Sowohl Armenien als auch Aserbaidschan grenzen an Provinzen im Nordiran. Kämpfe hätten sich zuletzt derart nahe in das Grenzgebiet mit dem südlichen Nachbarland verlagert, dass iranische Zivilisten den auf der anderen Grenzseite stattfindenden Kämpfen in manchen Fällen hätten zuschauen können.

Rote Linie: Weitere Gefährdung der eigenen Bevölkerung wird nicht hingenommen!

Ende letzter Woche berichteten iranische Staatsmedien über einen ernstzunehmenden Vorfall, in dessen Zuge es zum Einschlag von mindestens zehn Raketen in zwei iranischen Dörfern im Bezirk Khudaferin gekommen sein soll. Laut der iranischen Nachrichtenagentur IRNA sei eine dieser Raketen in einem Wohnhaus eingeschlagen, dabei einen Zivilisten verletzend.

Das iranische Außenministerium warnte darauf beide Konfliktparteien auf der jeweils gegenüberliegenden Grenzseite. Im Hinblick auf eine Verursachung von weiteren Schäden unter der eigenen Bevölkerung handele es sich um eine „rote Linie“, deren Überschreiten eine entsprechende Reaktion der Teheraner Führung zur Folge haben werde.

Die Gewährleistung und Aufrechterhaltung der körperlichen Unversehrtheit und Sicherheit der eigenen Bürger erweise sich aus Sicht der iranischen Streitkräfte als eine „rote Linie, welche nicht überschritten werden dürfe“, wie Saeed Khatibzadeh, Sprecher des Außenministeriums in Teheran, erklärte.

Saeed Khatibzadeh warnte beide Konfliktparteien jenseits des gemeinsamen Grenzverlaufs davor, dass der Iran im Falle eines sich wiederholenden Vorfalls nicht mehr untätig zusehen werde. Auch wenn es sich in Bezug auf die monierten Raketeneinschläge im Nordiran um versehentlich fehlgerichtete Geschosse gehandelt haben mag, erwiesen sich diese Vorfälle als „vollkommen inakzeptabel“ und „schändlich“.

Iran bietet sich als Streitschlichter an und erkennt Gefahr eines Übergreifens des Konflikts

Abermals erneuerte Saeed Khatibzadeh daraufhin das iranische Angebot, zwischen den beiden Nachbarn und ehemaligen Sowjetrepubliken die Rolle eines Mediators einzunehmen, um einen tragfähigen Waffenstillstand zwischen den aserbaidschanischen und armenischen Streitkräften auszuhandeln.

In der letzten Woche hatte Irans Staatspräsident Hassan Rohani vor einem möglichen Überspringen des Konflikts um Nagorny-Karabach gewarnt, falls diese militärische Auseinandersetzung nicht so schnell wie möglich beendet und beigelegt würde. Danach sei die Gefahr eines regional-übergreifenden Konflikts real.

Iran hat ureigenes Interesse an Streitbeilegung

Laut eines Berichts auf der Seite von Foreign Policy hege der Iran ein ureigenes Interesse an einer schnellen Beilegung des Konflikts im Südkaukasus. Denn umso länger dieser Konflikt anhielte, desto wahrscheinlicher könnte sich der weitere Fortgang destabilisierend auf Teile des eigenen Staatsgebiets auswirken. Die innere Sicherheit des Irans könnte sich durch einen lang anhaltenden Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien bedroht sehen.

Warum ist dies so? Eine Antwort auf diese Frage findet sich insbesondere aufgrund der Tatsache, dass die nordiranischen Provinzen im Grenzgebiet auf bedeutsame azerische Bevölkerungsanteile blicken. Und so verwundert es auch nicht, dass führende politische Repräsentanten aus vier Provinzen im Nordwesten des Irans den „aserbaidschanischen“ Brüdern und Schwestern Anfang Oktober ihre Unterstützung zugesagt hatten.

Hat Iran andererseits den Luftraum für Russland geöffnet?

Am 1. Oktober hieß es in einer gemeinsamen Erklärung, es gäbe keinerlei Zweifel daran, dass Nagorny-Karabach integraler Bestandteil des aserbaidschanischen Staatsgebiets sei. Trotz der Erklärung nimmt es sich doch recht sonderbar aus, dass die Teheraner Führung laut Berichten nahezu zum selben Zeitpunkt ihren Luftraum für russische Flugzeuge, die Militärausrüstung und andere Versorgungsgüter nach Armenien brächten, geöffnet habe.

Falls dem tatsächlich so sein sollte, vollzöge die Teheraner Regierung augenscheinlich einen Drahtseilakt, nachdem es in der iranischen Provinz Ost-Aserbaidschans und der Hauptstadt Teheran bereits zum Ausbruch von Protesten gekommen ist, in deren Zuge die Demonstranten den Slogan „Karabach gehört uns und wird immer uns gehören“ skandieren.

Großayatollah Hossein Nouri Hamedani hatte den Konflikt um Nagorny-Karabach zuletzt gar eine religiöse Note verliehen. Danach sei Nagorny-Karabach Teil der islamischen Welt, weshalb die Region befreit werden müsse. Vielleicht mag dies auch der Grund sein, weshalb die iranische Regierung Berichte über eine Öffnung des eigenen Luftraums für russische Flugzeuge bislang dementiert hat.

Teheran wird azerische Minderheit nicht ignorieren können

Dem Backing Aserbaidschans durch große Teile der Bevölkerung und Teile der politischen und religiösen Führung scheint selbst die Tatsache nichts anhaben zu können, dass Baku sich neben der Türkei auch im Bunde mit Israel sieht. Bei Foreign Policy heißt es hierzu, dass sich die iranische Führung nicht dazu imstande sehen wird, die Forderungen und Bedürfnisse der azerischen Minderheit im eigenen Land zu ignorieren.

Es wäre zwar eine Übertreibung den Iran als innenpolitisches Pulverfass zu skizzieren, doch es wäre ebenso irreführend, die Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Ethnien im Iran nicht als treibende Kraft hinter dem plötzlichen Hofieren Bakus samt der zugesagten Hilfe und Unterstützung zugunsten von Aserbaidschan auszumachen.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Auch wenn momentan Hoffnung auf die Einhaltung einer brüchigen Waffenruhe in Nagorny-Karabach besteht, so gehen von diesem Konflikt große Gefahren für die allgemeine regionale Stabilität aus. Nicht nur der Iran, sondern auch Dagestan und möglicherweise Tschetschenien drohen in diesen Konflikt mit hineingerissen zu werden, der bei Licht besehen längst schon zu einer Art neuem Stellvertreterkrieg zwischen der Türkei auf der einen und Russland auf der anderen Seite zu werden droht. Ganz so, als ob es nicht schon genügend Hotspots dieser Art auf unserer Welt gäbe.

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