Am Dienstag war es dann endlich soweit, nachdem die Zusammensetzung einer neuen Regierung verlautbart wurde. Staatspräsident Michel Aoun teilte mit, dass die durch Hassan Diab neu zusammengestellte Polit-Führung so schnell wie möglich das Vertrauen unter internationalen Investoren zurückgewinnen müsse.

Zahlungsausfall- und Abwertungsrisiko: Kampf um das Vertrauen der Investoren

Denn der Libanon steht zurzeit am Abgrund einer Klippe, da das Land nicht nur einem potenziellen Zahlungsausfall ins Auge blickt, sondern auch vor einer massiven Abwertung seiner Währung nicht gefeit ist.

Nur durch eine Rückeroberung von Vertrauen werde es dem Libanon möglich sein, so Aoun, externe Finanzierungen sicherzustellen, die das Land dringend benötige. Dass mit einer Rückeroberung von Vertrauen jedoch zuerst einmal eine Umsetzung von massiven Reformen einhergehen muss, ließ Aoun nahezu unerwähnt.

Wirtschaftskrise macht massive Reformen notwendig – neue Regierung wird von Hisbollah unterstützt

Aoun gab der neuen Regierung mit auf den Weg, dass deren Aufgabe delikat sei. Denn neben einer Wiederherstellung von Vertrauen unter internationalen Investoren geht es aus Sicht des Libanons in erster Linie darum, die weitreichende Wirtschaftskrise anzugehen.

Viele Libanesen haben in letzter Zeit nämlich den Glauben an die Zukunftsfähigkeit ihres Landes verloren, was auch zu einem hohen Grad an der außer Rand und Band befindlichen Korruption zu liegen scheint.

Der neue Premierminister Hassan Diab sah sich im Vorgängerkabinett in der Position des Bildungsministers verantwortlich. Wichtig ist aus dem Blickwinkel der politischen Begebenheiten im Libanon, dass der neue Regierungschef durch die schiitische Hisbollah unterstützt wird.

Alltagsleben ist zum Stillstand gekommen

In der Zwischenzeit ist das Alltagsleben in der Hauptstadt Beirut im Angesicht der weiter anhaltenden Proteste nahezu zu einem Stillstand gekommen, wie örtliche Medien berichten. Eine sich im Land massiv ausweitende Liquiditätskrise hatte zur Einführung von strikten Kapitalkontrollen geführt.

Konteninhabern ist es seitdem nicht mehr gestattet, mehr als umgerechnet 200 US-Dollar von ihren Bankkonten wöchentlich abzuheben. Diese Situation hält nun schon seit mehr als zwei Monaten an, da libanesische Geschäftsbanken mit allen Mitteln einen Transfer von hohen Geldbeträgen außer Landes verhindern wollen.

Zuletzt befanden sich landesweit mehr als eine Millionen Demonstranten – oder ein Fünftel der Landesbevölkerung – auf den Straßen, um ihrem Ärger Ausdruck zu verleihen. In diesem Zuge wurden vor allem Frontfenster von Banken wie auch Geldautomaten zerstört. Die prekäre Finanzsituation des Libanons hat inzwischen dazu geführt, dass sich viele Investoren an den internationalen Finanzmärkten gegen einen Staatsbankrott absichern.

Stützungsversuche für das libanesische Pfund

Ein im März auslaufender Eurobond in einem Umfang von 1,2 Milliarden US-Dollar sah sich in der vergangenen Woche im Zentrum eines deutlichen Kursabsturzes. Hauptgrund hierfür mögen Berichte gewesen sein, laut denen lokale Banken die Schuldpapiere abgestoßen hätten, um nicht an einem durch die Zentralbank ins Auge gefassten Schuldentausch partizipieren zu müssen.

Das libanesische Pfund ist an den heimischen Schwarzmärkten zuletzt auf bis zu 2.500 pro US-Dollar gesunken. Die Zentralbank hält den offiziellen Kurs des libanesischen Pfunds hingegen seit Wochen bei 1.507 pro US-Dollar stabil.

Kurz vor der Vereidigung der neuen Regierung gaben lokale Wechselstuben bekannt, US-Dollars für nicht mehr als 2.000 libanesische Pfund zu verkaufen, in dem Bemühen, die Last der jüngst erfolgten Preisanstiege ein wenig von den Schultern der heimischen Verbraucher zu nehmen.

Diab teilte in seiner Regierungsansprache mit, dass

die Szenen, die wir in den letzten Tagen verfolgt haben, schmerzhaft waren. Es ist deshalb dringend geboten und äußerst wichtig, die allgemeine Stabilität im Land aufrechtzuerhalten und die libanesischen Streit- und Polizeikräfte zu unterstützen“.

Golfstaaten als Geldgeber?

Diab deutete darauf hin, dass er die Absicht verfolge, seine erste Auslandsreise in die Golfstaaten anzutreten. Dieses Ansinnen wird seine Gründe haben, da die Golfstaaten in jüngster Zeit einen großen Teil jener Finanzierungen bereitgestellt hatten, auf die der Libanon so dringend angewiesen ist. 

Doch ganz so einfach dürfte es nicht werden, Geldgeber in den Golfstaaten bei Laune zu halten. Dies liegt in erster Linie daran, dass eine libanesische Regierung erstmals in der Historie des Landes durch die schiitische Hisbollah kontrolliert wird. Und hinter der Hisbollah steht nun einmal der Iran.

Libanesische Parteien, die typischerweise die Unterstützung des Westens genießen, harren der Dinge hingegen von der Seitenlinie aus. Dass sich die Krise im Libanon, die sich aus den drei Elementen einer Polit-, Banken- und Schuldenkrise zusammensetzt, auf diese Weise gelöst werden kann, bezweifelt eine große Mehrheit der Beobachter.

Weitere Proteste angekündigt

Vielmehr haben zahlreiche Aktivisten bereits angekündigt, ihre Proteste auf den Straßen intensivieren zu wollen. Es wird sich bald zeigen, ob die breiten Bevölkerungsmassen gewillt sein werden, sich deren Aufrufen anzuschließen.

„Was heißt das konkret für mich konkret!?“

Verlieren wir die Entwicklungen im Nahen und Mittleren Osten nicht aus den Augen, um Einschätzungen über ein mögliches Zusammenwachsen oder Überspringen von bereits bestehenden Konflikten auf Anrainer- und Nachbarländer besser treffen zu können.

Der Libanon ist zwar nur ein kleines Land, ist durch seine geographische Lage und Nachbarschaft zu Israel jedoch von strategischer Bedeutung. Ein wirtschaftlicher Kollaps im Libanon wird in dessen Nachbarländern, die wie Syrien bereits destabilisiert sind, ein Echo finden.



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