Zum Wochenausklang empfiehlt es sich, an die internationalen Erdöl- und Dieselmärkte zu blicken. Nachdem die beiden Ölsorten Brent und West Texas Intermediate (WTI) preislich wieder komfortabel über der Marke von 80 US-Dollar liegen, stellt sich die Frage, ob es in den nächsten Wochen in diesem Bereich nicht zu einem weiteren Schub nach oben kommen könnte.

Westeuropäische Diesel-Futures-Märkte im Blickpunkt

So liegen beispielsweise die Diesel-Futures-Preise in Nordwesteuropa aktuell um rund 36 US-Dollar höher als ICE Brent. Im historischen Vergleich handelt es sich hierbei schon um eine echte Hausnummer.

Denn anders als in einer normal verlaufenden Saison handelt es sich fast um einen doppelt so hohen Preisaufschlag. Analysten und Ölhändler weisen darauf hin, dass diese Divergenz nun schon seit dem Monat Mai immer größer wird.

Ferner lasse sich eine solche Preisdivergenz in nur extrem seltenen Fällen beobachten. Nicht einmal der Ausbruch der Covid-Krise sei seinerzeit dazu in der Lage gewesen, derart heftige Preisaufschläge an den nordwesteuropäischen Dieselmärkten auszulösen.

Mit Ausnahme des letztjährigen Einmarschs von russischen Truppen in die Ukraine sei es seit mehr als zehn Jahren nicht mehr zu einer solchen Entwicklung in diesem Bereich gekommen. Laut Rohstoffhändlern zeichne weniger die Nachfrage- als vielmehr die Angebotsseite hierfür verantwortlich.

Schlüsselfaktoren wie beispielsweise aufkommende Probleme im weltweiten Raffineriesektor oder Ankündigungen der Organisation OPEC+ zu bevorstehenden Förderkürzungen würden alles in allem betrachtet unter die Kategorie der „gewöhnlichen Schwierigkeiten“ an den globalen Erdölmärkten fallen.

Steigende Dieselpreise trotz schwachen Dieselkonsums

Obwohl sich die Dieselnachfrage momentan als schwach bezeichnen lässt, deutet an den westeuropäischen Diesel-Futures-Märkten nichts darauf hin, als ob die seit Mai im Gang befindliche Rallye zu einem Ende kommen könnte.

Von Interesse ist in diesem Zusammenhang, dass der Dieselverbrauch in den OECD-Ländern im ersten Halbjahr um 240.000 Fass pro Tag im Vergleich mit der Vorjahresperiode gesunken ist.

In der Volksrepublik China ist der Dieselkonsum im selben Zeitraum in etwa unverändert geblieben. Doch wer in diesen Tagen auf die Preisentwicklung an den westeuropäischen Diesel-Futures-Märkten blickt, könnte zu einer gänzlich anderen Schlussfolgerung gelangen.

Noch vor wenigen Tagen hatte der Preisaufschlag an Westeuropas Diesel-Futures-Märkten gar die Schwelle von etwas mehr als 40 US-Dollar überschritten, um daraufhin wieder ein wenig zurückzukommen.

Insbesondere Hedgefonds und andere Spekulanten schienen die Gunst der Stunde zu nutzen, um bis dahin gehaltene Nettolong-Positionen abzubauen und sich in diesem Zuge Gewinne zu sichern.

Weitere Förderkürzung der Organisation OPEC+ voraus

Wie dem auch sei, so gibt es Neuigkeiten seitens der Russischen Föderation. So erklärte der russische Energieminister Alexander Novak unter Bezugnahme auf die Nachrichtenagentur Reuters, dass sich die Organisation OPEC+ auf eine weitere Förderkürzung verständigt habe.

In der kommenden Woche sollen hierzu dann die zwischen der Russischen Föderation und den anderen Mitgliedern der Organisation OPEC+ getroffenen Vereinbarungen im Detail publik gemacht werden.

Es scheint insbesondere dem russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin ein persönliches Anliegen zu sein, die Angebotsmenge an den internationalen Erdölmärkten ein weiteres Mal zu reduzieren.

Bis nächste Woche bleibt abzuwarten, ob es sich um beschlossene Produktionskürzungen oder Exportminimierungen – oder vielleicht sogar beides – handeln wird. Laut Alexander Novak hätten sich die Mitglieder der Organisation OPEC+ auf wichtige Schlüsselparameter verständigt.

Rosneft-Chef mit kritischen Tönen

Unter den aktuell gegebenen Bedingungen hatte sich die Russische Föderation im Rahmen der jüngsten Vereinbarung unter den Mitgliedern der Organisation OPEC+ dazu bereit erklärt, die eigenen Erdölausfuhren um eine halbe Million Fass pro Tag zu reduzieren.

Des Weiteren hatte sich die Moskauer Kreml-Regierung zu einer zusätzlichen Reduzierung der eigenen Erdölexporte im Monat August in Höhe von nochmals 500.000 Fass pro Tag bereit erklärt. Im September sollen sich die russischen Ölexporte dann um weitere 300.000 Fass pro Tag minimieren.

Bezug auf jüngsten Aussagen von Igor Sechin, dem Vorstandsvorsitzenden des russischen Energiekonzerns Rosneft nehmend, falle es dem Unternehmen angesichts dieser Entwicklung zunehmend schwerer, das eigene Förder- und Produktionspotenzial auszuschöpfen.

Zudem wies Igor Sechin darauf hin, dass sein Konzern bereits seit dem Jahr 2017 damit begonnen hatte, die eigene Erdölproduktion zu limitieren. Dass Rosneft auf diese Weise enorme Einnahmen entgehen versteht sich von selbst.

Hierin dürfte sich einer der Hauptgründe finden, weswegen sich Igor Sechin kritisch in Bezug auf die innerhalb der Organisation OPEC+ beschlossenen Förder- und Produktionskürzungen zeigt.

Russland büßt Marktanteile ein

Bereits im Monat Juni hatte Igor Sechin darauf hingewiesen, dass die Russische Föderation einen kleiner werdenden Anteil an ihrer Erdölproduktion an das Ausland exportiere. Russland büße aus diesem Grund Marktanteile im Vergleich zu anderen Mitgliedern der Organisation OPEC+ ein.

Manche Mitgliedsnationen des Kartellverbunds exportieren einen Anteil von bis zu neunzig Prozent in Relation zu deren Jahreserdölförderung. Was die Russische Föderation anbelangt, so beläuft sich dieser Anteil zurzeit auf gerade einmal rund fünfzig Prozent.

Aus welchem Betrachtungswinkel auch immer auf die Situation an den globalen Ölmärkten geblickt wird, so könnte die momentane Strategie der Organisation OPEC+ mit ein wenig zeitlicher Verzögerung am Ende doch aufgehen.

Anhaltende Preisrallye an den Erdölmärkten?

Ziel des Erdölkartells ist es, die Ölpreise nach einer mehrmonatigen Preiskorrektur auf einem hohen Niveau zu stabilisieren, was aus aktueller Sicht zu gelingen scheint. Der eine oder andere unter Ihnen wird sich vielleicht daran erinnern, dass ich in vorherigen Berichten zu diesem Thema der Ansicht gewesen bin, Öl im Bereich von etwa 70 US-Dollar zu kaufen und diese Kurse für einen Wiedereinstieg zu nutzen.

Seitdem haben führende Ölsorten wie Brent oder WTI um gut zwanzig Prozent im Preis zugelegt. Dies muss trotz einer sich weltweit abschwächenden Wirtschaft noch nicht das Ende sein.

Vielmehr stellt sich die Frage, welche Schwierigkeiten auf Zentralbanken und die westlichen Wirtschaften als solche zukommen werden, wenn die Erdölpreise wieder in Richtung von 100 US-Dollar pro Fass steigen sollten.

Zentralbanken in der Zwickmühle

Denn in diesem Fall wäre mit einem Wiederanziehen der westlichen Inflationsraten zu rechnen, welche dann wiederum durch weiter steigende Leitzinsen unter den führenden Notenbanken beantwortet werden müssten.

Beispielsweise in den Vereinigten Staaten zeigt sich, welche Auswirkungen die anhaltende Hochzinsphase an den Häusermärkten des Landes zur Folge hat. Bei einem Hypothekenzins von 7,3 Prozent im 30-jährigen Laufzeitenbereich schmilzt die Anzahl der Kaufinteressenten wie das Eis in der Sonne.

Nicht nur an den privaten, sondern auch an den gewerblichen Immobilienmärkten drohen bevorstehende Refinanzierungen signifikant teurer zu werden. Ein neu einsetzender Rallye-Schub an den globalen Rohstoffmärkten wäre allein schon aus diesem Grunde etwas, was Zentralbanken derzeit wie ein Loch im Kopf brauchten.

Verteuert sich Erdöl, verteuern sich auch viele andere Vorprodukte, zu deren Herstellung Energieträger wie Öl unerlässlich sind. Eine möglicherweise an Fahrt aufnehmende Rallye an den globalen Erdölmärkten würde sich deshalb unter aller Voraussicht durch alle wichtigen Bereiche der Wirtschaft ziehen.

Erneute Preiserhöhungen in der Industrie und unter Dienstleistungsfirmen würden dann ein weiteres Mal Schlagzeilen in den Medien machen. Wie sich eine solche Entwicklung auf die allgemeine Moral in den hiervon betroffenen Bevölkerungen auswirken würde, wird sich jedermann selbst ausmalen können.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt unter anderem Bezug auf einen Bericht auf der Seite oilprice.com.

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Im Fall des Einsetzens einer neuen Preisrallye an den Öl- und Rohstoffmärkten bliebe zu beachten, dass eine solche Entwicklung mit Umschichtungen unter institutionellen Investoren einhergehen würde.

Insbesondere Technologieaktien dürften dann wieder unter Abgabedruck geraten, während andere Segmente im Aktienbereich an Popularität gewinnen dürften. Ferner bleibt die Lage an den internationalen Bondmärkten zu beobachten.

Denn steigen die Zinsen bei einer Fortsetzung der Kursrückgänge in diesem Bereich weiter, wird den Aktienmärkten ab einem bestimmten Zeitpunkt die Luft zum Atmen genommen. Behalten Sie diese Dinge im Auge, um Ihr Portfolio gegebenenfalls an neue Bedingungen anzupassen.

Allen Lesern sei ein schönes Wochenende gewünscht!

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"