternehmen ihre Lagerbestände nicht noch weiter aufstocken werden, wenn sich die Endnachfrage als schwach erweist. Und hierin findet sich jener Aspekt, der das Wachstum der persönlichen Konsumausgaben in Höhe von 0,8 % zu einem Problem werden lässt.

Amerikas Verbraucher nahmen im ersten Quartal nicht an dieser Party teil. Wenn Amerikas Konsumenten sich nicht bald an der Party beteiligen, werden die Lagerbestandsdaten einen Klippensturz erleiden. Gleichsam erwecken die massiven Regierungsausgaben den Anschein eines Einmaleffektes.

Disinflation: Kerninflation eingebrochen – auf dem Weg in die Deflation?

Schließlich lassen sich dieselben Autobahnen und Straßen nicht ein zweites Mal bauen. Erste Anzeichen deuten darauf hin, dass das zweite Quartal schwach begonnen hat. Graben Sie noch ein wenig tiefer in den Daten, so lässt sich erkennen, dass die Kerninflation (das durch die Fed bevorzugte Inflationsbarometer) zuletzt von 1,8 % auf 1,3 % eingebrochen ist.

Wir haben es auf Basis von offiziellen Daten momentan also mit einer starken Disinflation zu tun. Zudem befinden wir uns gefährlich nahe an dem Punkt, wo das Ganze in eine Deflation übergehen könnte, was sich aus Sicht der Fed als größter Albtraum erweisen würde. Aktuelle Daten weisen lediglich darauf hin, dass die Federal Reserve weiter denn je von ihrem selbst gesetzten Inflationsziel von zwei Prozent entfernt ist.

Eigentlich sollte das Inflationsziel bei 0 Prozent liegen!

Der gesunde Menschenverstand sagt uns, dass Preisstabilität mit null Inflation sowie null Deflation einhergehen sollte. Ein US-Dollar sollte aus heutiger Sicht betrachtet in fünf Jahren dieselbe Kaufkraft aufweisen, wie momentan. Selbstverständlich würde diese Kaufkraft auf „durchschnittlicher Basis“ gemessen, da sich einige Produktpreise in einem beständigen Auf und Ab befinden. Die hiermit einhergehenden Gründe haben nichts mit der Fed zu tun.

Wichtig ist in diesem Kontext die Frage, wie der Preisindex beschaffen ist und aus welchen Produktkategorien er sich zusammensetzt. Es handelt sich um eine inakkurate Wissenschaft, doch eine Nullinflation würde sich aus meiner Sicht als korrektes Ziel erweisen. Doch das selbst gesetzte Inflationsziel der Fed liegt bei zwei Prozent – und nicht bei null Prozent. Auch wenn sich zwei Prozent aus Ihrer Sicht vielleicht niedrig anhören, so wäre diese Sichtweise falsch.  

Fed braucht den Puffer zur Begegnung einer Rezession

Denn eine Jahresinflation von zwei Prozent reduziert die Kaufkraft des US-Dollars in einem Zeitraum von 35 Jahren um die Hälfte. Nach weiteren 35 Jahren halbiert sich die Kaufkraft abermals. Aus dieser Tatsache leitet sich ab, dass sich die Kaufkraft des US-Dollars im Verlauf einer durchschnittlichen Lebensspanne um 75 % reduziert!

Eine Jahresinflation von drei Prozent reduziert die Kaufkraft des USD in derselben Lebensspanne um fast 90 %. Ich stelle Ihnen nun also nochmals meine Eingangsfrage. Warum hat sich die Fed ein Inflationsziel von zwei Prozent anstatt von null Prozent gesetzt? Grund hierfür ist, dass die Fed ihren Leitzins senken muss, um die Wirtschaft wieder flott zu bekommen, falls es zum Einsetzen von einer Rezession kommt.

Wenn sich die Zinsen und die Inflation bereits bei Null befinden, gäbe es nichts mehr zu senken, so dass wir uns auf ewig in einer Rezession gefangen sähen. In einer solchen Lage sahen wir uns zwischen den Jahren 2008 und 2015. Die Fed hat ihren Leitzins seit jener Zeit sukzessive angehoben, so dass nun erneut Spielraum besteht, um die Zinsen in der nächsten Rezession zu senken.  

Inflation durch Notenbanken schwer steuerbar – die Verbraucher entscheiden. Resultat: Vermögenspreise gehen durch die Decke

Doch ganz so einfach liegen die Dinge nicht. Die Fed kann ihren Leitzins so oft sie möchte anheben oder senken, doch sie sieht sich nicht dazu in der Lage, Inflation zu produzieren. Denn der Faktor Inflation hängt einzig und allein von der Verbraucherpsychologie ab. Wir haben in den letzten Jahren keine ausufernde Verbraucherpreisinflation durchlebt, doch wir blicken auf eine massive Vermögenspreisinflation.

„Inflation“ hat sich also bisher nicht in den Verbraucherpreisen, sondern in den Vermögenspreisen manifestiert. Das durch Zentralbanken auf elektronische Weise erzeugte Geld muss irgendwo hinfließen. Anstelle Alltagsgütern aller Art hinterher zu jagen, haben sich Investoren auf die Jagd nach Renditen begeben.

Greenspan lässt grüßen: 6 Billionen frische USD füttern Vermögens-Preisblase

Yale-Ökonom Stephen Roach hat darauf hingewiesen, dass die Bilanzbücher der Fed, der Bank of Japan und der EZB zwischen den Jahren 2008 und 2017 zusammen um über acht Billionen US-Dollar expandiert wurden, während das nominale BIP in den zugrundeliegenden Ökonomien im selben Zeitraum gerade einmal um etwas mehr als zwei Billionen US-Dollar wuchs.

Was geschieht, wenn umgerechnet über acht Billionen US-Dollar in frischem Geld erzeugt werden, um in diesem Zuge gerade einmal ein Wachstum von zwei Billionen US-Dollar zu erzeugen? Was ist mit den zusätzlichen sechs Billionen US-Dollar an elektronisch erzeugtem Geld geschehen? Antwort hierauf ist, dass dieses Geld an die Vermögensmärkte geflossen ist.

Die Preise von Aktien, Bonds und Immobilien wurden allesamt durch das Gelddrucken der Zentralbanken aufgepumpt. Die Fed, zuerst unter Ben Bernanke und danach unter Janet Yellen, begab sich in die Fußstapfen von Alan Greenspan und dessen Vorbild in den Jahren 2005 und 2006.

Alles-Blase: „Hyper-Synchronität“ führt in Liquiditätskrise, die 2008 verblassen lässt

Greenspan beließ den amerikanischen Leitzins damals über einen zu langen Zeitraum zu niedrig, worauf sich eine monströse Blase an den Immobilienmärkten ausbildete, deren Platzen die Finanzwelt im Jahr 2008 an den Rand eines kompletten Zusammenbruchs brachte. Ben Bernanke und Janet Yellen beließen den Leitzins in den USA ebenfalls über einen zu langen Zeitraum auf einem zu niedrigen Niveau.

Bei der Fed hätte mit einer Normalisierung der Zinsen und des eigenen Bilanzbuchs bereits im Jahr 2010 in der Frühphase der aktuellen Expansion begonnen werden sollen. Damals hätte die Wirtschaft das unter Umständen noch wegstecken können. Doch es wurde nicht auf diese Weise gemacht.

Bernanke und Yellen blicken nun nicht auf eine monströse Blase an den gewerblichen und privaten Immobilienmärkten. Anstelle dessen blicken sie jetzt auf eine aufgepumpte „Alles-Blase“. Im historischen Zeitablauf wird man die heutige Alles-Blase rückblickend als größte Schandtat der Zentralbanken ausgemacht haben. Das Problem mit den Vermögenspreisen ist, dass diese sich nicht in einer sanften, linearen Bewegung befinden.

Vermögenspreise hetzen in der Blasenphase nach oben, und verfallen in Panik, wenn die Luft aus der Blase entweicht. Selbst kleine Bewegungen haben das Zeug dazu, außer Kontrolle zu geraten. Die technische Bezeichnung hierfür lautet „Hyper-Synchronität“, die zu einer globalen Liquiditätskrise führen wird, die schlimmer als jene im Jahr 2008 zu werden droht.

Zu hohe Schulden, zu geringes Wachstum: Mit Vollgas in die Staatsschuldenkrise

Hebt die Fed ihren Leitzins in Ermangelung von Inflation an, können höhere Realzinsen eine Rezession und/oder einen Markt-Crash auslösen, welche(n) sich die Fed eigentlich zum Ziel gesetzt hatte zu beheben. Die systemischen Gefahren liegen auf der Hand. Unsere Welt bewegt sich in beschleunigtem Tempo auf den Ausbruch einer Staatsschuldenkrise zu, weil weltweit zu hohe Schulden bei zu geringem Wachstum ausstehen.

Eine zulegende Inflation würde dabei helfen, den realen Wert der ausstehenden Schulden zu minimieren, doch Zentralbanken haben sich bezüglich Inflationserzeugung augenscheinlich als impotent erwiesen. Jetzt blicken die Zentralbanken dem möglichen Ausbruch einer Rezession ins Auge, die mit mehr Deflation einhergehen würde. In ihrem Kampf gegen Windmühlen verbleiben ihnen zudem nur noch wenige Optionen.

Inflationszielerhöhung & MMT: Es drohen radikale Schritte

Bei der Fed zieht man einige radikale Ideen in Erwägung, um jene Inflation zu erzeugen, die aus ihrer Sicht so verzweifelt benötigt wird. Eine dieser Ideen dreht sich darum, das selbst gesetzte Inflationsziel von zwei Prozent aufzugeben, um die Inflation so hoch wie nötig ansteigen zu lassen, womit sich die Inflationserwartungen an den Märkten verändern würden.

Gleichzeitig stünde der Fed wieder einiges an trockenem Pulver zur Bekämpfung der nächsten Rezession zur Verfügung. Darüber hinaus wird über eine Reihe von weiteren - noch drastischeren - Lösungen gesprochen. Ich habe Ihnen in der Vergangenheit ausführlich dargelegt, auf welche Weise die Modern Monetary Theory (MMT) in bestimmten Kreisen der Demokraten immer populärer wird, obwohl die Fed sich selbst dagegen ausspricht.

Es lässt sich jedoch nicht ausschließen, dass es zum Einsatz von MMT kommen wird, falls die Demokraten die Präsidentschaftswahlen im Jahr 2020 gewinnen sollten. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass eine Inflation von drei Prozent oder gar vier Prozent schneller unter uns sein könnte als es momentan an den Märkten angenommen wird.

Schubkarren bereit? Angestoßene Inflation kann schnell außer Kontrolle geraten…

All jene, die eine höhere Inflation wollen, sollten vorsichtig damit sein, was sie sich so dringend herbeiwünschen. Wenn die Inflationserwartungen an den Märkten erst einmal zunehmen, kann die Situation recht schnell außer Kontrolle geraten. Setzt eine solche Entwicklung ein, wird die Inflation wahrscheinlich galoppieren. Prozentual doppelstellige Inflationsraten könnten die Folge sein.

Im Fall von prozentual doppelstelligen Inflationsraten handelt es sich um eine nicht-lineare Entwicklung. Was ich damit meine, ist, dass die Inflation, wenn sie einmal einsetzt, nicht einfach von zwei Prozent auf drei Prozent, von drei Prozent auf vier Prozent und von vier Prozent auf fünf Prozent klettert. Es erweist sich als schwierig, die Inflation von zwei Prozent auf drei Prozent zu steigern. Letztendlich ist es eben das, was die Fed so gerne möchte und über die letzten Jahre erfolglos angestrebt hat.

Ausgehend von diesen noch überschaubaren Niveaus kann es jedoch ganz schnell zu einem Inflationsschub kommen. Wir könnten also einen heißen Kampf erleben, der eine Anhebung der Inflation von zwei Prozent auf drei Prozent vorsähe. Danach könnte es dann auf einmal ganz schnell zu einem Sprung auf sechs Prozent und in der Folge auf neun Prozent oder zehn Prozent kommen. Tatsache ist, dass die Inflation ganz schnell außer Kontrolle geraten könnte.

Wenn die Leute erst einmal daran glauben, dass es zum Einsetzen von Inflation kommen wird, werden sie sich in Scharen an diese Erwartung anpassen. Die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes würde sich erhöhen, worauf es schon bald zum Einsetzen von Inflation käme, solange das Geldangebot nicht drastisch beschnitten würde.

Ich möchte abschließend darauf hinweisen, dass es mir nicht darum geht, eine spezifische Prognose zur Inflationsentwicklung abzugeben. Doch wenn die von mir beschriebene Entwicklung einsetzen sollte, könnte sich dies alles in hoher Geschwindigkeit abspielen.

Bei der Fed wird mit dem Feuer gespielt, wenn dort davon ausgegangen wird, das eigens gesetzte Inflationsziel ohne Konsequenzen zu überschreiten. Aus heutiger Sicht stellt sich dieses Problem noch nicht. Doch eines Tages vielleicht schon.

Ihr,
Jim Rickards

Gastbeitrag für CK*Wirtschaftsfacts / © Jim Rickards / The Daily Reckoning / Agora Publishing

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"