Während sich aus deutscher Sicht nach wie vor die Frage stellt, wie viel Erdgas die Russische Föderation nach der Wiederaufnahme des Betriebs der Pipeline Nord Stream 1 in den nächsten Wochen denn nun tatsächlich an Deutschland liefern wird, hat sich der Gazprom- Konzern augenscheinlich zu einem neuen Mega-Gasgeschäft im Iran verpflichtet.

Nicht von ungefähr dürfte die Unterzeichnung dieses Geschäfts in einem geschätzten Gesamtumfang von vierzig Milliarden US-Dollar medienwirksam just während des jüngsten Staatsbesuchs des russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin in der iranischen Hauptstadt Teheran in Form einer Absichtserklärung unterzeichnet worden sein.

Russisches Erdgas fließt wieder

Hingewiesen sei nochmals darauf, dass der Gazprom-Konzern sich gegenüber seinen europäischen Vertragspartnern in einem in dieser Woche übermittelten Schreiben auf einen Zustand der „höheren Gewalt“ berief, was im Falle eines Worst-Case-Szenarios so viel bedeutet, als dass eine Aufrechterhaltung der russischen Gaslieferungen nach Europa nicht dauerhaft garantiert werden könne.

Laut des Präsidenten der deutschen Bundesnetzagentur, Klaus Müller, seien die Gaslieferungen aus der Russischen Föderation nach dem Abschluss der Wartungsarbeiten nun wieder aufgenommen worden – anfangs allerdings nur zu gut dreißig Prozent in Relation zur möglichen Gesamtlieferkapazität. Mittlerweile sei dieser Wert jetzt wieder auf vierzig Prozent – wie vor der Pipeline-Wartung – angestiegen.

Brüssel will Mitgliedsländer notfalls auch zu Energierationierungen zwingen – Spanien schert aus

Während die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock vor Volksaufständen im Land im Falle eines Gasboykotts seitens der Russischen Föderation warnte, brachte Wladimir Putin gestern zum Ausdruck, dass die russischen Gaslieferungen im Extremfall auf bis zu zwanzig Prozent in Relation zur Gesamtlieferkapazität sinken könnte, was von möglicherweise weiteren Verzögerungen in der Gasturbinen-Anlieferung aus Kanada abhängig gemacht wird.

In Brüssel wurde auf Ebene der Europäischen Union auf diese Entwicklung reagiert, indem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen darauf hinwies, Mitgliedsstaaten der EU notfalls auch zu Gasrationierungen zwingen zu wollen.

Dreier-Gipfel in Teheran: Shake Hands zwischen Putin, Erdogan und Raisi

Die spanische Regierung hatte hierauf mitgeteilt, ihre heimischen Verbraucher einem solchen Diktat nicht unterwerfen zu wollen. Wie dem auch sei, rückblickend sei erwähnt, dass Wladimir Putin am Dienstag zu einem Staatsbesuch in der iranischen Hauptstadt Teheran eingetroffen war.

Dass neben dem iranischen Staatspräsidenten und Gastgeber Ebrahim Raisi auch der türkische Staatspräsident Recep Erdogan an diesem Dreier-Gipfel teilnahm, sorgte in der westlichen Presse naturgemäß für eine Menge Aufsehen.

Wer hätte gedacht, dass Recep Erdogan sich einerseits in die Höhle des schiitischen Löwen begeben würde, um andererseits manche Interessenübereinstimmungen mit Wladimir Putin auf eine derart offene Weise zur Schau zu stellen?!

Die Teilnahme von Recep Erdogan an dem Teheraner Dreier-Gipfel dürfte einmal mehr zu wachsenden Zweifeln im Hinblick auf die Loyalität des türkischen Staatschefs und einer gewissen Konsternierung unter einer wachsenden Anzahl von NATO-Partnern geführt haben.

Link zum Bericht: https://www.msn.com/de-de/nachrichten/welt/nach-dreier-gipfel-im-iran-putin-wirft-dem-westen-versuchte-zerst%c3%bcckelung-syriens-vor/ar-AAZKCXz?li=BBqfUd5&ocid=mailsignout

Dass sich Recep Erdogan Schulter an Schulter mit Wladimir Putin im Iran ablichten ließ, obwohl sich der europäische Kontinent in der schlimmsten Energiekrise seiner Historie befindet, führt wieder einmal automatisch zu der Frage, wie lange die Türkei ihren Spagat zwischen West und Ost noch wird aufrechterhalten können.

Viele westliche Beobachter und Kommentatoren dürften ob dieser von Teheran ausgehenden Bilder und Signale Schaum vor dem Mund gehabt haben, da sich einmal mehr zeigt, dass die Russische Föderation und die Kreml-Regierung nicht isoliert in der Welt dastehen, sondern ganz im Gegenteil auch während des anhaltenden Krieges in der Ukraine ihren Geschäften nachgehen.

Vereinbarung eines weiteren Mega-Gasgeschäftes

Um an dieser Stelle auf das abgeschlossene Gasgeschäft mit dem Iran zurückzukommen, so berichtete The Jerusalem Post, dass die National Iranian Oil Company (NIOC) und der russische Staatskonzern Gazprom eine Absichtserklärung unterzeichnet haben, deren finanzieller Gesamtumfang sich auf geschätzte vierzig Milliarden US-Dollar belaufen soll.

Es handelt sich hierbei um die höchste ausländische Direktinvestition in der Geschichte der iranischen Energieindustrie. In diesem Zuge wird die Russische Föderation mehrere zehn Milliarden US-Dollar in iranische Öl- und Gasfelder investieren. Allen voran wird es sich hierbei – neben weiteren sechs Gasfeldern – um die Offshore-Gasfelder North Pars und Kish handeln.

Auch eine Reihe von Flüssiggasprojekten nebst einer Konstruktion von neuen Gasexport-Pipelines seien Bestandteile dieses Geschäfts. Die von dem jüngsten Teheraner Dreier-Gipfel ausgehenden Medienbilder und Signale haben inzwischen den Internationalen Währungsfonds auf den Plan gerufen.

So warnt der Internationale Währungsfonds Europa davor, dass die Regierungen der 27 EU-Länder darauf vorbereitet sein müssten, Energielieferungen mit allen anderen Ländern der Staatenunion zu teilen, während alle erdenklichen Maßnahmen zu ergreifen sind, um so viel Energie wie möglich – insbesondere im Gasbereich – einzusparen.  

Neben offenen Fragen im Hinblick auf den anhaltenden Bürgerkrieg in Syrien kamen die Moskauer Kreml-Regierung und die iranische Staatsführung ferner zu der Übereinkunft, den US-Dollar im bilateralen Handel zwischen beiden Nationen zukünftig außen vor zu lassen.

Eine Neue Weltordnung bricht an

 

Aus Sicht vieler Leser wird überdies von Interesse sein, dass Wladimir Putin im Rahmen einer gestrigen Rede vor einer Zuhörerschaft auf einem Moskauer Wirtschaftsforum offen kritisierte, dass die „globalistische Weltordnung einen totalitären Charakter aufweist“.

Wladimir Putin wies darauf hin, dass der Westen seine globale Vorrangstellung hauptsächlich der Ausplünderung von anderen Nationen in der Vergangenheit zu verdanken habe. Ferner könne der Westen für sich kein moralisches Recht in Anspruch nehmen, um dem Rest der Welt sein unipolares Modell aufzuoktroyieren. Wörtlich erklärte Wladimir Putin wie folgt:

Das Modell der totalen Dominanz durch die sogenannte `goldene Milliarde´ ist ungerecht. Warum sollte diese `goldene Milliarde´ den Rest der Weltbevölkerung dominieren, um allen anderen die eigenen Verhaltensregeln aufzuoktroyieren. Auf der Illusion der Exklusivität fußend, spaltet dieses Modell die Menschen in eine erste und in eine zweite Klasse, weshalb dieses Modell nicht nur rassistisch, sondern in seinem Kern auch neo-kolonialistisch ist. Und die Globalisten, angeblich einer liberalen Ideologie anhängend, die mehr und mehr die Züge des Totalitarismus annimmt, unterminiert nicht nur das kreative Streben, sondern auch den freien historischen Verlauf. Selbstverständlich ist diese `goldene Milliarde´ nicht durch reinen Zufall `golden´ geworden, sondern sie hat eine ganze Menge erreicht. Im Kern haben (die Mitglieder) dieser `goldene Milliarde´ heute ihre Positionen nicht Dank einer Realisierung von einigen Ideen inne. Vielmehr verdankt diese `goldene Milliarde´ dies in einem hohen Ausmaß einer Ausplünderung von anderen Menschen, sowohl in Afrika als auch in Asien. So sehen die Dinge aus. Egal, wie sehr die westlichen und sogenannten supranationalen Eliten auch darauf bedacht sein mögen, die bis dato existierende Weltordnung zu erhalten, so sei gesagt, dass eine neue Ära und eine neues Kapitel in der Welthistorie anbrechen. Und einzig und allen souveräne Staaten sehen sich dazu in der Lage, eine hohe Wachstumsdynamik zu garantieren, um auf diese Weise zu einem Vorbild für andere zu werden.“

Wie jeder Einzelne diese Worte auch auffassen mag, so sei gesagt, dass es nicht das erste Mal geschehen ist, dass Wladimir Putin den Westen für seinen eigenen Abschwung verantwortlich gemacht hat. Im März führte Putin im Rahmen einer Rede aus, dass es die „westlichen Eliten“ seien, welche ihren eigenen Völkern ökonomische Schmerzen in Europa und den Vereinigten Staaten bereiteten.

Im Rahmen des jüngst in St. Petersburg abgehaltenen Wirtschaftsforums teilte Wladimir Putin mit im Hinblick auf den Westen mit, dass auf unserer Welt kein Zustand von Dauer und für die Ewigkeit sei. Der nun im Westen einsetzende Wirtschaftsabschwung werde letztendlich mit einer Auswechslung der dort herrschenden Eliten einhergehen.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt Bezug auf einen Bericht auf der Finanzseite Zerohedge.

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Wladimir Putin sollte bei aller am Westen geäußerten Kritik nicht vergessen, dass die durch ihn als `goldene Milliarde´ bezeichnete Herrschaftsclique auch in seinem eigenen Land die wirtschaftlichen und politischen Drähte mitzieht. Darüber hinaus blickt auch Russland auf eine ausgiebige Kolonialgeschichte, welche im Expansionsdrang des russischen Zarenreichs und – sich hieran anschließend – in der Gründung der Sowjetunion gipfelte.

Dass die BRICS-Staaten unter Einbezug einer wachsenden Anzahl von Nationen im globalen Süden zurzeit an der Institutionalisierung eines eigenen – und vom Westen unabhängigen – Finanzsystems arbeiten, ist mittlerweile ein offenes Geheimnis.

Jüngst hatte der Architekt dieses Systems, Sergej Glaziew, erklärt, dass in US-Dollars, Euros, japanischen Yens oder britischen Pfund womöglich potenziell zahlungsausfällige Länder sich im Falle eines Anschlusses an dieses aus der Taufe zu hebenden Systems keine Sorgen und Gedanken um ihre Zukunft zu machen brauchen.

Wer immer sich an diesem System beteilige, dessen Erfolgsaussichten wohl auch von einem militärischen Erfolg der Russischen Föderation in der Ukraine abhängig sind, werde keinerlei Konsequenzen und Nachteile aus womöglich zu leistenden Zahlungsausfällen in westlichen Währungen erleiden. Vielmehr werde diesen Nationen der Ausblick auf einen kompletten Neustart ermöglicht.

Allein in diesen Worten spiegelt sich der verbissene Kampf, welcher auf dem ukrainischen Schlachtfeld und in Form von Sanktionen und Gegensanktionen zwischen der Russischen Föderation und den USA (sowie deren westlichen Verbündeten) ausgetragen wird.

Es geht nämlich um nichts anderes als um die Frage, wer die kommende Weltordnung dominieren und bestimmen wird. Wladimir Putin gibt dies inzwischen auch zu jeder sich bietenden Gelegenheit unumwunden und ganz offen zu.

Zu hoffen bleibt über diese Frage nach wie vor nur, dass dieser Konflikt letzten Endes nicht in Form eines neuen Weltkrieges, der unter Bezugnahme auf den serbischen Staatspräsidenten Aleksandar Vucic bereits begonnen habe, ausgefochten wird.

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