In den heutigen Ausführungen wird an den Bericht von Freitag letzter Woche angeschlossen, womit die jüngst im Roundtable-Gespräch mit Hedgefonds Manager Yra Harris getätigten Aussagen von Zoltan Pozsar zu Bretton Woods III und den sich abzeichnenden Umbrüchen an den globalen Finanz- und Währungsmärkten noch einmal ins Blickfeld der Betrachtung rücken sollen.

 

 

Zweifellos handele es sich im Fall einer Verhängung von Finanz- und Wirtschaftssanktionen um einen Akt des Krieges. Was einst einmal als diplomatischer Konflikt begonnen habe, sei vor einigen Wochen in den Ausbruch einer militärischen Auseinandersetzung gemündet, was dann seitens der USA und des Westens wiederum zu einer Verhängung von weitreichenden Sanktionen gegenüber der Russischen Föderation geführt hat.

Kaum jemand hat die Entwicklungen auch nur ansatzweise vorhergesehen

Als höchst interessant erweist sich aus Sicht von Zoltan Pozsar die Tatsache, dass vor einigen Wochen sich noch kaum jemand habe vorstellen können, zum jetzigen Zeitpunkt über derlei Dinge zu sprechen.

Im Zentrum der allgemeinen Betrachtungen stünde dabei nicht nur der Krieg in der Ukraine, sondern auch eine ganze Reihe von zusätzlichen – und sich gegenseitig befeuernden – Krisen. Dazu zählten primär eine global vorherrschende Energiemarktkrise, eine zunehmend an Fahrt aufnehmende Inflationskrise, immense strukturelle Probleme in der globalen Wirtschaft, eine gefährliche Lieferkettenkrise sowie Inflationserwartungen, die sich vielerorts dynamisierten.

Die geläufigsten Debatten an den internationalen Finanzmärkten rücken inzwischen nahezu ausschließlich die Federal Reserve Bank in ihren Fokus. Was kann oder sollte die Fed tun, um sich diesen Dingen entgegenzustemmen? Oder wie steht es um die Zukunft des US-Dollars?

Dabei sei doch mittlerweile eigentlich jedermann bewusst geworden, dass die international zu beobachtenden Preisteuerungen nicht einmal so sehr nachfragegetrieben, sondern vielmehr auf einer sich ausweitenden Krise an den Angebotsmärkten samt teilweise stark beschädigten Liefer- und Wertschöpfungsketten basierten. Hierauf trifft zusätzlich ein Berg an elektronisch erzeugten Geldes.

Bereits bestehende Strukturprobleme wurden durch westliche Sanktionen zusätzlich verschärft

Ein guter Teil der sich über den Verlauf der letzten beiden Jahre zusehends verschärfenden Strukturprobleme sei jetzt noch einmal zusätzlich durch eine Verhängung dieser westlichen Sanktionen gegenüber der Russischen Föderation verursacht worden.

Er sei selbst zwar kein ausgewiesener Experte in außenpolitischen Angelegenheiten, doch festzuhalten bleibe, dass sich im Westen vor wenigen Wochen noch kaum jemand habe vorstellen können, zum jetzigen Zeitpunkt über diese sich Bahn brechenden Themen landauf, landab zu diskutieren, wie Zoltan Pozsar befindet.

An den Finanzmärkten beginne sich ein völlig neues Regime unter Berücksichtigung der allgemeinen Finanz- und Preisstabilität abzuzeichnen. Ferner gelangt Zoltan Pozsar zu dem Fazit, dass sich unter den politisch Verantwortlichen des Westens wohl niemand über die Konsequenzen einer Verhängung der jüngst bekanntgegebenen Sanktionen im Vorfeld Gedanken gemacht habe, weil sich der internationale Rohstoffhandel in Gänze von solchen Überlegungen ausgeschlossen gesehen habe.

Die daraus resultierenden Folgen ließen sich nun allerorten beobachten. Tatsache sei, dass bislang davor zurückgeschreckt wurde, Einheiten wie die Gazprom-Bank samt großer Teile des russischen Energiesektors mit ebensolchen Sanktionen zu belegen.

Die Gazprom-Bank, zentrale Schalt- und Transaktionsstelle im Kapital- und Rohstofffluss zwischen der Russischen Föderation und dem Westen, sieht sich bislang weder vom System SWIFT noch von den westlichen Finanz- und Kapitalmärkten ausgeschlossen.

(Angemerkt sei an dieser Stelle, dass Großbritannien als bisher einziges westliches Land die Gazprom-Bank mit entsprechenden Sanktionen belegt hat, worauf kürzlich die Bekanntgabe des Moskauer Kremls erfolgte, das Vereinigte Königreich fortan nicht mehr mit Energie und Gas beliefern zu wollen).

Eine Art Kokon hat sich um den russischen Energiesektor gebildet, doch…

Zoltan Pozsar führt weiter aus, dass sich um den russischen Energiesektor eine Art Kokon gebildet habe, dessen Schutzfunktion es weiten Teilen dieses Wirtschaftsbereichs ermögliche, auch weiterhin mit den westlichen Industrienationen zu interagieren und Handel zu betreiben.

Die zuvor unbedachten Konsequenzen ließen sich nun allerdings insofern beobachten, da private Wirtschaftsunternehmen sich inzwischen quasi selbst sanktioniert haben, um aus der Russischen Föderation stammende Rohstoffe nur noch unter großem Vorbehalt oder gar nicht mehr zu transportieren, geschweige denn abzunehmen.

Es handele sich hierbei um eine Art Frontrunning, weil in der Privatwirtschaft bereits damit gerechnet zu werden scheint, dass die westlichen Sanktionen gegenüber Russland auch auf den Energiesektor ausgeweitet werden könnten.

Resultat sei, dass nur noch die wenigsten privatwirtschaftlichen Unternehmen im Westen dazu Bereitschaft an den Tag legten, den Rohstoffhandel mit Anbietern in der Russischen Föderation aufrechtzuerhalten und zu finanzieren.

Auch Schiffseigner legten eine zunehmend ablehnende Haltung an den Tag, russische Seehäfen weiterhin anzulaufen, um dort neue Rohstoffladungen mit dem Ziel einer Verschiffung in den Westen aufzunehmen.

Die zuvor unbedachten Konsequenzen kommen nun zum Vorschein

Es handele sich um eben jene auf die staatlicherseits verhängten Sanktionen erfolgte Selbstsanktionierung im privaten Wirtschaftssektor, die jetzt an den globalen Märkten zu einem makroökonomischen und finanziellen Schock geführt habe. Kaum irgendjemand habe eine solche Entwicklung vorausgesehen, geschweige denn auch nur ansatzweise bedacht.

Anders als der inzwischen erfolgte Ausschluss der meisten russischen Banken aus dem SWIFT-System handele es sich im Fall der direkten Sanktionierung der russischen Notenbank um eine wirklich schwerwiegende Angelegenheit.

Zoltan Pozsar konstatiert, dass der SWIFT-Ausschluss keine Angelegenheit von großer Tragweite sei, sondern etwas, worauf das Bankensystem in der Russischen Föderation seit Jahren vorbereitet gewesen ist, um dahingehend entsprechende Vorkehrungen zu treffen.

Des Weiteren befinde sich allen voran die Federal Reserve Bank spätestens jetzt in einer wenig beneidenswerten Situation. Denn die durch den Westen verhängten Sanktionen haben nicht nur die vorher bereits bestehenden Strukturprobleme verschärft, sondern auch die allgemeinen Inflationserwartungen in aller Welt noch einmal deutlich nach oben getrieben.

Der Westen hat seine eigenen Volkswirtschaften enormen Schmerzen ausgesetzt – die Kollateralschäden sind unübersehbar

Die ökonomischen Schmerzen, die sich der Westen auf diese Weise selbst zugefügt habe, seien enorm. Aus aktueller Sicht sei auch nicht damit zu rechnen, dass sich diese Schmerzen alsbald verflüchtigen werden. Die hiermit in Verbindung stehenden „Kollateralschäden“ seien gewaltig und drohen nun auf die Ökonomien des Westens wie ein Bumerang zurückzufeuern.

Auf die Volksrepublik China zu sprechen kommend, warf Zoltan Pozsar die Frage in den Raum, was die Pekinger Regierung mit ihren über die vergangenen Jahre auf Basis des US-Dollars akkumulierten Währungsreserven anfangen sollte.

Gibt es im bestehenden System wirklich großartige Alternativen zu einem Recycling dieser angehäuften US-Dollars mittels der amerikanischen Staatsanleihemärkte? Abermals weist Zoltan Pozsar darauf hin, dass die einzige Alternative hierzu Rohstoffe seien – allen voran Gold!

Er wolle in diesem Kontext auch gar nicht von Bretton Woods I oder Bretton Woods III sprechen. Gewiss sei es eine schöne Sache, wenn Gold als eine Art monetärer Anker diene und zum Einsatz komme.

Das Ende der Globalisierung? – Die Wahrscheinlichkeit wächst!

Schon kämen kontrovers geführte Diskussionen über ein Ende der Globalisierung als solcher an den internationalen Kapitalmärkten auf. Er selbst blicke nicht abgeneigt auf die Ansichten jener, die von einer solchen Entwicklung inzwischen fest ausgehen.

Was werden die darauf resultierenden Folgen sein? Einmal mehr wird sich die Ungleichheit in weiten Teilen der Welt zusätzlich verschärfen, weil ein potenziell nachlassender Freihandel die Situation an den Angebotsmärkten im Rohstoffbereich nochmals zu beeinträchtigen drohe.

Wer selbst über Rohstoffe verfügt, dürfte im Fall des Einsetzens eines solchen Szenarios der lachende Dritte sein und bei Weitem besser dastehen als all jene, die nicht oder nur in einem geringen Umfang über solche Güter verfügten.

Eine dauerhaft angespannte Lage an den internationalen Rohstoffmärkten?

Und aus eben jenem Grund zeichne sich jetzt schon ab, dass sich die nächsten fünf bis zehn Jahre, ja wahrscheinlich sogar die kommenden fünf Jahrzehnte, durch eine angespannte Lage an den internationalen Rohstoffmärkten auszeichnen werden.

Sich möglicherweise zusätzlich verschlimmernde Strukturprobleme in aller Welt und eine sich potenziell ausweitende Lieferkettenkrise werden diesen Ausblick nähren. Regierungen werden sich in der Zukunft nicht mehr mit dem momentan vielerorts vorherrschenden Thema der Einkommensungleichheit beschäftigen müssen.

Vielmehr verhärte sich der Ausblick darauf, dass dieses Thema über den Verlauf der nächsten Jahre zwar eines der wichtigsten sozialgesellschaftlichen Probleme bleiben wird, es allerdings zusehends durch eine zunehmende Ungleichheit im Verfügungsbereich von Ressourcen und wichtigen Rohstoffen als Thema Nummer Eins abgelöst werden dürfte.

Es macht keinen Sinn mehr, weiterhin Papiervermögenswerte anzuhäufen

In einer solchen Welt mache es überhaupt keinen Sinn mehr, weiterhin Papiervermögenswerte anzuhäufen. Denn erstens werden diese Papiervermögenswerte durch eine wahrscheinlich anhaltend hohe Inflation über den Lauf der Zeit entwertet. Zweitens verlieren jene diesen Papiervermögenswerten zugrundeliegenden Währungen beständig an Kaufkraft. Und drittens blickt inzwischen jedermann auf wachsende Konfiskationsrisiken!

Aus Sicht der Volksrepublik China gelte dies ebenso wie für jede andere Nation, die unter Umständen in einen Konflikt mit einer anderen militärischen Großmacht im Südchinesischen Meer geraten sollte, wie Zoltan Pozsar sich an dieser Stelle diplomatisch ausdrückte.

Es zeichne sich aus diesem Grund klar und deutlich ab, dass eine Diversifikation der eigens gehaltenen (Papier-)Vermögenswerte praktisch über Nacht zum Top-Thema Nummer Eins rund um den Globus avanciert sei.

Gold werde sich als ein Bestandteil im Hinblick auf eine Beantwortung der momentan im Raum stehenden Fragen erweisen. Ebenso wird sich der Trend hin zu einer weltweit deutlich zunehmenden Rohstofflagerhaltung samt Vorratsbildung als eine Antwort auf diese Frage erweisen.

China, Russland, Saudi-Arabien, Iran – was nun?

Darüber hinaus spielten derlei sich abzeichnende Veränderungen auch nicht nur aus Sicht der Volksrepublik China eine tragende Rolle. Auch Saudi-Arabien, die Russische Föderation oder der Iran blickten auf stattliche Währungsreserven.

Zu rechnen sei damit, dass auch diese (Rohstoff-)Exporteure sich auf Sicht verstärkt vom US-Dollar abwenden werden, um in der Zukunft beispielsweise ihre Überschüsse im chinesischen Wirtschafts- und Währungsraum zu akkumulieren beziehungsweise zu veranlagen.

(An dieser Stelle sei angemerkt, dass die politische Führung in Saudi-Arabien vor Kurzem bekanntgegeben hatte, zukünftige Rohöllieferungen an die Volksrepublik China auf Basis von Yuan-Zahlungen unter Ausschluss des US-Dollars in Erwägung zu ziehen.)

Häufig werde er durch seine eigenen Kunden darauf aufmerksam gemacht, dass es sich mit Blick auf die Volksrepublik China um keinen liberalisierten Finanzmarkt handele. Es stelle sich aus diesem Blickwinkel die automatische Frage, welche Bonds oder Vermögenswerte an diesen recht intransparenten und in Teilen in sich geschlossenen Märkten erworben werden könnten.

Zoltan Pozsar führt aus, ein Großteil seiner Kunden glaube aus eben jenen Gründen nicht daran, dass die Volksrepublik China und deren Finanzmärkte alsbald in eine solch tragende Rolle zu schlüpfen wüssten. In absehbarer Zeit werde es aus deren Sicht nicht dazu kommen.

Weltreservewährungen lassen sich mit heranwachsenden Kindern vergleichen

Zoltan Pozsar bezeichnet diese Sichtweise schlichtweg als Unsinn. Ähnlich wie Kinder, die im Stadium des Heranwachsens eine eigene Individualität und Persönlichkeit ausbildeten, verhalte es sich auch mit Blick auf Weltreservewährungen.

In diesem Bereich finde eine beständige Entwicklung statt, so dass „heranwachsende“ und zu einem bestimmten Zeitpunkt noch nicht allzu ernstgenommene Währungen irgendwann über die Reife verfügen werden, um in eine solche Rolle hineinzuwachsen – und diese von einem zuvor in diesem Bereich dominanten Rivalen zu übernehmen.

Es reiche schon aus, sich über den Werdegang der Volksrepublik im Verlauf der vergangenen dreißig Jahre bewusst zu sein. Das Land habe damit begonnen zu exportieren, um hierauf zu einem Mitglied der Welthandelsorganisation zu avancieren.

Darauf begann das Reich der Mitte damit, gewaltige Handelsüberschüsse bei Banken zu deponieren. Irgendwann folgte darauf der beständige Kauf von amerikanischen Staatsanleihen, der dann durch den Erwerb von Mortgage Backed Securities (durch Hypotheken besicherte Anleihen) sowie Assets im Private-Equity-Bereich komplementiert wurde.

Ab einem bestimmten Zeitpunkt verfügte die chinesische Zentralbank über solch enorme US-Dollar-Überschüsse, dass die People´s Bank of China es irgendwann dem heimischen Bankensystem überlassen habe, in welche Bereiche diese überschüssigen US-Dollars fließen sollten – angefangen bei Infrastrukturinvestitionen bis hin zu Aktivitäten an den globalen Devisen- und Währungsmärkten.

Diese Entwicklungen aus dem Rückspiegel der Ereignisse betrachtend, handele es sich also um einen graduellen Prozess. Mittlerweile lichte sich der Nebel ein wenig, denn falls sowohl die Russische Föderation als auch Saudi-Arabien (als größte Rohstoffexporteure dieser Erde) ihre Rohstofflieferungen in Richtung der Volksrepublik China vermehrt auf Basis des Yuans / Renminbis abwickeln sollten, so würde eine solche Entscheidung auch mit einer Bildung von immens hohen Überschussreserven der beiden Länder in Chinas Bankensystem einhergehen – und zwar auf Basis der chinesischen Währung!

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus basiert auf übersetzten Auszügen eines auf dem Kanal YouTube veröffentlichten Roundtable-Gesprächs zwischen Zoltan Pozsar und Yra Harris. Die Ausführungen werden in der kommenden Woche fortgesetzt.

 

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