Die Energie ist da – es hapert an der Übertragungsinfrastruktur

Afrika verfügt über ein Solarenergiepotenzial von bis zu 1.000 Gigawatt und über ein Potenzial von 110 Gigawatt im Windbereich, ganz zu schweigen von Wasserkraftpotenzial in einem Umfang von 350 Gigawatt nebst einem Potenzial von 15 Gigawatt im geothermischem Sektor.

Und doch bleibt all dieses riesige Potenzial weitgehend ungenutzt, obwohl Solar- und Windenergie so billig werden, dass sie in einigen Teilen der Welt mit Kohle gleichziehen sollen. Die Situation wird wahrscheinlich diejenigen überraschen, die nur die positiven Schlagzeilen verfolgen, aber Menschen mit etwas Wissen darüber, wie erneuerbare Energien tatsächlich funktionieren und wie Unternehmen im Allgemeinen arbeiten, werden von der Situation in Afrika - und anderen Entwicklungsregionen der Welt - nicht überrascht sein.

Solar- und Windkraftanlagen erzeugen Strom, indem sie das Licht der Sonne oder die Energie des Windes einfangen und in Elektrizität umwandeln. Dieser Strom muss dann dorthin übertragen werden, wo er genutzt oder gespeichert werden soll. An diesem Punkt taucht eine der spezifischen Herausforderungen Afrikas auf: die Übertragung.

In vielen afrikanischen Ländern ist die Übertragungsinfrastruktur einfach nicht groß genug, um Solar- und Windkraftanlagen wirtschaftlich betreiben zu können. Schließlich kann ein Unternehmen nicht einfach einen Solarpark an einem beliebigen Ort errichten, nur, weil dieser in der Nähe der bestehenden Infrastruktur liegt. Solar- und Windparks brauchen optimale Bedingungen, um gut zu funktionieren.

Kenia: auch dezentrale Netze noch unwirtschaftlich

Und das Problem ist laut Toby Gill, dem Geschäftsführer von Intelligent Power Generation, nicht nur auf Großanlagen beschränkt. Gill sprach mit Oilprice über die Herausforderung der erneuerbaren Energien für afrikanische Länder und verwies auf das Beispiel Kenias - eines der afrikanischen Länder mit einem gut ausgebauten Stromnetz.

Trotz dieses gut ausgebauten Netzes, so Gill, sei es für Kenia eine Herausforderung, sein Solar- und Windpotenzial in Gänze auszuschöpfen, selbst über dezentrale Mini-Netze, die wirtschaftlicher sind als der Ausbau des zentralen Netzes. Der Grund: Es ist immer noch unwirtschaftlich.

Vor zwei Jahren lagen die Kosten für einen Micro-Grid-Anbieter, um einen Haushalt an sein Netz anzuschließen, bei etwa 1000 Dollar", so Gill. "Wenn man dann bedenkt, dass der durchschnittliche Kunde weniger als ein bis zwei Dollar pro Tag für seinen Stromverbrauch zahlt, wird die Amortisationszeit für diese Energieunternehmen unhaltbar.

An dieser Stelle sollte man sich daran erinnern, dass Unternehmen, auch solche, die erneuerbare Energien nutzen und Haushalte mit billigem Strom aus Sonne und Wind versorgen, Gewinne erwirtschaften müssen, um ihre Tätigkeit fortsetzen zu können. Und um Gewinn zu machen, brauchen diese Unternehmen Kunden, die in der Lage sind, die Kosten für diese Energie - plus die Infrastruktur, die sie zu ihnen transportiert - zu bezahlen.

Erzeugungsanlagen sind billig, sagt Gill, aber sie sind nicht der einzige Teil eines Netzes, der mit erneuerbaren Energien zu tun hat.

Es ist nicht der p/kWh von Wind-, Solar- oder Wasserkraft, der der begrenzende Faktor ist, und es kommt auch nicht auf die Mischung aus Wind-, Solar-, Energiespeicherung und brennstoffbasierter Energie an, um sicheren und zuverlässigen Strom zu liefern", sagte er gegenüber Oilprice. "Es ist die Tatsache, dass die Kosten für die Bereitstellung und Installation der Strominfrastruktur im Verhältnis zum Ertragspotenzial der Kunden zu hoch sind.

Uganda, Äthiopien und Sierra Leone: Es gibt auch erfolgreiche Projekte

Und dennoch, mit dem Abwärtstrend in der Branche wird die dezentrale Stromerzeugung vielleicht irgendwann für viele erschwinglich. In einigen Teilen Afrikas gibt es bereits erfolgreiche Projekte in diesem Segment, so Cecily Davis, Partnerin bei Fieldfisher und Leiterin der Afrika-Gruppe.

Davis erklärte gegenüber Oilprice.com, dass es erfolgreiche Mini-Grid-Projekte in Uganda, Äthiopien und Sierra Leone gäbe. Einige dieser Projekte werden von der Europäischen Union und Großbritannien subventioniert und zielten darauf ab, Menschen, die derzeit ohne Stromnetz leben, zukünftig mit zuverlässigem Strom zu versorgen.

Mininetze gelten als die wirtschaftlichste Option für die Versorgung von Gebieten, die zu teuer sind, um eine Erweiterung des Hauptnetzes in Erwägung zu ziehen, aber eine ausreichende Nachfrage und Bevölkerungsdichte aufweisen, um die wirtschaftliche Rentabilität zu unterstützen", so Davis gegenüber Oilprice. "Sie erweisen sich als äußerst erfolgreich, haben aber nicht die Erzeugungskapazität von großen Wind- oder Solaranlagen und elektrifizieren das ländliche Afrika eine Gemeinde nach der anderen.

Eine Gemeinde nach der anderen ist sicherlich besser als gar keine Gemeinde, dennoch gab es Ambitionen, die Kapazität der erneuerbaren Energien in verschiedenen afrikanischen Ländern in größerem Maßstab zu steigern. Diese Ambitionen sind auf Hindernisse gestoßen, die nichts mit den Kosten für die Erzeugung oder Übertragung zu tun haben.

Einer der Stolpersteine ist der Ölfluch

Fieldfishers Davis verweist auf Algerien als Beispiel: ein Land, das stark von seinen Öl- und Gaseinnahmen abhängig ist und nun versucht, auf Solarenergie umzusteigen, und sich damit schwertut, gerade wegen seiner Abhängigkeit von den Öl- und Gaseinnahmen, die während der Pandemie stark zurückgegangen sind.

Der Fall ist fast identisch mit dem von Saudi-Arabien, das immer noch große Pläne für eine Umstellung auf erneuerbare Energien hat, die mit Ölgeldern finanziert werden sollen.

Es ist bedauerlich, dass eine Reihe afrikanischer Länder, besonders in Nord- und Westafrika, so abhängig von Öl und Gas geworden sind, dass sie sich in einer Zwickmühle befinden, wenn es darum geht, in erneuerbare Energieprojekte zu investieren", sagte Davis. "Wenn sie die fossilen Brennstoffe zurückfahren, verlieren sie die Steuereinnahmen, um andere Infrastrukturen zu finanzieren; wenn sie die Öl- und Gasproduktion beibehalten, wird es für erneuerbare Energien schwieriger, zu konkurrieren.

Hinzu kommt die politische Herausforderung

Viele afrikanische Regierungen sind auf den Zug der erneuerbaren Energien aufgesprungen und haben ehrgeizige Pläne gemacht, um ihre Länder vollständig von erneuerbaren Energien abhängig zu machen. Allerdings haben sie die Fristen überschritten und mussten dann akzeptieren, dass es nicht so schnell gehen kann, wie sie es gerne hätten.

Der politische Faktor lässt Investoren in vielen Teilen des Kontinents vor der Finanzierung von Solar-, Wind- oder Wasserkraftprojekten zurückschrecken. Afrika flirtet mit erneuerbaren Energien, und es stellt fest, dass dies ein teurer Flirt ist.

Es könnte eine Beziehung daraus werden, aber dafür muss der Wohlstand wachsen. Erneuerbare Energie ist billig in der Erzeugung, aber sie ist nicht so billig in der Übertragung und Speicherung, wenn man das Netz - und sei es nur ein Mikronetz - und die Speicher dafür noch nicht gebaut hat.

Blick in den Rest der Welt und auf die großen Industriestaaten zeigt gegenläufige Trends

Bei aller ESG-Gläubigkeit lassen sich mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen auch rechtgegenläufige Trends beobachten. Denn die weltweit größten Kohlekonsumenten werden in den kommenden Monaten verstärkt auf einen Verbrauch von fossilen Brennstoffen setzen.

Beginnen wir mit einem Blick auf die Vereinigten Staaten. Kraftwerke in den USA werden im laufenden Jahr voraussichtlich sechzehn Prozent mehr Kohle verbrauchen als im Gesamtjahr 2020. Prognosen sehen vor, dass sich der Kohlekonsum auch im Jahr 2022 noch einmal um zusätzliche drei Prozent steigern soll.

 

Wie sehen die Dinge auf dem asiatischen Kontinent aus? Weder die Volksrepublik China noch der Subkontinent Indien verfolgen momentan Pläne, um eine Nutzung und Verbrennung von fossilen Brennstoffe in absehbarere Zeit zu reduzieren.

Vielmehr erwecke es unter Bezugnahme auf einen Bericht von Bloomberg den Eindruck, als ob der durch die globale Pandemie verursachte Emissionsrückgang im CO2-Bereich aus Sicht eines bestimmten Zeitpunkts durch die Erhöhung der Nutzung fossiler Brennstoffe wieder aufgehoben würde.

Höhere Emissionen widersprechen den Plänen von Biden

Langfristig werde dies zwangsläufig zu höheren Emissionen führen, was im Widerspruch zu den weltweiten Klimaschutzinitiativen stünde, die insbesondere durch den neuen US-Präsidenten Joe Biden und dessen Administration propagiert würden.

Im Bericht von Bloomberg wird Amanda Levin, Politikanalystin beim National Resources Defense Council in New York, zitiert, die erklärte, dass es unter aller Voraussicht zu einem deutlichen Anstieg der Emissionen kommen werde, da die Verbrennung von Kohle in US-Kraftwerken fast auf das im Jahr 2019 erreichte Niveau zurückgekehrt sei.

Änderungen könnten sich in diesem Bereich erst dann einstellen, wenn die Administration von Joe Biden ihre geplanten Richtlinien zur Unterstützung von grünen Energien dann auch umsetze. Erst ab diesem Zeitpunkt ließe sich mit einer nachhaltigen Reduzierung des Verbrauchs von Kohle und anderen fossilen Brennstoffen rechnen.

Die Rechnung sollte jedoch nicht vorbehaltlos ohne den Wirt gemacht werden. Zahlreiche Bundesstaaten in den USA haben inzwischen angekündigt, gegen die Pläne der Biden-Administration notfalls auch vor die Gerichte zu ziehen.

Es sind insbesondere die durch die Republikaner regierten Bundesstaaten, in denen eine Abkehr von fossilen Energieträgern in keiner Weise auf fruchtbaren Boden fällt.

Nicht nur, dass die meisten dieser Bundesstaaten über fossile Energieträger in Hülle und Fülle verfügen, erweist es sich aus deren Sicht auch als ein Problem, dass ein hoher Grad an gut bezahlten Arbeitsplätzen an einem Erhalt der Öl-, Gas-, Stahl- und Kohleindustrien in der Heimat abhängt.

Aus Perspektive der Vereinigten Staaten lässt sich der prognostizierte Anstieg des fossilen Energieträgerverbrauchs sowohl auf teureres Erdgas als auch auf eine breite Wiedereröffnung der heimischen Wirtschaft zurückführen.

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Solange die Industriestaaten nicht mit gutem Beispiel vorangehen, wird es auch in Afrika zu keinen weitreichenden Kampagnen im Hinblick auf die Transformation in Richtung einer grüneren Wirtschaft kommen.

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass die meisten Menschen auf dem afrikanischen Kontinent auch ganz andere Probleme haben, die sich durch den Ausbruch der Covid-Krise zusätzlich verschärft haben.

In Afrika geht es in erster Linie darum, die wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben, um eine stark wachsende Bevölkerung mit ausreichend Arbeitsplätzen und Nahrung zu versorgen. Alles andere spielt stets nur eine zweite Geige.

Aus Sicht vieler Afrikaner erweisen sich die Klimadiskussionen als pure Luxusprobleme, die man sich in vielen Nationen eines sich nach wie vor entwickelnden Kontinents schlichtweg nicht leisten kann, auch wenn es zuletzt zur Umsetzung von manchen Leuchtturmprojekten wie dem Staudammbau in Äthiopien gekommen ist.

Allerdings erweist sich diese Konstruktion auch wiederum als mahnendes Beispiel, wie schnell es in Afrika unter Nachbarländern zum Ausbruch von Streit über die zukünftige Wasserversorgung kommen kann.

Nicht von ungefähr liegt die äthiopische Regierung mit deren Pendants im ägyptischen Kairo und sudanesischen Khartum über Kreuz, weil unter den Anrainern kein Vertrauen in die zukünftige Wasserversorgung besteht.

Schlimmstenfalls werden derlei Projekte neue Kriege auf dem schwarzen Kontinent auslösen.

Der obige Text basiert auf einem Bericht auf der Seite von Oilprice.com, der durch Roman Baudzus inhaltlich ergänzt wurde.

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