Analysten und Energiemarktexperten warnen vor einem perfekten Sturm, der sich zurzeit an den internationalen Dieselmärkten zusammenbraue. Einerseits wird diese Situation auf die bis zum Anschlag und am Rande ihrer verfügbaren Kapazität produzierenden Raffineriebetriebe zurückgeführt. Andererseits bauen sich zuvor gebildete Dieselvorräte vor dem Beginn der Wintermonate auf der Nordhalbkugel in einem rasanten Tempo ab.

Insbesondere in den USA warnen Transport- und Industrieunternehmen schon seit einigen Wochen vor der Gefahr, dass Dieselknappheit die Funktionstüchtigkeit von ganzen Transportnetzwerken beeinträchtigen könnte.

Denn sowohl Container- und Frachtschiffe als auch Lastkraftwagen und Eisenbahnen hängen zu einem hohen Grad von einer reibungslosen Versorgung mit dem Kraftstoff ab. Ferner wird Diesel auch in der Stromerzeugung und zur Beheizung von Privathaushalten benötigt.

Weltweite Dieselknappheit droht

In einem Bericht auf der Seite von Bloomberg heißt es, dass nahezu jede Region unserer Erde es schon in wenigen Monaten mit einer Dieselknappheit zu tun zu bekommen droht. Weltweit vorherrschende Lieferengpässe hätten ferner einen großen Beitrag zu einer weiter steigenden Inflation samt eines sich vielerorts verschlechternden Wachstumsausblicks geleistet.

Sowohl Unternehmen als auch private Haushalte drohen aus diesem Grund in weiten Teilen unserer Welt unter einen sich intensivierenden Druck zu geraten. Die Preise für Benzin und Diesel sind an die Entwicklung der Preise an den globalen Rohölmärkten gebunden.

Doch Diesel sticht in den Betrachtungen schon seit einiger Zeit heraus, weil die anhaltenden Lieferschwierigkeiten zu teils enormen Preisaufschlägen in diesem Bereich geführt haben. Einer der medial seltener diskutierten, jedoch hinter der aktuellen Dieselknappheit stehenden Faktoren lässt sich auf rückläufige Raffineriekapazitäten in den Vereinigten Staaten seit dem Beginn der Covid-Krise zurückführen.

Unter Bezugnahme auf die Energy Information Administration (EIA), eine Behörde, die dem amerikanischen Energieministerium unterstellt ist, beliefen sich die Raffineriekapazitäten in den Vereinigten Staaten am Beginn der Covid-Krise auf neunzehn Millionen Fass pro Tag.

Hierbei handelte es sich um den höchsten in der Geschichte des Landes jemals gemessenen Wert. Allerdings sank diese Kennziffer bis Dezember 2021 auf 17,9 Millionen Fass pro Tag. Hierbei handelt es sich innerhalb von weniger als zwei Jahren um einen Kapazitätsverlust von 1,1 Millionen Fass pro Tag.

Aus Sicht der Raffineriebetriebe lässt sich dieser Rückgang leichterdings erklären, weil die politischen Reaktionen auf den Ausbruch der Covid-Krise für die Unternehmen in diesem Bereich weder absehbar noch prognostizierbar gewesen sind.

Eine verzerrte Berichterstattung

In den Medien wird häufig dann über diesen Wirtschaftssektor berichtet, wenn Firmen hohe Gewinne generieren. Anders verhält es sich, wenn unter den Unternehmen in diesem Bereich hohe Verluste anfallen.

Beide Entwicklungen lösen sich jedoch aufgrund eines beständigen Lagewechsels an der Konjunkturfront miteinander ab. Hinzu gesellt sich die Tatsache, dass die Administration von Joseph Biden seit ihrem Amtsantritt keinen Hehl daraus gemacht hat, das eigene Land in der Zukunft unabhängig von fossilen Brennstoffen machen zu wollen.

Lizenzen zur Erschließung von neuen Erdöl- und Gasquellen auf staatlichen Liegenschaften des Bundes werden nicht mehr erteilt, die Offshore-Förderung vor den Küsten des Landes wird zurückgeführt und wichtige Pipelines wie Keystone XL wurden nicht fertig gebaut.

Wen wundert es angesichts dieser Entwicklungen, dass die amerikanischen Unternehmen ihre Investitionen in die Erschließung von neuen Quellen und Feldern in den letzten beiden Jahren deutlich reduziert haben?!

Raffinerien in den USA schließen in wachsender Anzahl ihre Pforten

Im Raffineriebereich sehen die Dinge kaum anders aus. Raffineriebetriebe, deren Prognosen Verluste in Milliardenhöhe antizipieren, und die ihre zu tätigenden Investitionen aufgrund einer gesetzlich erforderlichen Aufrechterhaltung der Sicherheitsanforderungen fortführen müssen, gelangen ab einem bestimmten Zeitpunkt zu dem Fazit, dass es sich wirtschaftlich nicht mehr lohnt, die eigenen Aktivitäten fortzusetzen.

Heißt also, dass eine wachsende Anzahl an Raffineriebetrieben in den Vereinigten Staaten die Pforten schließt. Es gibt einige gute Quellen, aus denen hervorgeht, weswegen es in den USA zu einer solchen Entwicklung kommt.

Eine davon ist die EIA. Im Sommer berichtete die EIA, dass sich die Produktionskapazitäten im amerikanischen Raffineriebereich im Laufe letzten Jahres bereits das zweite Jahr in Folge reduziert haben.

Gleichzeitig wurde in dem oben verlinkten Bericht einer der Hauptgründe für eine der größten bekanntgegebenen Raffinerieschließungen im Land beleuchtet. Aus einer diesem Bericht entnommenen Grafik geht zudem hervor, auf welche Weise sich die Raffinerieproduktion in den USA in den vergangenen Jahren reduziert hat

 

Auf einem Twitter-Kanal von Laura Sanicola, einer in Diensten der Nachrichtenagentur Reuters stehenden Öl- und Energieberichterstatterin, wurden die einzelnen Ankündigungen zu Raffinerieschließungen in den Vereinigten Staaten seit dem Beginn der Covid-Krise bis zum Juni dieses Jahres diskutiert und analysiert.

Laut Laura Sanicola ist es in dem erwähnten Zeitraum zur Schließung von neun Raffinerien im Land gekommen. Der Löwenanteil der hiervon betroffenen Betriebe entschloss sich aufgrund einer stark rückläufigen Nachfrage während der Covid-Krise zu einer Aufgabe der eigenen Aktivitäten.

Und nun vergleiche dies jeder bitte einmal mit der medialen Berichterstattung, wonach die in diesem Bereich aktiven Unternehmen Milliarden von US-Dollars verdienten. Wenn dem so wäre, würden sich Raffineriebetriebe in den Vereinigten Staaten gewiss nicht dazu entschließen, ihre Pforten dicht zu machen.

Es ist durchaus möglich, als Unternehmen Milliarden von US-Dollars zu verdienen, jedoch permanent Geld aufgrund des Betreibens einer einzelnen Raffinerie zu verlieren. Beispiele hierfür gibt es unter anderem an der amerikanischen Ostküste.

So hatten insbesondere Raffinerien an der amerikanischen Ostküste keinen oder nur einen eingeschränkten Zugang zu dem im eigenen Land geförderten Schieferöl. Resultat war, dass diese Betriebe Rohöl an den internationalen Märkten einkaufen mussten, wodurch diesen Unternehmen Wettbewerbsnachteile entstanden.

Zweitens erweisen sich die aktuell erzielbaren Raffineriegewinne als eine Momentaufnahme. So hat sich die Nachfrage nach Erdöl und Destillaten in den Vereinigten Staaten mittlerweile weitreichend erholt.

Unter Bezugnahme auf aktuell verfügbare Daten hat sich insbesondere die landesweite Nachfrage nach Destillaten wie Benzin und Diesel wieder auf jene Niveaus vor dem Ausbruch der Covid-Krise erholt.

Nichtsdestotrotz verlieren die Unternehmen in diesem Bereich die Prognosen zur zukünftigen Nachfrage nie aus den Augen. Hierbei handelt es sich um langfristige Nachfrageprognosen für Petroleumprodukte.

Und diese Prognosen sehen einen abermals einsetzenden Nachfragerückgang im weiteren Zeitablauf voraus. Amerikas Wirtschaft blickt wie weite Teile des Rests der Welt im nächsten Jahr dem Beginn einer Rezession entgegen.

Es scheiden sich die Geister

In den Vereinigten Staaten scheiden sich zudem die Geister anhand der Frage, ob eine solche Rezession nicht womöglich schon längst eingesetzt hat. Unternehmen investieren angesichts eines solchen Umfelds also nur ungern Milliardenbeträge, die sich nicht selten erst innerhalb einer vollen Dekade amortisieren oder sich finanziell zu lohnen beginnen.

Drittens gesellt sich der Faktor hinzu, dass sich viele Raffineriebetriebe in den USA nicht auf dem neuesten Stand befinden und aus diesem Grunde dringend modernisiert werden müssen. Doch Einheiten, die schon jetzt keinen Gewinnbeitrag zu den Gesamtfirmenleistungen mehr beitragen, werden irgendwann geschlossen.

Es benötigt aus diesem Grund eine Veränderung der gesetzlichen Regulierungswerke und Rahmenbedingungen, um die Unternehmen Amerikas der Erdöl-, Gas- und Raffineriebranche durch diese Zeit zu bringen – und diese Firmen zu höheren Investitionen anzuspornen.

Nichts hiervon lässt sich allerdings anhand des in Washington eingeschlagenen Politik-Kurses beobachten. Vielmehr hat sich unter den Energieindustriekapitänen des Landes der Eindruck verhärtet, ein stiefmütterliches Dasein zu fristen. Da fossile Energieträger jedoch an allen Ecken und Enden weiterhin benötigt werden, wie die aktuelle Situation aufschlussreich zeigt, wird es auf politischer Ebene irgendwann zu einem Umdenken kommen müssen.

Falls dem nicht so sein sollte, droht es alternativ zu weitreichenden Versorgungsengpässen im Destillatsektor zu kommen, die sich äußerst negativ auf jene über die vergangenen Jahrzehnte aufgebauten Transportnetzwerke auswirken könnten.

Bereits zum aktuellen Zeitpunkt befinden sich die Dieselvorräte in den USA laut EIA auf dem niedrigsten Niveau seit dem Jahr 1982. Trotz allem erhöht sich das Angebot nicht. An der Preisfront macht sich diese Entwicklung bemerkbar.

So sind die amerikanischen Dieselpreise am New Yorker Spotmarkt seit dem Amtsantritt von Joseph Biden um mehr als 260 Prozent in die Höhe geschossen. Im diesjährigen Frühjahr wurde das bisherige Preishoch bei knapp 5,40 US-Dollar pro Gallone erreicht. Aktuell liegen die durchschnittlichen Preise bei rund 3,60 US-Dollar pro Gallone.

Neben den USA blickt auch der europäische Kontinent einem niedrigen Dieselangebot ins Auge. So gehen Analysten an den Energiemärkten von weiter sinkenden Dieselbeständen in den kommenden Monaten aus, da das Direkteinfuhrverbot für russisches Erdöl und Destillate ab Dezember in Kraft treten wird.

Da sich die Angebotslage auf diese Weise zusätzlich verschärft, intensiviert sich auch die Konkurrenz um verfügbare Lieferungen zwischen dem europäischen Kontinent und vielen Schwellenländern zusehends.

Bloomberg zitierte kürzlich Dario Scaffardi, den ehemaligen Chef des italienischen Raffinerieunternehmens Saras, der erklärte, es mit der größten Dieselkrise zu tun zu haben, die er während seiner vierzigjährigen Laufbahn jemals erlebt habe.

Vor dem Inkrafttreten des Direkteinfuhrverbots für russisches Erdöl (am 5. Dezember) und Destillate (ab Februar 2023) in die Europäische Union haben sich neben Rohstoffhäusern auch Händler angesichts von Panikkäufen mit Beständen eingedeckt.

Doch was soll danach kommen? Vielerorts wird erwartet, dass sich das Energiechaos auf dem europäischen Kontinent schon in absehbarer Zeit noch weiter zu verschlimmern droht. Laut Dario Scaffardi seien die weiteren Entwicklungen kaum mehr prognostizierbar.

Denn wenn die Russische Föderation als Energielieferant ausfalle, entstünde dadurch eine riesige Delle im weltweiten Energiemarktsystem. Schon jetzt ließe sich absehen, dass sich diese Delle nur sehr schwer, wenn überhaupt, beheben lassen wird.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt Bezug auf einen Bericht auf der Seite von oilprice.com.

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Während sich die Angebotslage an den globalen Destillatmärkten weiter zu verschärfen droht, soll abschließend noch ein Blick auf Katar und die dortige Erdgasförderung geworfen werden.

Es war exakt am 22. Juni, als ich Ihnen wie folgt berichtete: China investiert in Katars gigantisches LNG-Projekt – Europa abermals im Hintertreffen.

Zu diesem Zeitpunkt waren die Hoffnungen in Deutschland und Europa auf den Abschluss eines Liefergeschäftes mit den Kataris noch keineswegs gedämpft, obwohl der katarische Energieminister manche durch Wirtschaftsminister Robert Habeck getätigte Aussagen in einem Interview gegenüber der FAZ relativiert hatte – und in mancherlei Hinblick gar als Unfug bezeichnete.

Wen verwundert es also, als vor wenigen Tagen in der deutschen Presse wie folgt getitelt wurde: Erdgas: Katar schließt Flüssiggas LNG-Liefervertrag mit China über 27 Jahre Laufzeit.

Katar hat erwartungsgemäß bekommen, was es wollte und China hat erwartungsgemäß bekommen, was es wollte. Deutschland und Europa haben nicht bekommen, was sie wollten.

Könnten die mediale Hysterie und die damit verbundenen Anfeindungen gegenüber der zurzeit in Katar stattfindenden Fußball-Weltmeisterschaft unter Umständen auch etwas mit diesem Ausgang der Geschehnisse zu tun haben?

Würden deutsche Medien die WM in Katar auch dann in Bausch und Boden schreiben, wenn es zu einer vorherigen Liefervereinbarung zwischen Deutschland und den Kataris gekommen wäre? Es macht durchaus Sinn, hierüber einmal nachzudenken. Allen Lesern sei ein schönes Wochenende gewünscht!

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"